Vergangenen Donnerstag, als die Krise um die Postauto AG bereits fette Schlagzeilen produzierte, stieg die angeschossene Postchefin Susanne Ruoff (60) in den Zug, um in den Westen des Landes zu gelangen. Manch einer in ihrer Lage hätte sich im Büro verbarrikadiert, um jedem Kontakt mit der Bevölkerung aus dem Weg zu gehen.
Nun ist diese Frau nicht naiv. Sie weiss: Seit ihr Präsident Urs Schwaller (65) das Dossier Postauto AG zur Chefsache erklärt hat, bläst ihr eine kalte Bise ins Gesicht. Aber deswegen ihren geplanten Tagesablauf auf den Kopf zu stellen, entspricht offensichtlich nicht ihrem Charakter. «Gradlinig und auf ihren Job fixiert ist sie auch jetzt», sagt einer, der in diesen Tagen in engem Kontakt mit der Postchefin steht. «Sie ist eine Kämpferin mit einer dicken Haut.»
Erste Frau im Chefsessel
Seit Susanne Ruoff 2012 als erste Frau überhaupt auf dem Chefsessel der Post Platz genommen hat, hat sie solche Eigenschaften wohl täglich ausspielen müssen. «Die neue Chefin des ‹Macho-Clubs›», titelte zur Ernennung die «Berner Zeitung», der Verwaltungsrat nannte sie «eine Perle».
Susanne Ruoff hat also gewusst, wo sie gelandet war: in einem Staatsbetrieb, der in seinem Kerngeschäft zu einem guten Teil noch physisch Briefe oder Pakete beförderte, Briefmarken verkaufte und in der Teppichetage von allerlei altgedienten Post-Kämpen bevölkert war. In diesem Biotop hatte Susanne Ruoff eine grosse Aufgabe gefasst: den Acht-Milliarden-Konzern Post mit knapp 45'000 Mitarbeitern in die digitale Zukunft zu führen.
Pragmatisch, Schritt für Schritt, technologieorientiert
Die ehemalige IBM- und British-Telecom-Managerin setzte dieses Ansinnen um, wie es ihre Art ist: pragmatisch, Schritt für Schritt und technologieorientiert. Und so schälte die Chefin aus der alten, analogen Post eine neue, digitale Post heraus, die nun in Umrissen sichtbar wird. Es gibt ein digitales Postportal oder Pick@home-Dienstleistungen, ein E-Post Office, SMS-Briefmarken, eine Postfinance-App oder eine Twint-App für digitales Bezahlen.
Auf der anderen Seite ging die Anzahl adressierter Briefe seit 2013 um über 200'000 auf etwas über zwei Millionen zurück. Und im Juni 2017 berichtete der BLICK: «Post streicht mehr als jede dritte Filiale, in den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern soll fast jede zweite Poststelle verschwinden.» Dabei geht fast unter, dass Susanne Ruoff verspricht: «Die Post wird die Anzahl ihrer Zugangsmöglichkeiten von 3800 Ende 2016 bis ins Jahr 2020 auf mindestens 4000 erweitern. Sie setzt dabei verstärkt auf Postagenturen mit ihren langen Öffnungszeiten.»
Digitaler Umbau bringt Feinde
Mit diesen Plänen schaffte sich die Chefin viele Feinde. Kunden, die ihrem Ärger in sozialen Medien Luft machen. Gewerkschafter, die den mit dem digitalen Umbau verbundenen Personalabbau geisseln. Konsumentenschützer, die abnehmende Servicequalität befürchten. Politiker, die sich draussen in den Gemeinden vor ihren Wählern als Poststellenschützer profilieren wollen. Für manche von ihnen ist eine durch den Postauto-Bschiss angezählte Postchefin eine willkommene Zielscheibe. «Da sind viele Retourkutschen in Bewegung», weiss ein Insider.
So steht Susanne Ruoff derzeit ziemlich allein. In der Politik ist sie nicht stark vernetzt, über eine persönliche Lobby verfügt sie kaum. Und möglicherweise macht sie sich nun im Stillen Vorwürfe, dass sie bei der Postauto AG nicht genauer hingeschaut hat – obwohl dort mit dem Bundesamt für Verkehr, externen Revisoren, einem CEO und einem CFO sich die Aufseher eigentlich auf den Füssen herumstehen.
Wer die Postchefin nun abschreibt, könnte sich täuschen. Die Enkelin von Bergbauern weiss die Ärmel hochzukrempeln. «Susanne Ruoff tritt von sich aus nicht zurück», heisst es jedenfalls aus ihrem Umfeld.