Neue EU-Regelung kostet Hunderte von Millionen
Schweiz soll für arbeitslose Grenzgänger zahlen

Gestern hat die EU einen Grundsatzentscheid gefasst, der Millionenkosten für die Schweiz nach sich ziehen könnte: Wenn Grenzgänger bei uns ihre Stelle verlieren, soll neu nicht mehr der Wohnsitzstaat die Arbeitslosengelder zahlen, sondern unser Land – selbst wenn der Grenzgänger erst drei Monate lang bei uns beschäftigt war.
Publiziert: 21.06.2018 um 23:38 Uhr
|
Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:56 Uhr
1/6
Obwohl der Bundesrat den Lohnschutz in den Verhandlungen für ein Rahmenabkommen mit der EU als rote Linie bezeichnet hatte, rüttelte Ignazio Cassis an diesem Standpunkt. Er könne sich Konzessionen vorstellen.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Wenn ein französischer oder deutscher Grenzgänger in der Schweiz seinen Job verliert, soll neu unser Land für ihn das Arbeitslosengeld entrichten. Und das auch, wenn er bloss drei Monate lang bei uns einen Grenzgängerjob hatte. Das haben die EU-Arbeits- und Sozialminister am Donnerstag beschlossen.

Auch innerhalb der EU war die Opposition gegen die Regelung gross. Allen voran hatte sich Luxemburg gewehrt. Laut dem luxemburgischen Arbeitsminister Nicolas Schmit (64) sind in seinem Land 45 Prozent der Arbeitenden Grenzgänger. Er warnte vor einem Kollaps des luxemburgischen Arbeitslosensystems. Das Grossherzogtum hat darum eine Übergangsfrist von sieben Jahren erhalten.

«Keine Fehlanreize schaffen»

Auch der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (45) mahnte, keine «Fehlanreize zu schaffen». Doch genau das haben die europäischen Arbeits- und Sozialminister getan. Und der Entscheid ist aus mehreren Gründen hoch problematisch für die Schweiz:

Derzeit arbeiten 320'000 Grenzgänger bei uns. Künftig könnten es viel mehr sein – auch mit dem Ziel, bald Arbeitslosengeld zu beziehen. Und einzelne Unternehmen dürften versucht sein, immer mal wieder Grenzgänger auf die Strasse zu stellen und noch günstigere zu rekrutieren.

Es drohen immense Kosten

Hinzu kommen die immensen Kosten. «Mehrere Hundert Millionen Schweizer Franken könnte uns der Systemwechsel kosten», so das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu BLICK. Sofern die Schweiz die neuen Regeln vollumfänglich übernehmen würde. Das Seco stellt aber klar: «Die Schweiz ist nicht verpflichtet, die neue EU-Regelung automatisch zu übernehmen.»

Noch ist der Systemwechsel auch in der EU nicht in trockenen Tüchern. Jetzt nimmt sich das EU-Parlament dessen an. Der definitive Entscheid wird im Herbst erwartet.

Rückenwind für EU-Kritiker

Klar ist aber heute schon, dass der Entscheid innenpolitischen Zündstoff birgt: Er gefährdet den Abschluss eines Rahmenabkommens, das die Schweiz mit der EU abschliessen will. Aus Sicht der EU-Kritiker ist die Grenzgängerregelung ein Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn man sich von der EU abhängig macht.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?