Postauto-Bschiss: Leuthard und Bucher wussten seit 2011 von Gewinnen
Leuthard und Bucher informiert - aber sie taten nichts

Neue Dokumente zeigen, dass die Chefs der Post, aber auch des zuständigen Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek) informiert waren über die Gewinnproblematik. Auch die damalige Uvek-Chefin Doris Leuthard (56).
Publiziert: 08.11.2019 um 22:37 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2019 um 10:12 Uhr
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Hier freuten sich Alex Wilson, Marc Schneeberber, Pascal Mancini und Reto Amaru Schenkel (v. l.) noch über ihren Schweizer Rekord.
Foto: Blicksport Sven Thomann
Pascal Tischhauser

Der Jubel war riesig: Am 8. September 2011 stellten Pascal Mancini (30), Reto Amaru Schenkel (31), Alex Wilson (29) und Marc Schneeberger (38) einen Schweizer Rekord auf. Am Diamond League-Meeting «Weltklasse Zürich» liefen sie die 4x100-m-Staffel in 38,62 Sekunden.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit geschah an diesem Donnerstag noch Denkwürdigeres: Im Bundeshaus trafen sich die Post-Chefs mit der Spitze des Umwelt- und Verkehrsdepartements (Uvek) zu zwei Sitzungen.

Mit dabei waren der damalige Post-Präsident Peter Hasler (72), Konzernleiter Jürg Bucher (72), Postauto-Chef Daniel Landolf (59) und weitere Pöstler. An der einen Sitzung nahm die frühere Uvek-Chefin Doris Leuthard (56) teil, an der anderen ihr damaliger stellvertretender Generalsekretär Lukas Bruhin (51). Auch der einstige Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung und heutige Nationalbank-Vizepräsident Fritz Zurbrügg (59) war mit von der Partie.

Verbotene Gewinne aufgezeigt

In der einen Sitzung zeigte Postauto-Chef Landolf den Anwesenden eine Präsentation, die er genau zwölf Wochen zuvor schon Konzernleiter Bucher vorgeführt hatte – mit einem Unterschied: In der Präsentation vom 16. Juni findet sich auf Seite 14 eine Grafik, laut der Postauto in Graubünden und im Wallis etwa 9 Prozent Gewinnmarge erzielte. In den meisten anderen Postauto-Regionen lag der Gewinn zwischen 4 und 6 Prozent.

Wohlgemerkt: Die Gewinne sprudelten grossmehrheitlich im regionalen Personenverkehr. Dort dürfen aber keine Gewinne anfallen, weil die Leistungen subventioniert, also vom Staat unterstützt, sind.

Auf Seite 14 der Präsentation vom 16. Juni 2011 zeigt auf, wie hoch die Gewinne in den einzelnen Kantonen bei Postauto waren. Doch eigentlich müssten diese bei null liegen.

Dass Gewinne anfallen, ging auch aus Landolfs Ausführungen im September hervor. Schliesslich zeigte er nicht grundlos «Handlungsbedarf» und «Lösungsmöglichkeiten» auf. Denn es gab sowohl mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) wie auch mit den Kantonen Meinungsverschiedenheiten wegen der Offerten für die Postauto-Kurse 2012.

Keiner hat die Praxis gestoppt

Die BLICK vorliegenden Präsentationen machen deutlich: Nicht nur die damalige Post-Spitze, sondern auch die Departementsführung war 2011 über die unzulässige Gewinnpraxis bei Postauto informiert worden. Zahlreiche Personen hätten in der Pflicht gestanden, diese zu stoppen.

BLICK hat, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, versucht, vom Uvek das Protokoll der entscheidenden Sitzung vom 8. September 2011 zu erhalten. Doch dieses ist inzwischen Teil des Verwaltungsstrafverfahrens zum Postauto-Skandal (siehe Box) – und wird darum nicht herausgegeben. Das zeigt, wie brisant das Meeting war. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) äussert sich dazu nur generell: Eine Ausweitung des Verfahrens sei möglich.

«In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen», behauptete die Nachfolgerin Buchers als Post-Chefin, Susanne Ruoff (61), am 6. Februar 2018. Doch schon zwei Tage später deckte BLICK auf, dass Ruoff bereits seit Jahren Bescheid wissen musste. Und jetzt zeigt sich: Schon zu Zeiten ihres Vorgängers hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Auch bei Departementschefin Leuthard.

