Monatelang hat Pierre Maudet (40) geschwiegen zu seiner Gratis-Reise nach Abu Dhabi und dem Lügennetz, das er darum gesponnen hat. Nun will er sein Schweigen brechen. Der Genfer Staatsrat empfängt BLICK in seinem Büro in der Altstadt der Rhonestadt – so beschwingt, als habe es diese Affäre nie gegeben. Dass ihn die Krise gleichwohl beschäftigt, zeigt sich erst im Gespräch.
Pierre Maudet, monatelang haben Sie geschwiegen – nun geben Sie endlich Auskunft zur Abu-Dhabi-Affäre. Warum erst jetzt?
Pierre Maudet: Weil ich es jetzt kann, ohne die Justiz in ihrer Arbeit zu behindern. Die Staatsanwaltschaft hat die Anhörungen der involvierten Personen beendet. Das gibt mir nun die Möglichkeit, meine Sicht der Dinge öffentlich zu schildern.
Und alles auf den Tisch zu legen?
Soweit das möglich ist, ja. Ich möchte Rechenschaft ablegen, Transparenz schaffen und meine Motive erklären.
Beginnen wir mit dem Ursprung der Affäre: Warum haben Sie sich 2015 nach Abu Dhabi einladen lassen?
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind für die Schweiz von grosser Bedeutung. Genf pflegt seit den 1950er-Jahren enge Beziehungen zur Herrscherfamilie. Doch vor einigen Jahren blieb diese wichtige Klientel plötzlich weg – sie fühlte sich nicht mehr sicher. Es war meine Aufgabe als Justiz- und Wirtschaftsminister, die Verbindung wieder zu stärken. Im Mai 2015 reiste ich daher offiziell nach Dubai und traf auf einem Abstecher nach Abu Dhabi Scheich Mohammed bin Zayed al-Nahyan. Er erzählte mir vom wichtigsten Event der Region: dem Grand Prix von Abu Dhabi im November.
Ein Formel-1-Rennen, an das Sie dann inklusive Familie reisten.
Der Grand Prix ist viel mehr als das. Man kann ihn mit dem Filmfestival Locarno vergleichen – ein Stelldichein der wichtigsten Persönlichkeiten. Es ist wertvoll, dort zu sein. Doch es gibt ein Problem: Es ist eine Mischung aus offiziellem und privatem Anlass. Ich habe daher beschlossen, privat zu reisen. Wie hätte ich gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen sollen, dass ich auf seine Kosten an ein Formel-1-Rennen fliege?
Deswegen muss man sich ja nicht vom Scheich einladen lassen.
Damals ging ich davon aus, dass ich die Reise selbst bezahlen würde – ein Irrtum, wie sich herausstellte. Man fliegt mit der staatlichen Airline, übernachtet im staatlichen Hotel. Wer an den Grand Prix eingeladen ist, kann gar nichts selbst bezahlen. So ist die orientalische Tradition.
Am 20. September 2017 unterlag er gegen Ignazio Cassis (57) bei der Bundesratswahl und verliess das Bundeshaus trotzdem nicht als Verlierer: Pierre Maudet (40, FDP) war als Aussenseiter in den Wahlkampf gestartet und verzauberte mit seinem jugendlichen Charme links und rechts.
Ein Jahr später sieht die Welt für den Genfer Staatsrat völlig anders aus. Mitte Mai wurde publik, dass Maudet im November 2015 samt Familie und weiteren Personen nach Abu Dhabi ans Formel-1-Rennen gereist war. Business-Flug, Luxushotel und Treffen mit der Herrscherfamilie inklusive.
Maudet erklärte die Reise für privat, bezahlte sie aber nicht selbst. In Wirklichkeit liess er sich von den Scheichs einladen. Doch anstatt das zuzugeben, schob Maudet einen Freund vor: Said Bustany, ein Geschäftsmann mit libanesischen Wurzeln, habe die Reise bezahlt.
Die Genfer Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen Vorteilsnahme im Amt. Zunächst lief das Verfahren gegen Unbekannt, seit September ging es gegen Maudet persönlich. Dazu hat das Kantonsparlament seine Immunität aufgehoben.
Gleichzeitig beschloss die Genfer Regierung, dass Maudet Wirtschafts- und Sicherheitsdirektor im Amt bleibt, aber teilentmachtet wird. Zentrale Dossiers wurden ihm entzogen.
