Wie weit dürfen Rapper gehen? Können sie SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (42, ZH) in einem «Lied» mit sexistischen Schimpftiraden eindecken (siehe Bildstrecke)? Für was und wie werden die Musiker bestraft?
Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Obergericht des Kantons Bern. Das Urteil vom 18. Dezember 2018 liegt SonntagsBlick vor. Es verurteilt fünf Musiker, die dem Rap-Kollektiv Chaostruppe angehören, wegen Beschimpfung und – anders als die erste Instanz – auch wegen übler Nachrede. Die Beschuldigten hätten in Kauf genommen, dass die im Song «geäusserten ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen ernst genommen werden können», heisst es im Dekret.
Vom Schmählied erfuhr Rickli via Facebook
Knacknuss bleibt aber der Vorwurf der sexuellen Belästigung. Hier werden die Angeschuldigten freigesprochen. Damit bestätigt die Instanz den Entscheid des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 28. August 2017.
Die Staatsanwaltschaft zog den Beschluss weiter. Die öffentlichen Ankläger hatten die Rapper ursprünglich per Strafbefehl auch wegen sexueller Belästigung für schuldig erklärt. Sie reagierten auf eine Anzeige von Natalie Rickli. Ihr war das Schmählied mit dem Titel «Natalie Rikkli» im Februar 2016 als Kommentar auf ihre Facebook-Seite gepostet worden.
Zur Begründung, weshalb die Rapper, die teilweise in sozialen Berufen tätig sind und zeitweise sogar in Kindertagesstätten arbeiteten, nicht auch wegen sexueller Belästigung schuldig gesprochen werden, heisst es im Urteil wörtlich: «Ihr (Natalie Rickli) stand es – im Gegensatz zu direkten Äusserungen gegenüber einem anwesenden Opfer – offen, den Text anzuhören bzw. zu lesen oder dies zu unterlassen.»
Selber schuld?
Oder anders ausgedrückt: Rickli ist selber schuld, sie hätte sich die Sexismus-Attacke der Rapper, die sich selber als Sozialisten bezeichnen und aus dem Umfeld der Berner Reitschule stammen, ja nicht anhören müssen. SP-Ständerat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch (53, ZH) kritisiert das Verdikt: «Ich glaube, dass die Sichtweise des Gerichts zu kurz greift.» Der Tatbestand der «Sexuellen Belästigung» sei vom Gesetzgeber geschaffen worden, als soziale Medien noch keine Rolle gespielt hätten.
Die eingeschränkte Anwendung des Tatbestands durch das Gericht werde vom Tatbestand selbst aber gar nicht verlangt. «Es wäre daher ohne Probleme möglich, den geltenden Tatbestand auch im Zusammenhang sozialer Medien auszulegen», so der Sozialdemokrat.
«Rapper mussten sich immerhin entschuldigen»
Die Berner Staatsanwaltschaft prüft im Moment das Urteil und will bis Mitte Januar entscheiden, ob es ans Bundesgericht weitergezogen wird. Ein Gang nach Lausanne würde dann ein endgültiges Urteil fällen. Die angefragten Rapper selber wollten sich diese Woche nicht zum Dekret äussern.
Natalie Rickli: «Die Rapper mussten sich immerhin entschuldigen und wurden verurteilt.» Auf Anfrage von SonntagsBlick stimme sie der Veröffentlichung des Songtextes zu, in der Hoffnung, dass die Rapper durch das Urteil etwas gelernt hätten und andere Frauen diese Erfahrung nicht machen müssten. «Es soll ein abschreckendes Beispiel sein.»
Rapper aus dem Umfeld der Berner Reithalle verunglimpfen Natalie Rickli in einem Song in einer Art und Weise, die sexistischer nicht sein kann. Das Berner Obergericht verurteilt die Musiker nun wegen Beschimpfung und
übler Nachrede.
Sexuell belästigt hätten die linken Hip-Hopper die SVP-Nationalrätin aber nicht. Schliesslich, so das Urteil der Richter, hätte sich die Politikerin das Schmählied nicht anhören müssen.
Damit bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Sexuell belästigen kann man laut dem Urteil nur, wenn es der Aufdringliche im direkten Kontakt mit dem Opfer tut. Eine Auffassung die von Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch zu Recht infrage gestellt wird.
Im 21. Jahrhundert – im Zeitalter der sozialen Medien – ist das nicht mehr zutreffend. Jeder kann heute jeden zeit- und ortsungebunden sexuell belästigen.
Fakt ist doch: Die Rapper mussten damit rechnen, dass Natalie Rickli, die Tausende Follower in den sozialen Medien hat, eines Tages mit diesem Grüsellied konfrontiert wird.
Abhilfe schaffen könnte der Gesetzgeber. Er müsste die Bestimmungen auch für soziale Medien klar so anpassen, das künftig jeder, der solchen unterirdischen Schrott produziert, weiss, dass er dafür behelligt werden kann. Nämlich für sexuelle Belästigung. Marcel Odermatt, Politik-Reporter
Rapper aus dem Umfeld der Berner Reithalle verunglimpfen Natalie Rickli in einem Song in einer Art und Weise, die sexistischer nicht sein kann. Das Berner Obergericht verurteilt die Musiker nun wegen Beschimpfung und
übler Nachrede.
Sexuell belästigt hätten die linken Hip-Hopper die SVP-Nationalrätin aber nicht. Schliesslich, so das Urteil der Richter, hätte sich die Politikerin das Schmählied nicht anhören müssen.
Damit bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Sexuell belästigen kann man laut dem Urteil nur, wenn es der Aufdringliche im direkten Kontakt mit dem Opfer tut. Eine Auffassung die von Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch zu Recht infrage gestellt wird.
Im 21. Jahrhundert – im Zeitalter der sozialen Medien – ist das nicht mehr zutreffend. Jeder kann heute jeden zeit- und ortsungebunden sexuell belästigen.
Fakt ist doch: Die Rapper mussten damit rechnen, dass Natalie Rickli, die Tausende Follower in den sozialen Medien hat, eines Tages mit diesem Grüsellied konfrontiert wird.
Abhilfe schaffen könnte der Gesetzgeber. Er müsste die Bestimmungen auch für soziale Medien klar so anpassen, das künftig jeder, der solchen unterirdischen Schrott produziert, weiss, dass er dafür behelligt werden kann. Nämlich für sexuelle Belästigung. Marcel Odermatt, Politik-Reporter