Handel mit Babys aus Sri Lanka – Präsidentin von Adoptierten-Organisation nimmt Bund in die Pflicht
«Es geht hier nicht um Einzelschicksale»

Schweizer haben im grossen Stil illegal Kinder aus Sri Lanka adoptiert. Sarah Ineichen, die Präsidentin der Adoptierten-Organisation Back to the Roots, fordert im Interview, dass der Bund jetzt endlich handelt.
Publiziert: 27.02.2020 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2020 um 12:36 Uhr
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Sarah Ineichen (39) ist Präsidentin von Back to the Roots, der Interessenvertretung für Adoptierte aus Sri Lanka. Sie begrüsst, dass der Bund anfängt, Verantwortung zu übernehmen.
Foto: SRF
Rebecca Wyss

Sarah Ineichen ist als Ramani 1981 in Sri Lanka geboren, laut Geburtsurkunde am 23. Februar. Diese enthält aber so viele falsche Angaben, dass sie ihre leibliche Mutter bis heute nicht gefunden hat. Sicher ist nur, dass sie im Kanton Nidwalden aufgewachsen ist. Für sie als Betroffene sei es hart gewesen, den Bericht zu lesen. Die Präsidentin von Back to the Roots, der Interessengemeinschaft für Adoptierte aus Sri Lanka, sagt: «Weil einem noch einmal vor Augen geführt wird, wie fahrlässig mit uns umgegangen wurde.»

Frau Ineichen, was bedeutet der Bericht für die Adoptierten?
Sarah Ineichen:
Es ist eine Erleichterung, dass die Behörden beginnen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist auch eine Erleichterung, dass die Erfahrungen von uns Adoptierten nun belegt sind. Der Bericht zeigt: Es geht hier nicht um Einzelschicksale, sondern um ein System.

Was löst der Bericht bei Ihnen persönlich aus?
Wir Adoptierten hören ständig von den Leuten, dass wir doch dankbar sein sollen, weil wir aus dem Elend gerettet worden seien. Aus dem Bericht geht nun hervor, dass das Unsinn ist. Es ging vor allem um den Kinderwunsch der Adoptiveltern, nicht um unser Wohl. Das macht mich betroffen.

Was fordert Back to the Roots von den Behörden?
Jetzt steht der Bund in der Pflicht. Der Bundesrat muss das Unrecht anerkennen und sich entschuldigen. Wir fordern psychologische und finanzielle Unterstützung bei der Herkunftssuche. Zudem ist es wichtig, dass die Adoptionsprozesse systematisch in allen Kantonen untersucht werden, bislang konnten nur jene von drei Kantonen analysiert werden. Weiter muss die Schweiz unbedingt dafür sorgen, dass Frauen in Sri Lanka DNA-Tests machen können, um herauszufinden, ob ihre Kinder zur Adoption freigegeben wurden. Nur so haben wir Adoptierte eine Chance, unsere leiblichen Mütter zu finden.

Wie geht es den Adoptierten?
Viele Adoptierte kämpfen mit einem unglaublichen Loyalitätskonflikt. Einerseits wollen wir wissen, woher wir kommen und dass die illegalen Adoptionspraktiken ans Licht kommen. Andererseits wollen wir unsere Eltern nicht verletzen – und nicht undankbar erscheinen. Wenn wir auch noch unsere Adoptiveltern verlieren, haben wir gar keine Familie mehr.

Welche anderen Folgen beobachten Sie bei den Adoptierten?
Manchen geht es psychisch und physisch schlecht. Es ist auffallend, wie viele unter Autoimmunerkrankungen, Asthma oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden. Das kennen aber auch Adoptierte aus anderen Herkunftsländern.

Wie reagieren die Adoptiveltern auf die Enthüllungen?
Ich kann nicht für sie sprechen. Aber ich habe schon mit Adoptiveltern gesprochen, die sagten, sie hätten genauer hinschauen müssen. Andere weisen jegliche Verantwortung von sich.

Wie geht es den Müttern in Sri Lanka, die ihre Kinder suchen?
Alle Mütter, die ich getroffen habe, sagen mir das gleiche: Sie wollen nur noch einmal ihr Kind in den Arm nehmen, bevor sie sterben.


Hilfe für Betroffene: www.backtotheroots.net

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