Neue Kampagne spielt Umweltverbänden in die Hände
SRG macht Schleichwerbung für Öko-Initiativen

Die SRG setzt sich in einer grossangelegten Kampagne für mehr Biodiversität im Land ein. Praktisch zeitgleich gehen zwei Initiativen zum genau gleichen Thema an den Start.
Publiziert: 20.03.2019 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2019 um 16:27 Uhr
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Das Projekt «Mission B» wird seit Anfang Woche auf sämtlichen SRG-Kanälen beworben.
Foto: SRF
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Das SRF wird öko. Nach dem Aus der Sammelaktion «Jeder Rappen zählt» heisst es am Leutschenbach jetzt: Jeder Quadratmeter zählt. «Mission B» nennt sich das neue Projekt, das die SRG seit Anfang Woche auf allen Kanälen und in allen Sprachregionen promotet. Das B steht für Biodiversität, die man fördern will – mit Sendungen zum Thema, speziellen Online-Plattformen und einer Mitmach-Aktion, bei der die Bevölkerung neuen Platz für heimische Flora und Fauna schaffen soll. Der Themenschwerpunkt dauert bis September 2020.

Initiativen werden nächste Woche lanciert

Die Argumente, mit denen das SRF für das Projekt wirbt, kommen einem bekannt vor. «Jede Sekunde verliert die Schweiz fast 0,7 Quadratmeter Grünfläche», heisst es auf der Projekt-Homepage. «Die Insekten sterben, die Vögel werden immer weniger, viele Pflanzen- und Tierarten sind bedroht. Denn wir Menschen brauchen immer mehr Platz, sei es für Wohn- und Siedlungsraum oder für intensive Landwirtschaft.» Es sind praktisch dieselben Worte, mit denen Grüne und SP jüngst für ihre Zersiedelungs-Initiative kämpften. 

Und das Thema ist auch nach dem Scheitern der Initiative politisch brandaktuell. Kommende Woche, wenige Tage nach Lancierung des SRG-Projekts, gehen zwei Volksinitiativen mit demselben Ziel wie «Mission B» an den Start. Die Biodiversitäts-Initiative will Bund und Kantone verpflichten, genügend Flächen für die Artenvielfalt zu sichern und diese finanziell stärker zu fördern. Die Landschafts-Initiative will den Bauboom in die Schranken weisen. Hinter beiden Volksbegehren steht ein Zusammenschluss von Umweltschutzorganisationen, darunter Pro Natura und Birdlife Schweiz.

«Das Timing ist reiner Zufall»

Pikant: Beide Organisationen sind auch Partner von «Mission B». Pro Natura steht der SRG beim Projekt beratend zur Seite, Birdlife veranstaltet im Rahmen der Aktion unter anderem einen Wettbewerb. Auf die Nachfrage, weshalb «Mission B» praktisch zeitgleich mit den Initiativen lanciert wird, verweist die SRG auf den Frühlingsbeginn.

Sprecherin Sibylle Tornay behauptet, das Projekt habe «keinen Zusammenhang mit politischen Aktivitäten». Vielmehr bedeute Service Public auch, das Publikum über aktuelle und relevante Themen zu informieren. «Der fortschreitende Verlust der Biodiversität ist ein solch aktuelles und gesellschaftsrelevantes Thema.» Die SRG werde die Inhalte zudem «in voller Unabhängigkeit realisieren und dabei einzig dem Publikum verpflichtet sein».

René Amstutz (44), Projektleiter Artenförderung bei Pro Natura, versichert ebenfalls: Das Timing sei «reiner Zufall». «Beide Projekte sind völlig unabhängig voneinander», sagt er. Er räumt jedoch ein: «Wir haben uns abgesprochen, dass die Initiativen und ‹Mission B› nicht am selben Tag lanciert werden.»

Kampagne mit fahlem Beigeschmack

Für FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (37) hat das Ganze einen fahlen Beigeschmack. «Ich glaube nicht an Zufälle», sagt der Berner. «Das Timing ist äusserst unglücklich. Die SRG muss sich gut überlegen, ob sie sich hier nicht instrumentalisieren lässt.» Dieser Meinung ist auch der Bündner CVP-Kollege Martin Candinas (38). Dass die SRG das Thema aufnehme, befürworte er. Das Timing wie auch die Auswahl der Partner findet aber auch er «alles andere als ideal». «Die SRG muss aufpassen, dass sie nicht zur Werbeplattform für die Initiativen wird.»

Der Berner SP-Nationalrat und ehemalige SRF-Journalist Matthias Aebischer (51) indes sieht in der zeitgleichen Lancierung kein Problem. Solche Themenschwerpunkte würden von den Zuschauerinnen und Zuschauern sehr geschätzt. «Dass die lange im Voraus geplante Aktion fast gleichzeitig mit zwei Initiativen zum Thema startet, ist Zufall. Man findet bei jedem Themenschwerpunkt irgendeinen Zusammenhang mit einem aktuellen politischen Thema.» 

Ob Zufall oder nicht: Für die Initianten der Biodiversitäts- und Landschafts-Initiativen ist der Themenfokus des SRF ein riesiger Glücksfall. Oder wie es Amstutz von Pro Natura ausdrückt: «Für uns ist ‹Mission B› eine Chance – nicht nur für die Biodiversitäts-Initiative, sondern auch im Hinblick auf die Wahlen im Herbst.»

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