Seither sind weitere Ungereimtheiten ans Licht gekommen: So hat sich Maudet eine grosse Party zu seinem 40. Geburtstag schenken lassen. Und ein Gönnerkreis hat für ihn Abgaben, die er als Mandatsträger an seine Partei abgeben muss, gezahlt.
Für die FDP ist damit das Fass überlaufen: Sowohl der Vorstand der FDP Schweiz als auch die Spitze seiner Kantonalpartei fordern Maudet zum Rücktritt auf. Am 15. Januar wird die Genfer FDP eine Delegiertenversammlung abhalten, an der über Maudets Zukunft befunden werden soll. (sf)
Am 20. September 2017 unterlag er gegen Ignazio Cassis (57) bei der Bundesratswahl und verliess das Bundeshaus trotzdem nicht als Verlierer: Pierre Maudet (40, FDP) war als Aussenseiter in den Wahlkampf gestartet und verzauberte mit seinem jugendlichen Charme links und rechts.
Ein Jahr später sieht die Welt für den Genfer Staatsrat völlig anders aus. Mitte Mai wurde publik, dass Maudet im November 2015 samt Familie und weiteren Personen nach Abu Dhabi ans Formel-1-Rennen gereist war. Business-Flug, Luxushotel und Treffen mit der Herrscherfamilie inklusive.
Maudet erklärte die Reise für privat, bezahlte sie aber nicht selbst. In Wirklichkeit liess er sich von den Scheichs einladen. Doch anstatt das zuzugeben, schob Maudet einen Freund vor: Said Bustany, ein Geschäftsmann mit libanesischen Wurzeln, habe die Reise bezahlt.
Die Genfer Staatsanwaltschaft ermittelt daher wegen Vorteilsnahme im Amt. Zunächst lief das Verfahren gegen Unbekannt, seit September ging es gegen Maudet persönlich. Dazu hat das Kantonsparlament seine Immunität aufgehoben.
Gleichzeitig beschloss die Genfer Regierung, dass Maudet Wirtschafts- und Sicherheitsdirektor im Amt bleibt, aber teilentmachtet wird. Zentrale Dossiers wurden ihm entzogen.
Seither sind weitere Ungereimtheiten ans Licht gekommen: So hat sich Maudet eine grosse Party zu seinem 40. Geburtstag schenken lassen. Und ein Gönnerkreis hat für ihn Abgaben, die er als Mandatsträger an seine Partei abgeben muss, gezahlt.
Für die FDP ist damit das Fass überlaufen: Sowohl der Vorstand der FDP Schweiz als auch die Spitze seiner Kantonalpartei fordern Maudet zum Rücktritt auf. Am 15. Januar wird die Genfer FDP eine Delegiertenversammlung abhalten, an der über Maudets Zukunft befunden werden soll. (sf)
Bei uns ist es üblich, selbst zu zahlen. Haben Sie das versucht?
Auf eine Rechnung zu bestehen, wäre als Beleidigung angesehen worden. Undenkbar! Hier habe ich den ersten Fehler gemacht: Unter diesem Vorzeichen hätte ich auf die Reise verzichten sollen. Doch eine Absage hätte meine Bemühungen, die Beziehungen zu den Emiraten zu verbessern, gefährdet. Was also tun? Ich habe überlegt, zumindest ohne Familie dorthin zu reisen. Doch auch das ist heikel: Es wäre von den Scheichs als Zeichen des Misstrauens angesehen worden, als würde ich ihnen nicht zutrauen, die Sicherheit meiner Familie zu gewährleisten. Also reisten wir wie geplant hin.
Dennoch: Business-Flug mit der Familie, Luxushotel – das alles soll rund 50'000 Franken gekostet haben. Sind Sie derart abgehoben, dass Sie das normal finden?
Ganz wohl war auch mir nicht. Aber ich habe nichts Schlechtes getan. Ich hatte zu keinem Moment das Gefühl, mich zu bereichern. Ich war und bin überzeugt, zum Wohl des Kantons Genf gehandelt zu haben.
Was genau haben Sie auf dieser Reise getan?
Ich habe Scheich Mohammed getroffen – völlig unvorbereitet – und die Einsatzzentrale für die Video-Überwachung besucht. Schauen Sie: Ich war einer unter Hunderten von Gästen. Es herrscht eine lockere Stimmung; am Grand Prix in Abu Dhabi trifft man die Minister auf der Strasse.
