Heute findet in Bern der EU-Gipfel statt. Bevor der Bundesrat am Freitag das weitere Vorgehen im Poker mit Brüssel festlegt, wollen Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP), Wirtschaftsminister Schneider-Ammann (66, FDP) und Bundespräsident Alain Berset (46, SP) noch einmal mit den Sozialpartnern die Spielräume ausloten.
Federführend bei den schwierigen Gesprächen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern ist Schneider-Ammanns Wirtschaftsdepartement (WBF). Ausgerechnet der wichtigste Mann des Wirtschaftsministers, Generalsekretär Stefan Brupbacher (51), wird seinem Chef nicht zur Seite stehen. Schneider-Ammanns Denker und Lenker ist abgetaucht. Und zwar buchstäblich: Er verbringt Tauchferien am Meer. Wie das Wirtschaftsdepartement bestätigt, nimmt Brupbacher seinen Resturlaub, bevor er Ende Jahr abtritt. Dies, «damit dem Bund keine Kosten entstehen», so das WBF.
General ist beim Tauchen
Just in der entscheidenden Phase des Rahmenabkommens tauscht derjenige, der es mit den Gewerkschaften völlig «verchachelt» hat, das Bundesberner Haifischbecken gegen das grosse Meeresaquarium. Erst «Mitte Dezember» werde Brupbacher ins Büro zurückkehren.
Für die Gespräche muss das nicht negativ sein. Denn mit ihrem Angriff auf die flankierenden Massnahmen haben Cassis und Schneider-Ammann den Rückhalt bei den Gewerkschaften verspielt. Während die Linke dem Aussenminister seit dessen Amtsübernahme nicht über den Weg traut, richten sich die Vorbehalte gegenüber dem WBF mehr gegen den Generalsekretär Brupbacher als gegen Bundesrat Schneider-Ammann selbst.
Nicht nur die Gewerkschaften, auch die Bauern hat «Bundesrat Brupbacher», wie der Chefbeamte aufgrund seiner Machtfülle selbst in der eigenen FDP genannt wird, gegen sich aufgebracht. Brupbacher warf der Spitze des Bauernverbands mangelndes Fachwissen und Unanständigkeit vor. Das wiederum bezeichnete Bauernpräsident Markus Ritter (51, CVP) als «befremdlich».
Jöbli als Dankeschön?
Und selbst die von Schneider-Ammann lancierte Waffenexport-Lockerung wird vor allem Brupbacher angelastet, seit dieser per Anfang 2019 zum Swissmem-Direktor berufen worden ist. Schliesslich sind im Verband der Schweizer Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie auch die Waffenproduzenten organisiert.
Für die Linke ist klar, dass sich die Waffenlobby beim WBF-General für die langjährige Unterstützung der Rüstungsbranche mit dem Direktoren-Job bedankt hat.
Wahrscheinlich ist jedoch, dass Brupbacher wusste, dass mit Schneider-Ammanns Abgang auch seine Tage im WBF gezählt sind. Denn selbst wenn dessen wahrscheinliche Nachfolgerin Karin Keller-Sutter (54), kurz KKS, das Wirtschaftsdepartement übernehmen sollte, wäre da für Brupbacher kein Platz mehr. Jemand wie KKS toleriert neben sich keinen zweiten Bundesrat.
Schattenbundesrat wird seinem Namen gerecht
Doch eben: All diese Bundesberner Entwicklungen verfolgt Brupbacher jetzt unter einem Sonnenschirm am Strand. Schon spotten die Ersten, dass noch nie einer von Brupbachers zahlreichen Übernamen so aktuell war wie jetzt: Schattenbundesrat.