Rechsteiner attackiert Cassis
«Beim Lohnschutz gibt es keinen Spielraum»

Das Rahmenabkommen mit der EU steht auf der Kippe. Nun soll Wirtschaftsminister Schneider-Ammann mit den Sozialpartnern sondieren. Die Gewerkschaften winken ab.
Publiziert: 09.07.2018 um 17:09 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:09 Uhr
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Paul Rechsteiner im Interview mit SonntagsBlick. Der Präsident des Gewerkschaftsbundes lässt kein gutes Haar an den beiden freisinnigen Bundesräten.
Foto: Sabine Wunderlin
Interview: Simon Marti und Marcel Odermatt

Am Mittwoch erteilte der Bundesrat Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP) eine Abfuhr. Die Landesregierung hält an den viel beschworenen roten Linien in den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU fest, die flankierenden Massnahmen zum Schutz der hiesigen Löhne seien nicht verhandelbar.

Oder doch nicht ganz? In den kommenden Wochen soll Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66, FDP) mit den Sozialpartnern Gespräche führen. Brüssel erwartet ein Entgegenkommen. Man stört sich namentlich an der Anmeldefrist europäischer Firmen in der Schweiz, der sogenannten Acht-Tage-Regel.

Im Gespräch mit SonntagsBlick erteilt Paul Rechsteiner (65, SG), SP-Ständerat und Präsident des Gewerkschaftsbundes, Brüssel, Cassis und Schneider-Ammann eine klare Absage.

Herr Rechsteiner, der Ball liegt bei Ihnen: Ohne Konzessionen bei den flankierenden Massnahmen gibt es kein Rahmenabkommen. Lenken Sie ein?
Paul Rechsteiner: Der Schutz der Schweizer Löhne ist nicht verhandelbar. Die flankierenden Massnahmen sind die Voraussetzung, dass die Gewerkschaften und letztlich die Bevölkerung die Bilateralen mittragen.

Bundesrat Johann Schneider-Ammann will sondieren, ob es nicht doch Möglichkeiten für eine einvernehmliche Lösung gibt. Verweigern Sie ihm das Gespräch?
Man kann nur staunen. Die beiden freisinnigen Bundesräte Cassis und Schneider-Ammann liefen in der Landesregierung auf. Der Bundesrat hat die roten Linien bestätigt, über den Lohnschutz wird mit der EU nicht verhandelt. Und nun kommt Schneider-Ammann daher und stellt die Acht-Tage-Regel wieder in Frage. Seine Glaubwürdigkeit bei den Lohnabhängigen ist im Keller. Noch mehr als bei den Bauern. Aber wir sind gerne bereit, ihm den notwenigen Nachhilfeunterricht zu erteilen.

Konzessionen sind von Ihrer Seite also ausgeschlossen?
Nochmals: Beim Lohnschutz gibt es keinen Spielraum für Verschlechterungen. Und kein vernünftiger Mensch geht nach Brüssel, um mit den neoliberalen Hardlinern der EU-Kommission über den Lohnschutz zu diskutieren.

Auch nicht, wenn es technische Verbesserungen gäbe, wenn etwa die Anmeldung ausländischer Firmen elektronisch und damit schneller erfolgen könnte?
Die freisinnigen Bundesräte erzählen Unsinn. Die Anmeldungen erfolgen ja bereits heute online.

In Österreich war es möglich, die Voranmeldung auf einen Tag zu senken. Ohne Konsequenzen.
Das stimmt doch nicht. Gerade in Österreich passieren massenhaft Fälle von Lohndumping. Dagegen ist der Schweizer Lohnschutz hochwirksam. Auch dank der Voranmeldefrist. Grossbritannien sollte eine Lehre sein. Die Öffnung ohne wirksame Schutzmassnahmen führte das Land in den Brexit.

Damit wären es die Gewerkschaften, die das Rahmenabkommen beerdigen. Brüssel erwartet ein Entgegenkommen. Das liess der Schweizer Unterhändler Roberto Balzaretti diese Woche vor den Medien eindeutig durchblicken.
Staatssekretär Balzaretti wird von unseren Steuergeldern bezahlt. Er sollte endlich die Position der Schweiz vertreten, statt den Lohnschutz schlechtzureden. Am Ende muss ein Rahmenabkommen vom Stimmvolk getragen werden. Ohne Lohnschutz ist dies aussichtslos. Das war schon so beim EWR-Nein 1992.

Es gibt aber auch in der SP Stimmen, die von den Gewerkschaften Flexibilität einfordern.
Die Linke ist dann erfolgreich, wenn sie die sozialen Errungenschaften verteidigt. Zusammen mit den Gewerkschaften. Als wir die flankierenden Massnahmen einführten, war die EU noch eine andere. Mit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten sind unsere Kontrollmassnahmen noch viel wichtiger geworden. Denn das Lohngefälle ist viel grösser.

Würden Sie gegen das Rahmenabkommen ein Referendum ergreifen?
Wir verteidigen den Lohnschutz. Zur Not mit einem Referendum. Ein Rahmenvertrag ist an der Urne nur zu vertreten, wenn die Argumente für die Bevölkerung gut sind. Der Lohnschutz ist dabei zentral.

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