Zum Auftakt der Herbstsession geht es im Nationalrat heute um die Schwächsten: Behinderte, Waisen, IV-Bezüger und deren Kinder sowie Rentner und Ehepartner, die nur die AHV zum Leben haben. Sie alle können Ergänzungsleistungen (EL) beziehen. Geld, um ihnen ein Leben auf dem Existenzminimum zu garantieren.
Weil die EL-Ausgaben in den letzten Jahren gestiegen sind, soll das System nun reformiert werden. Die Stossrichtung der Reform hat die bürgerliche Mehrheit der vorberatenden Kommission vorgegeben: Der Kostenanstieg bei der EL soll gestoppt werden.
Sparübung oder notwendiger Ausgabenstopp?
FDP-Fraktionschef Beat Walti (49) kündigt an: «Die FDP wird im Rat dafür einstehen, dass das starke Ausgabenwachstum gebremst wird», so der Zürcher. «Denn anders, als die Linken behaupten, werden die Ergänzungsleistungen nicht abgebaut, im Gegenteil: Ziel der Übung ist, dass deren Zuwachs in vertretbaren Grenzen gehalten wird.»
Doch genau diese Grenzen bringen die Betroffenen selbst zum Verzweifeln: Sie pochen wie Ständerat und Bundesrat auf die Erhöhung der Mietzinsmaxima und wehren sich gegen die Kürzung von Kinderrenten.
An vorderster Front opponiert Inclusion Handicap, der Dachverband der Behindertenorganisationen, gegen die Pläne. «Die Politiker schiessen sich ins eigene Bein. Sie sparen zwar mit dieser Reform viel Geld», sagt Sprecher Marc Moser. «Aber auf lange Sicht wird es mit einzelnen Punkten lohnender, Ergänzungsleistungen zu beziehen als zu arbeiten. Und im Extremfall sorgt man sogar dafür, dass die Zahl der Bezüger steigt.»
Ehepartner würden für Nichtarbeit belohnt
Denn mit der Sparvorlage würden Ehepartner von EL-Bezügern «bestraft, wenn sie arbeiten wollen», sagt Moser. Und zwar deshalb: Bei verheirateten Personen werden bei der Berechnung, ob und wie viel EL jemand bekommt, die Ausgaben und Einnahmen beider Partner berücksichtigt.
Heute fliesst das Einkommen des Ehegatten, der nicht selber eine Rente bezieht, zu zwei Dritteln ein. Der Ständerat beschloss eine 80-prozentige Anrechnung. Die vorberatende Kommission des Nationalrats aber schlägt wie der Bundesrat vor, dass das Einkommen von arbeitenden Ehegatten zu 100 Prozent angerechnet werden soll.
Weniger Geld, wenn man arbeitet
«Das ist kontraproduktiv», kritisiert Moser. «Für den Ehepartner ergibt sich daraus ein negativer Anreiz zu arbeiten. Das Paar oder die Familie hätte unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung, wenn der Ehepartner arbeitet, als wenn er das nicht tut», sagt er. Der Grund: Einkommen müssen versteuert werden, Ergänzungsleistungen aber nicht. «Somit torpediert die Kommissionsmehrheit mit diesem Vorschlag ihre eigenen Sparbemühungen», so Moser.
Beispiel: Bei Familie Müller arbeitet der Mann 100 Prozent, seine 50-jährige Frau 40 Prozent. Sie haben drei Kinder im Alter von 11, 13 und 15 Jahren. Wegen einer Krebserkrankung verliert Herr Müller seine Arbeit, später erhält er eine IV-Rente und EL. Frau Müller pflegt ihren Mann zu Hause, zusätzlich zu externer Unterstützung.
Mit der Reform wird jeder Franken, den Frau Müller verdient, ihrem Mann bei der EL abgezogen. Auf den Lohn muss sie Steuern zahlen. «Gibt sie deswegen den Job auf, wird sie nach einigen Jahren grosse Mühe haben, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Ihr Risiko, später selber EL zu beziehen, steigt deutlich an», warnt Moser.
Auch Pensionskasse soll voll angerechnet werden
Daneben kritisiert Inclusion Handicap einen weiteren Punkt der Vorlage. Nach Ansicht der Organisation werden künftig Leute bestraft, die sich ihre Pensionskasse haben auszahlen lassen. Denn die Kommission empfiehlt, in solchen Fällen die Ergänzungsleistungen um zehn Prozent zu kürzen.
«Dabei wird völlig ausgeblendet, wie hoch das bezogene Pensionskassenguthaben war oder wie sparsam die Person mit dem Geld umgegangen ist», so Moser. So würden einer 82-jährigen Frau die EL gekürzt, obwohl sie 45 Jahre Beiträge bezahlt und monatlich lediglich 500 Franken Pensionskassenguthaben verbraucht hat. «Dies ist ein absurder Vorschlag!», enerviert sich Moser.
Sie sind der grosse Zankapfel bei der Reform der Ergänzungsleistungen (EL): die Mitzinsmaxima. Für EL-Bezüger, deren Bruttomiete höher ist als die anrechenbaren Maximalbeiträge von 1100 Franken für Alleinstehende und 1250 Franken für Ehepaare, funktioniert die Existenzsicherung durch die EL nicht. «Sie müssen sich ihre Miete vom Mund absparen», so Inclusion-Handicap-Sprecher Marc Moser. «EL-Beziehende werden damit in die Armut getrieben.»
Der Ständerat will deshalb die anrechenbaren Maximalbeträge erhöhen, die Sozialkommission des Nationalrats (SGK) ist nur für minimale Erhöhungen – die nicht ausreichen: Vom Vorschlag des Nationalrats würden rund 11'000 Haushalte profitieren, rechnet die Altersorganisation Pro Senectute vor. «Bei rund 31'000 Haushalten wären die Mieten nach wie vor höher als die gesetzlichen Mietzinsmaxima.»
Zudem sollen die Kantone noch weiter kürzen dürfen. «So würden die Maxima in den Städten mit 1080 Franken für Alleinstehende sogar tiefer zu liegen kommen als vor der Revision», warnt Pro Senectute.
Sie sind der grosse Zankapfel bei der Reform der Ergänzungsleistungen (EL): die Mitzinsmaxima. Für EL-Bezüger, deren Bruttomiete höher ist als die anrechenbaren Maximalbeiträge von 1100 Franken für Alleinstehende und 1250 Franken für Ehepaare, funktioniert die Existenzsicherung durch die EL nicht. «Sie müssen sich ihre Miete vom Mund absparen», so Inclusion-Handicap-Sprecher Marc Moser. «EL-Beziehende werden damit in die Armut getrieben.»
Der Ständerat will deshalb die anrechenbaren Maximalbeträge erhöhen, die Sozialkommission des Nationalrats (SGK) ist nur für minimale Erhöhungen – die nicht ausreichen: Vom Vorschlag des Nationalrats würden rund 11'000 Haushalte profitieren, rechnet die Altersorganisation Pro Senectute vor. «Bei rund 31'000 Haushalten wären die Mieten nach wie vor höher als die gesetzlichen Mietzinsmaxima.»
Zudem sollen die Kantone noch weiter kürzen dürfen. «So würden die Maxima in den Städten mit 1080 Franken für Alleinstehende sogar tiefer zu liegen kommen als vor der Revision», warnt Pro Senectute.