Haben Sie nie überlegt, Sie könnten eines Tages unter Druck geraten, weil Gegenleistungen für die Reise verlangt werden könnten?Nein. Ich hatte nie den Eindruck, dass ich Abu Dhabi etwas schulde. Und so sehr ich es auch versuche: Ich kann mir nichts vorstellen, was sie von mir bekommen könnten. Klar, sie haben wirtschaftliche Interessen in der Schweiz. Aber als Regierungsrat bin ich gar nicht in der Position, da etwas auszurichten. Und selbst wenn: Ginge es im Staatsrat um Anliegen der Emirate, würde ich in den Ausstand treten.
Dann stellt sich die Frage: Warum haben Sie das nicht genau so gesagt, als die Reise Thema in den Medien wurde? Warum haben Sie gelogen?
Weil meine Familie involviert war. Als im Mai 2016 ein Journalist nach dieser Reise fragte, sagte ich instinktiv: Das war privat, das geht Sie nichts an. (zögert lange) Bis Ende 2017 fragten die Journalisten nicht mehr nach; die Reise war vergessen. Im Rückblick muss ich zugeben: Damals hat die Lüge begonnen. Ich wollte meine Familie schützen – und habe dabei einen spontanen und dummen Fehler gemacht.
Ein dummer Fehler? Sie haben ein Konstrukt entworfen, wonach ein libanesischer Geschäftsmann für die Kosten aufgekommen ist. Warum?
Ich hatte die Reise nicht selbst bezahlt und konnte auch nicht so tun, als ob. Da stellte sich die Frage: Gebe ich zu, dass ich von Abu Dhabi eingeladen worden war? Oder von einem Freund? Ich habe es vorgezogen, einen Freund anzugeben.
Warum?
Es war mir peinlich zu sagen, dass ich mich von einem fremden Staat habe einladen lassen. Hat meine Lüge die Staatsinteressen beschädigt? Meine Gegner versuchen, das zu beweisen. Aber ich wüsste nicht wie und weshalb. Ich wollte auf ungeschickte Weise meine Familie raushalten. Aus meiner Sicht lag meine Reise einzig und allein im Interesse des Kantons Genf. Leider wurde das nicht verstanden. Ein ideales Wochenende ist für mich ein Wochenende mit meiner Familie auf dem Land, sicher nicht Abu Dhabi.
Sie hätten doch zugeben können: Ja, ich habe mich einladen lassen, und das war unsensibel. Die Sache wäre nach einer Woche erledigt gewesen.
Vielleicht. Aber dann wäre die Frage gekommen, warum ich mir meine Ferien von einem fremden Staat bezahlen lasse. Es hätte eine grosse Diskussion gegeben – wenn auch nicht so gross wie jetzt. Aber hinterher ist man immer schlauer. Ich habe zwei Fehler gemacht: Ich hätte die Reise absagen und ich hätte sofort reinen Tisch machen sollen, anstatt eine Lüge zu erfinden.
Nun stehen Sie mit dem Rücken zur Wand. Wie kann ein begabter Politiker wie Sie seine Karriere auf diese Weise zerstören?
Das habe ich in den letzten Wochen stark reflektiert und bin zu folgendem Schluss gekommen: Die Macht hat mich einsam gemacht. Denn ich bin ein Politiker, der um jeden Preis etwas bewegen will. Entsprechend ecke ich an, provoziere starke Reaktionen. Mit der Zeit habe ich mir einen Panzer zugelegt, habe alles daran gesetzt, mich zu schützen.
Das heisst?
Ich will mein Verhalten nicht entschuldigen oder mich aus der Verantwortung stehlen. Aber meine Wahrnehmung ist: Ich habe alles gegeben, wollte vielleicht zu viel. Die Affäre kam kurz nach meiner Bundesratskampagne und während der Genfer Regierungsratswahlen auf. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich scharf attackiert und hatte gleichzeitig ein Siegerimage, das ich unbedingt bestätigen wollte. Das ist die Kehrseite des Erfolgs: Ich begann, mich unangreifbar zu fühlen, dachte, nichts könne mich aufhalten. Ich steckte in diesem Panzer, der mich daran hinderte, nach links und rechts zu schauen. Ich habe Hindernisse aus dem Weg geräumt, statt sie zu überwinden.