Sie schreibt auf die Frage, ob sie nicht auf die Gewinnpraxis hätte aufmerksam werden müssen, ausweichend: «In der Phase der Offertstellung gab es immer wieder Differenzen zwischen Postauto, den Kantonen und dem BAV.»

Und eine Nationalbank-Sprecherin lässt im Namen Zurbrüggs wissen, dass er keine Stellung nehmen könne, da er damals bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung gewesen sei. Die Finanzverwaltung wiederum schreibt, man könne nicht in Zurbrüggs Namen antworten, weil dieser nicht mehr dort tätig ist.

Am Postrapport traktandiert

Deutlich wird der heutige Präsident der Valiant-Bank, Jürg Bucher: «Es trifft zu, dass ich durch die Leitung Postauto über die Kontakte von Postauto mit dem BAV sowie über Forderungen verschiedener Kantone im Rahmen der Offertverhandlungen informiert worden war.» Er habe deshalb die Initiative ergriffen und das Thema im Postrapport unter der Leitung der Departementschefin vom 8. September 2011 traktandieren lassen.

Bucher betont: «Innerhalb meiner Amtszeit bis Ende August 2012 haben weder das Uvek noch das BAV gegenüber dem Post-Konzern Änderungen verlangt.» Bucher unterstreicht aber auch, er sei über die illegale Verbuchungspraxis nicht informiert gewesen.

Die Unterlassungssünde

Der Schweizer Rekord vom 8. September 2011 hatte nicht lange Bestand. Weil es einer der vier Sportler unterlassen hatte, die Einnahme eines Medikaments beim Meeting zu melden, wurde der Rekord gestrichen. Die Unterlassungen beim Bund in Sachen Postauto-Bschiss hatten weitreichendere Folgen: Weil niemand die Notbremse zog, summierten sich die illegalen Umbuchungen zum grössten Subventionsskandal der Schweizer Geschichte.

Das Verfahren im Postauto-Bschiss läuft

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) eröffnete Ende 2018 ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den ehemaligen Postauto-Chef Daniel Landolf (59) und seinen früheren Finanzchef wegen Verdacht auf Leistungsbetrug. Im März 2019 eröffnete das Fedpol zudem ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den ehemaligen Finanzchef der Post, Pascal Koradi (46). Auch dieses wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug. Und Ende August nahm das Fedpol zudem ein Verwaltungsstrafverfahren gegen drei ehemalige Geschäftsleitungsmitglieder von Postauto auf. Es handelt sich um den ehemaligen Teilmarktleiter Ost, den ehemaligen Teilmarktleiter West und den ehemaligen Chef Markt Schweiz bei der Post-Tochter.

Das Fedpol äussert sich nicht dazu, wann mit dem Abschluss des Verfahrens zu rechnen sein könnte. Es deutet sogar an, dass das Verwaltungsstrafverfahren noch auf weitere Personen ausgeweitet werden könnte.

Der gelbe Riese hat inzwischen wegen des Postauto-Skandals über 200 Millionen Franken an die Kantone zurückgezahlt. (pt)

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) eröffnete Ende 2018 ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den ehemaligen Postauto-Chef Daniel Landolf (59) und seinen früheren Finanzchef wegen Verdacht auf Leistungsbetrug. Im März 2019 eröffnete das Fedpol zudem ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den ehemaligen Finanzchef der Post, Pascal Koradi (46). Auch dieses wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug. Und Ende August nahm das Fedpol zudem ein Verwaltungsstrafverfahren gegen drei ehemalige Geschäftsleitungsmitglieder von Postauto auf. Es handelt sich um den ehemaligen Teilmarktleiter Ost, den ehemaligen Teilmarktleiter West und den ehemaligen Chef Markt Schweiz bei der Post-Tochter.

Das Fedpol äussert sich nicht dazu, wann mit dem Abschluss des Verfahrens zu rechnen sein könnte. Es deutet sogar an, dass das Verwaltungsstrafverfahren noch auf weitere Personen ausgeweitet werden könnte.

Der gelbe Riese hat inzwischen wegen des Postauto-Skandals über 200 Millionen Franken an die Kantone zurückgezahlt. (pt)

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