Nein zur Durchsetzungs-Initiative
Dieses Power-Quartett bodigte die SVP

Der gestrige Nein-Erfolg hat zwar viele Mütter und Väter. Doch ein Quartett hatte besonderen Anteil an der SVP-Niederlage: SP-Ständerat Hans Stöckli, Kampagnenleiterin Flavia Kleiner, FDP-Chef Philipp Müller und Publizist Peter Studer.
Publiziert: 29.02.2016 um 09:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:40 Uhr
Ruedi Studer

Wäre hätte das vor einem halben Jahr gedacht: Die Durchsetzungs-Initiative (DSI) der SVP wurde gestern deutlich verworfen. Dabei hatte erst im November eine GfS-Umfrage noch einen Ja-Anteil von 66 Prozent zur SVP-Initiative ergeben. Ein Wert, der die Gegner erschreckte – und aufschreckte.

Da fragt man sich: Wer hat die Kehrtwende bewirkt - und wie? Klar, ein derartiger Erfolg hat immer mehrere Väter und Mütter. Doch schliesslich ist es ein eigentliches Power-Quartett, welches auf unterschiedlichsten Ebenen mobilisierte.

SP-Ständerat Hans Stöckli (BE).
Foto: Christian Lanz

Hans Stöckli

Da war einmal der gmögige Berner SP-Ständerat Hans Stöckli (63). Hatten viele seiner Kollegen im Bundeshaus schon längst die Waffen gestreckt, mochte er sich mit einer Niederlage ohne echten Kampf nicht abfinden. In der Dezembersession trommelte er fast sämtliche Ständeratskollegen für ein Manifest gegen die DSI zusammen – nur die sechs Ständeräte der SVP-Fraktion standen beiseite.

Auch eine Mehrheit der Nationalräte sowie elf alt Bundesräte unterzeichneten das Manifest. Über 300 amtierende und frühere eidgenössische Parlamentarier scharte Stöckli so hinter sich. Der Berner lieferte mit seinem Manifest die Initialzündung im Bundeshaus, dass der Rechtsstaat nicht kampflos verloren gegeben darf.

IMAGE-ERRORFlavia Kleiner

In der Öffentlichkeit war sie bisher eine unbekannte, doch als Kampagnenleiterin des NGO-Komitees gegen die Durchsetzungs-Initiative wurde Flavia Kleiner (25) zum Gesicht der ausserparlamentarischen Gegnerschaft. Dabei führte die Jus-Studentin eine Kampagne ganz im Stil der SVP. Ihr Nein-Plakat zeigte eine von einer DSI-Abrissbirne zerquetschte Helvetia. Im ersten Entwurf lag Helvetia noch in einer Blutlache, welche erst in der offiziellen Fassung wieder wegretouchiert wurde.

Auch sonst teilte Kleiner «unerbittlich gegen die SVP-Trolle» aus. «Wir haben ihnen die Meinung gesagt und ihnen keine Lüge durchgelassen», so Kleiner . Die Co-Präsidentin der Operation Libero, die nach dem Ja zu Masseneinwanderungs-Initiative 2014 gegründet wurde, wird sich auch weiterhin engagieren. Das DSI-Nein sei nur ein Etappensieg, schreibt das NGO-Komitee auf seiner Homepage. Die SVP stehe bereits «mit weiteren Angriffen auf die offene Schweiz in den Startlöchern». Dagegen wird sich Kleiner zu wehren wissen!

FDP-Chef Philipp Müller (AG).
Foto: Gerry Nitsch

Philipp Müller

Am Anfang stand der Ärger. Die FDP hatte den politischen Kampagnenlead des bürgerlichen Neins übernommen, aber kein Geld. Dass die Wirtschaft keinen Rappen locker machen wollte, trieb FDP-Chef Philipp Müller (63) auf die Palme. «Die Wirtschaft muss endlich wahrnehmen, dass diese Initiative die Bilateralen Verträge gefährdet», sagte er im November zu BLICK. Als er merkte, da selbst die freisinnige Basis zu einem DSI-Ja tendiert, legte Müller aber richtig los, um das Ruder noch herumzureissen. In einem grossen BLICK-Interview verurteilte der Aargauer FDP-Ständerat die SVP-Initiative als «Anschlag auf die Schweiz und ihre Rechtsordnung. Da kann kein Freisinniger mitmachen.»

Ein Weckruf nicht nur für die freisinnige, sondern die ganze bürgerliche Basis ausserhalb der SVP! Und das von einem, der in Ausländerfragen nicht gerade als zimperlich gilt. Das machte Müller glaubwürdig. Die SVP versuchte Müller auszumanövrieren, indem sie daran erinnerte, dass eineinhalb Jahre zuvor ausgerechnet der FDP-Chef den DSI-Text noch ins Gesetz geschrieben haben wollte. Doch so sehr die SVP mit diesem Anwurf Recht haben mochte, so wenig liess sich Müller davon beeindrucken. Die SVP-Attacken perlten an ihm ab. Den Lohn für sein unermüdliches Engagement sackte Müller mit dem deutlichen DSI-Nein ein.

Publizist Peter Studer.
Foto: Keystone

Peter Studer

Den letzten entscheidenden Effort gegen die Durchsetzungs-Initiative lieferte nur gut einen Monat vor der Abstimmung ein Komitee «gegen die unmenschliche SVP-Initiative» um den Publizisten Peter Studer (80). Innert Kürze trommelte er über 200 Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Kirche und Politik für einen «dringenden Aufruf» gegen die Initiative zusammen.

Daraus entwickelte sich ein regelrechter Aufstand der Zivilgesellschaft gegen das extreme Volksbegehren. Über 50'000 Menschen unterzeichneten den Aufruf – und innert Kürze kam über eine Million Franken für die Schlussspurt-Kampagne zusammen. Damit wurde das Nein auch im öffentlichen Raum – sprich auf Plakaten und in Inseraten – deutlich sichtbar.

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