Die Menschen verzeihen einem Politiker Fehler, aber keine Lügen. Denn sie fragen sich: Können wir diesem Mann noch vertrauen?
Viele Leute sagen mir: Du wirst gestärkt aus dieser Bewährungsprobe hervorgehen. Ich bin da nicht sicher. Ich bin nicht einmal sicher, dass ich überhaupt daraus hervorgehen werde. Wenn, dann nicht stärker. Aber menschlicher, geläutert.
Wie hat die Affäre Sie verändert?
Ich stehe erst am Anfang – und kenne den Ausgang der Geschichte noch nicht. Die vergangenen Wochen waren schwierig. Es gibt kaum eine Lüge, die ich über mich nicht lesen musste. Ich wurde von Freunden fallen gelassen und von meiner Partei verraten. Das alles wegen einer Reise!
Es ist nicht nur die Reise. Es sind die Lüge darüber, die Geburtstagsparty, der Umstand, dass Sie Ihre Mandatsabgaben an die FDP von Gönnern bezahlen liessen und das sogar noch von den Steuern absetzten …
... da schaffe ich gern Transparenz: Das Unterstützungskomitee finanziert politische Kampagnen, Umfragen etc. Ich habe es gegründet, weil ich nicht wollte, dass Spenden dafür direkt auf meinem Konto landen. Und ja, vier Mal in den letzten zehn Jahren ging Geld aus diesem Topf – durch mich – als Mandatsabgabe an die Partei.
Pierre Maudet (40) hat eine steile politische Karriere hinter sich. Der schweizerisch-französische Doppelbürger gründete Anfang der 90er-Jahre das Genfer Jugendparlament. 2007 zog er in die Genfer Stadtregierung ein, 2012 gelang ihm der Sprung in den kantonalen Regierungsrat. Vor rund einem Jahr trat Maudet um einen Bundesratssitz an und überzeugte mit seiner jugendlichen und gleichzeitig staatsmännischen Art. Mit einem sehr guten Ergebnis unterlag er dem Tessiner Ignazio Cassis (57). Maudet ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er schreibt regelmässig eine Kolumne im BLICK. (duc)
Pierre Maudet (40) hat eine steile politische Karriere hinter sich. Der schweizerisch-französische Doppelbürger gründete Anfang der 90er-Jahre das Genfer Jugendparlament. 2007 zog er in die Genfer Stadtregierung ein, 2012 gelang ihm der Sprung in den kantonalen Regierungsrat. Vor rund einem Jahr trat Maudet um einen Bundesratssitz an und überzeugte mit seiner jugendlichen und gleichzeitig staatsmännischen Art. Mit einem sehr guten Ergebnis unterlag er dem Tessiner Ignazio Cassis (57). Maudet ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er schreibt regelmässig eine Kolumne im BLICK. (duc)
Was Sie von den Steuern abgezogen haben, was nicht rechtens wäre.
Nein, das ist nicht klar. Die Frage lautet, ob dieses Geld als Einkommen gilt, das ich versteuern muss, oder als Spende. Ich habe alle Unterlagen der Steuerverwaltung gegeben, die das nun abklärt. Sollte ich hier Fehler gemacht haben, werde ich das korrigieren. Aber glauben Sie mir: Ich bin kein Steueroptimierer. Ich fülle meine Steuererklärung selber aus. Als ich nach meiner Zeit als Stadtrat eine Entschädigung über 200'000 Franken erhielt, habe ich das aus Versehen als Einkommen statt als Altersvorsorge angegeben und deshalb – wie Steuerexperten sagen – rund 70'000 Franken zu viel an Steuern bezahlt.
Haben Sie bei all Ihrem Erfolg nicht einfach vergessen, was als Politiker anständig ist?
Das Leben auf der Überholspur hinterlässt Spuren, das gebe ich zu. Es besteht, nicht nur in der Politik, die Gefahr, dass man sich selbst genügt. Solche Ereignisse holen einen wieder auf den Boden zurück. Was mich schmerzt: Aus diesem Fehler ist eine Kampagne gegen mich entstanden. Meine Gegner suchen gezielt nach Dingen, die mir schaden können. Es gibt einen Hass auf all das, was ich repräsentiere – und der hat mit dieser Affäre ein Ventil gefunden.
