Luzerns Steuerchefs stellen klar: «Briefkastenfirmen sind unerwünscht, weil diese keine nachhaltigen wirtschaftlichen Impulse generieren und das Image des Standorts Luzern beschädigen», sagt Paul Furrer, stellvertretender Geschäftsleitungsvorsitzender der Dienststelle Steuern. Ziel Luzerns sei es, interessante, wertschöpfungsintensive Firmen anzuziehen, die attraktive Arbeitsplätze anbieten.
Damit kritisiert Furrer, was in der Innenstadt Luzerns ins Auge fällt: An den besten Lagen künden leere Büros und umso zahlreichere Namen an Klingelschildern vom Briefkastenfirmen-Mekka am Vierwaldstättersee. Die rekordtiefen Unternehmensgewinnsteuern ziehen Steueroptimierer an wie Motten das Licht.
Keine genauen Zahlen zu den Briefkästen
Wie stark die Zahl der Briefkastenfirmen in den letzten Jahren in Luzern zugenommen hat, kann Furrer nicht sagen. Eine entsprechende Statistik fehle. Klar ist: Briefkastenfirmen einzurichten und sie mit einem Fullservice zu versorgen, ist zu einem Geschäftsmodell für Treuhandunternehmen geworden. Manche Betriebe gehen mit ihrem Rundum-Sorglos-Programm für Briefkastenfirmen an die Grenzen des Erlaubten, wie BLICK anhand eines Videoprotokolls eines fingierten Geschäftsgesprächs auf der Webseite des SP-Politikers David Roth (34) zeigte.
So einfach wie im Video dargestellt sei alles nicht, stellt Steuerchef Furrer klar. «Selbst wenn die Verwaltung der Gesellschaft tatsächlich in Luzern erfolgen würde, müsste in der Praxis die Steuerhoheit zwischen Luzern und Thurgau zumindest geteilt werden.» Wenn, wie im Video beschrieben, in Luzern lediglich eine Adresse ohne eigentliche Geschäftstätigkeit bestehe, so befinde sich auch das Steuerdomizil nicht dort. Im Telefongespräch hatte der Treuhänder den angeblich an einer Briefkastenfirma Interessierten also zu viel versprochen.
Angaben des Treuhänders waren falsch
Laut Furrer müsste die Briefkastenfirma weiterhin ihre gesamten Steuern im Thurgau zahlen und nicht wie versprochen im günstigeren Luzern. Der Treuhänder offerierte ein Steuerkonstrukt, das in der Praxis von den Steuerbehörden durchschaut würde, versichert Furrer.
Und auch vom Branchenverband Treuhand Suisse hagelt es Kritik: «Ethisch-moralisch ist es fragwürdig, was der Treuhänder am Telefon gemacht hat.» Zwar seien die Aussagen im Video keine Anstiftung zur Steuerhinterziehung, dennoch hätte sich Christian Nussbaumer (46) mehr Zurückhaltung gewünscht.
Für den Geschäftsführer des Branchenverbands ist es besonders «fragwürdig», dass man den Interessenten einer Briefkastenfirma den Einsatz eines Strohmannes in Aussicht stellte. «Solche Empfehlungen beschädigen das Image der Treuhand-Branche.» Das Ganze erinnere ihn an die Bankenwelt von vor zehn bis 15 Jahren. «Plötzlich war das Bankkundengeheimnis nicht mehr zu halten, und die Geldinstitute konnten kein unversteuertes Geld mehr horten.»
Briefkästen haben keine Zukunft
Denn auch Treuhandfirmen stehen mit ihren Briefkastenfirmen quer in der Landschaft. Nussbaumer sagt, es sei absehbar, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei den Steuern bald die Schraube anziehe und dass Kunden aus dem Ausland bald nicht mehr so einfach in der Schweiz Briefkastenfirmen zur Steuervermeidung einrichten könnten. «Treuhandfirmen müssen sich bewusst sein, dass ein Geschäftsmodell, das allein auf die Einrichtung von Briefkastenfirmen ausgerichtet ist, keine Zukunft haben dürfte», betont er.