Obligatorischer Orientierungstag soll doch noch kommen
Offiziere buhlen um die Frauen

Die Militärdirektoren sagten Nein zum obligatorischen Orientierungstag für Frauen. Doch die Kantone haben nicht mit dem Sperrfeuer der Offiziere gerechnet. Diese liebäugeln jetzt mit einer Bundeslösung.
Publiziert: 18.06.2018 um 18:47 Uhr
|
Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:43 Uhr
1/11
Im internationalen Vergleich ist der Frauenanteil in der Schweizer Armee sehr gering.
Foto: Keystone
Andrea Willimann

0,7 Prozent beträgt der Frauenanteil in der Armee. Viel zu wenig, findet die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) und stört sich daran, dass in Sachen Frauenförderung im Vergleich zu anderen Ländern einfach nichts geht.

Dabei wollte auch Verteidigungsminister Guy Parmelin (58) den Frauen das Militär schmackhaft machen. Ab 1. Januar 2020 sollten nicht nur alle 18-jährigen Schweizer, sondern auch Schweizerinnen zur obligatorischen Informationsveranstaltung der Armee antraben. Diese wird von den Kantonen organisiert und dient der Vorbereitung der Rekrutierung. Heute können Frauen freiwillig teilnehmen. 

Dass jetzt wieder nichts geht, hängt mit einem Entscheid der kantonalen Militärdirektoren von Anfang Mai zusammen. «Ausgerechnet sie haben mit einer dünnen Begründung den obligatorischen Orientierungstag für alle Frauen gekippt und so den Schwung in einer wichtigen Frage abrupt gestoppt», ärgert sich SOG-Präsident Stefan Holenstein (56).

Rechtsgutachten stoppt die Offiziere nicht 

Letztes Jahr hatte die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr den Zwangs-Infotag noch begrüsst, um mehr Frauen in Armee, Zivilschutz und Zivildienst zu locken.

Doch jetzt die Kehrtwende: Ein Rechtsgutachten habe gezeigt, dass ein solcher Infotag als Diensttag anzusehen sei und als allgemeine Wehrpflicht für Frauen in der Bundesverfassung stehen müsse. 

«Ob ein Orientierungstag wirklich ein Diensttag oder nur ein Amtstermin ohne notwendige Verankerung in der Verfassung ist, darüber können Juristen streiten», sagt Holenstein, der selber Jurist ist. «Jedem Gutachten kann man wieder ein Gegengutachten entgegenstellen.» 

Der Druck soll jetzt vom Bund kommen

Holenstein prüft daher, den Frauentag auf andere Weise durchzudrücken. «Der SOG-Vorstand wird an seiner nächsten Klausur Ende Juni besprechen, ob und wie ein obligatorischer Frauen-Orientierungstag via Parlament einzuführen wäre», kündigt er an. «Diese echte Chance, endlich mehr Frauen für die Armee zu gewinnen, darf nicht so schnell vertan werden.» 

Holenstein zweifelt nicht daran, dass er für seinen Plan im Parlament Unterstützung findet. Und tatsächlich braucht man dazu nicht einmal zur Ratslinken zu laufen, wo Frauenförderung sowieso auf fruchtbaren Boden fällt.

Bürgerliche Politiker bieten bereits Hand

Der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder (66) steht einem Obligatorium und einer notfalls nötigen Anknüpfung an einen bestehenden Verfassungsartikel positiv gegenüber. «Es ist ja im Dienst des Vaterlandes – oder besser gesagt: Mutterlandes –, wenn man mehr Frauen für einen freiwilligen Militärdienst bewegen will.» 

«Wir verlieren dadurch keinen Mann für den Militärdienst – aber wir gewinnen die Fachkompetenz von Frauen, die in verschiedenen Bereichen einsetzbar wäre», ist der St. Galler CVP-Nationalrat Nicolo Paganini überzeugt.
Foto: Keystone

CVP-Sicherheitspolitiker Nicolo Paganini (52) begrüsst ebenfalls alle Massnahmen, um mehr Frauen in die Armee zu bringen. «Wir verlieren dadurch keinen Mann für den Militärdienst – aber wir gewinnen die Fachkompetenz von Frauen, die in verschiedenen Bereichen einsetzbar wäre», so der St. Galler Nationalrat.

SVP-Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder (49) versteht das Zögern der Militärdirektoren teilweise. Diese erwarteten einen geringen Erfolg bei hohen Kosten. «Persönlich finde ich es aber positiv, wenn die jungen Frauen in diesem Land an einem Tag erfahren würden, welche Leistungen unsere Armee erbringt, für die Sicherheit und auch bei der Bewältigung von Katastrophen aller Art. Und wenn wir sie dafür gewinnen, umso besser.»

SVP-Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder begrüsst den Zwangs-Infotag ebenfalls, weil so alle junge Frauen in diesem Land an einem Tag erfahren würden, welche Leistungen die Armee erbringt.
Foto: ZVG

Keine Angst vor den Frauen, aber vor den Männern

Die SOG muss allerdings auch mit Widerstand rechnen. SVP-Nationalrat Werner Salzmann (55), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission, ist aus grundsätzlichen Überlegungen gegen ein Info-Obligatorium und zu starke Frauenförderung. «Damit untergraben wir die allgemeine Wehrpflicht der Männer: Diese sollen ihre Pflicht erfüllen, anstatt in den Zivildienst oder auf dem blauen Weg abzuschleichen und dafür die Frauen in die Lücke springen zu lassen.» 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?