Neue Gewässerschutzverordnung
Fische – AKW 0:1

Umweltschützer klagen: Statt Lebewesen schütze der Bundesrat mit der neuen Gewässerschutzverordnung lieber Atomkraftwerke.
Publiziert: 30.07.2017 um 15:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2018 um 09:19 Uhr
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Ein toter Fisch liegt während der Hitzewelle 2003 am Ufer des Rheins in Schaffhausen. Unzählige Fische sind den hohen Wassertemperaturen zum Opfer gefallen.
Foto: Keystone
Aline Wüst

Die Äsche ist ein kleiner Fisch mit einem grossen Problem. Ihr Lebensraum, die Gewässer, in denen sie lebt, wird immer wärmer. Die Äsche mag keine Wärme. Bei Temperaturen über 24 Grad wird sie fiebrig. Ab 26 Grad stirbt sie.

Aktuell revidiert der Bund die Verordnung zum Gewässerschutz. Hilfe für die Äsche ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Umweltverbände wie WWF und Greenpeace schlagen Alarm: Der Bundesrat versetze dem Fisch mit seinen neuen Vorschriften den Todesstoss.

Wie warm das Wasser werden darf, regelt ein Gesetz

Dass der Rhein bei Basel seit den 60er-Jahren mehr als zwei Grad wärmer geworden ist, hat nicht nur mit dem Klimawandel zu tun, sondern auch mit Industriebetrieben und Atomkraftwerken. Denn die nutzen das Flusswasser zum Kühlen ihrer Betriebe. So gibt beispielsweise das Kraftwerk Mühleberg rund 70 Prozent der Reaktorwärme in die Aare ab. Wie warm das Wasser werden darf, ist gesetzlich festgelegt.

Nun will der Bundesrat die Bestimmungen lockern. In der neuen Verordnung hält er fest, dass auch warmes Wasser ins Gewässer eingeleitet werden darf, selbst wenn dessen Temperatur bereits über 25 Grad liegt. Bisher lag bei dieser Temperatur die Obergrenze. Neu darf diese kritische Obergrenze um 0,01 Grad überschritten werden.

Das tönt nach wenig. Für Ruedi Bösiger, Leiter aquatische Biodiversität beim WWF, birgt das aber eine grosse Gefahr: «0,01 ist in Flüssen ein Temperaturunterschied, der auch sonst auftreten kann. Das zu messen, sagt nichts da­rüber aus, wie viel Wärme tatsächlich eingeleitet wurde.»

Temperatur-Kontrolle wird schwieriger

Das heisst: Kontrollieren lässt sich in Zukunft nur noch schwer, um wie viel die Atomkraftwerke die kritischen 25-Grad-Marke überschreiten. Damit eröffnet der Bundesrat den Atomkraftwerken Tür und Tor, die Schweizer Gewässer noch stärker zu erwärmen.

Florian Kasser, Atomexperte von Greenpeace Schweiz, ist empört darüber, dass der Bundesrat ein Umweltschutzgesetz massschneidert, damit der Betrieb der Atomkraftwerke nicht beeinträchtigt wird. «Das ist absolut falsch», sagt Kasser.

Ruedi Bösiger sorgt sich nicht nur um die Äschen, die 2003 im Rhein massenweise dem Hitzetod erlagen. Auch die Bemühungen, den Lachs in die Schweiz zurückzuholen, sieht er durch die neue Verordnung gefährdet. Der Lachs durchquere keine Gewässer, die zu warm sind.

Einladung für invasive Arten?

Freuen würden sich hingegen fremde Tierarten, beispielsweise die Körbchenmuschel. Tiere wie sie können dank höherer Temperaturen in heimische Gewässer einwandern – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für das gesamte Ökosystem.

Umweltverbände verlangen nun vom Bundesrat, die Gewässerschutzverordnung nochmals zu überarbeiten und zu überlegen, wie verhindert werden kann, dass sich Flüsse und Seen noch weiter erwärmen.

Einen kleinen Lichtblick gibt es für die Äsche dennoch: Forscher der Universität Lausanne haben berechnet, dass mit der Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg im Jahr 2019 die Temperatur der Aare um durchschnittlich 0,3 Grad sinken wird.

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