Wie viele Freunde haben Sie verloren?
Es kommen deutlich weniger Weihnachtskarten dieses Jahr. Aber ich mache Politik, um Dinge zu ändern, nicht, um beliebt zu sein oder reich zu werden.
Warum treten Sie nicht einfach zurück?
Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass ich unschuldig bin. Nicht Zeitungen und soziale Medien entscheiden, ob jemand schuldig ist oder nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat.
Selbst Ihre Partei fordert Sie zum Rücktritt auf. Präsidentin Petra Gössi sagt, Sie hätten die Werte der FDP mit Füssen getreten.
Das kann sie höchstens selbstkritisch meinen. Denn ein zentraler Wert der FDP ist der Respekt vor dem Rechtsstaat. Dazu gehört die Unschuldsvermutung und dass man jemanden anhört, bevor man ihn zum Rücktritt auffordert. Das ist in meinem Fall nicht passiert.
Wie können Sie weitermachen, wenn sowohl Ihre Partei als auch Ihre Regierungskollegen von Vertrauensbruch reden?
Durch die Lüge wurde Vertrauen zerstört – und dieses lässt sich nicht per Dekret wiederherstellen. Ich muss es langsam wieder aufbauen. Das versuche ich. Der Grossteil meiner Regierungskollegen hat glücklicherweise noch Vertrauen in mich. Und was die Partei betrifft: Für mich ist nicht die Spitze der Partei entscheidend, sondern die Basis.
Das wird sich am 15. Januar zeigen, wenn die 3000 Mitglieder der FDP Genf eingeladen sind, um über Ihre Zukunft zu bestimmen.
Ob es eine Abstimmung geben wird, ist noch nicht sicher, soweit ich weiss.
Fordern Sie eine Abstimmung?Ja. Ich möchte, dass die Parteibasis sich klar äussert, ob sie hinter mir steht oder nicht. Aber auch im zweiten Fall gilt: Nur ein einziger Mensch entscheidet, ob ich zurücktrete oder nicht – ich selbst. So sehen es die Regeln unserer Demokratie vor. Den Druck auf mich zu erhöhen, wird nichts nützen, sondern den gegenteiligen Effekt haben. In einer Demokratie muss ein Exekutivmitglied Druck widerstehen können.
Was braucht es, damit Sie zurücktreten?
(zögert) Ich bin von meiner Unschuld überzeugt. Sollte die Staatsanwaltschaft mich wegen Vorteilsannahme verurteilen, ist die Sache klar: Das ist nicht kompatibel mit dem Amt des Justizministers. Dann trete ich zurück.
Und falls sich eine Mehrheit der Parteibasis gegen Sie stellt?
Das kann ich nicht so absolut sagen. Es kommt drauf an, ob es eine Abstimmung gibt. Wie die Frage lautet. Wie klar das Ergebnis ist. Die Parteiversammlung wird aber wichtig sein für mich, um den Puls zu spüren. Selbstverständlich werde ich das in meine Überlegungen einbeziehen.
Geht es Ihnen ums Geld? Wenn Sie bis mindestens im Juni 2019 bleiben, waren Sie lange genug im Amt, um eine lebenslange Rente von 7430 Franken pro Monat erhalten.
Dieser Vorwurf ist absurd. Eine lebenslange Rente wäre das Gegenteil von dem, wofür ich politisch immer gekämpft habe. Egal, was passiert: In meiner heutigen Situation werde ich keinen Rappen dieser Rente annehmen. Ich bin 40 Jahre alt und habe sicher nicht vor, den Rest meines Lebens als Rentner in Pantoffeln zu verbringen.
Haben Sie Zukunftsangst?
(überlegt lange) Ich kämpfe, weil ich will, dass die Wahrheit obsiegt. Aber es ist nicht einfach. Denn ich lebe in einem Provisorium, meine Zukunft hängt von vielen anderen ab. Und ich bin einsamer als auch schon.
Wie geht Ihre Familie mit dieser Situation um?
Es gibt gute Momente und weniger gute. Die Kinder sind zum Glück noch klein.
Wie schlafen Sie?
Es ist nicht die beste Zeit meines Lebens, ich habe sicher schon besser geschlafen. Wichtig für mich ist nicht, wie ich schlafe, sondern wie gut ich erwache.