Nach dem Ja zur Homo-Strafnorm
Darf ich jetzt noch Schwulenwitze reissen?

Sexuelle Orientierung gehört ab sofort zur Antirassismus-Strafnorm. Öffentliche Aussagen wie «Schwule können nicht treu sein» bleiben legal. «Schwule haben eine psychische Störung» hingegen kann verfolgt werden. Ein schmaler Grat für die Richter.
Publiziert: 09.02.2020 um 18:12 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2020 um 08:39 Uhr
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Abstimmungssieg für Schwule, Lesben und Transgender: Sie dürfen in Zukunft nicht mehr diskriminiert werden.
Foto: EQ Images
Nico Menzato

Vor 25 Jahren hat die Schweiz die Anti-Rassismus-Strafnorm eingeführt. Seither macht sich strafbar, wer «öffentlich» gegen eine Person «wegen ihrer Rasse, Ethnie und Religion» zu Hass aufruft.

Am Sonntag wurde die Liste um die sexuelle Orientierung ergänzt. Schwule, Lesben und Bisexuelle sind nun stärker vor systematischer Herabsetzung geschützt.

Es drohen sogar Freiheitsstrafen

Was heisst das konkret? Und komme ich ins Gefängnis, wenn ich am Stammtisch einen Schwulenwitz erzähle? Schliesslich droht bei Zuwiderhandlung eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Verboten werden öffentliche Äusserungen, im privaten Rahmen kann man also ungestraft hetzen. Als privat gelten laut Bundesgericht Äusserungen im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem «durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld».

Social Media ist kein rechtsfreier Raum

Schwulenhetze am Stammtisch unter Freunden wird also nicht verfolgt. Wenn sie jedoch so laut erfolgt, dass das ganze Restaurant mithören kann, wohl schon. Ebenfalls dürften Posts auf Twitter als öffentlich gelten.

Im Einzelfall werden dies die Richter entscheiden müssen. Sie werden bei einem juristischen Streit die beiden Grundrechte in der Verfassung – Meinungsfreiheit und Menschenwürde – gegeneinander abwägen.

Das ist strafbar

Professorin Isabelle Häner (62) hat in einem Rechtsgutachten schon mal zahlreiche Fälle durchgespielt. Strafbar macht sich, wer öffentlich solche oder ähnliche Sätze von sich gibt und damit die Menschenwürde herabsetzt:

  • «Homosexualität ist eine Schwäche der Natur, die geheilt werden kann.»
  • «Schwulsein ist menschenunwürdig.»
  • «Aids ist eine Strafe Gottes für das Laster der Schwulen.»
  • «Lesben haben eine psychische Störung.»
  • Auch Zitate aus dem Alten Testament samt Ergänzung könnten strafbar werden. Etwa die Aussagen von Vitus Huonder (77): «Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen», zitierte der Bischof 2015 – und ergänzte: «Die beiden Stellen allein würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben.»

In den Fokus der Justiz geraten aber nicht nur Personen, die Homosexuelle diskriminieren, sondern auch Firmen. So dürfen sie Produkte und Dienstleisten, die «für die «Allgemeinheit» bestimmt sind, niemandem aufgrund der sexuellen Orientierung verweigern. Strafbar ist, wenn:

  • ein Hausbesitzer eine Wohnung nicht an ein gleichgeschlechtliches Paar vermietet.
  • wenn ein Florist sich weigert sich, Blumen an die Hochzeit eines homosexuellen Paars zu liefern.
  • wenn eine Kita Kinder eines Lesbenpaars ablehnt.

Gemäss Strafrechtsprofessor Marcel Niggli (59), der das Gesetz ablehnte, gibt es auch spezielle Konstellationen: «Wenn ein schwules Tanzlokal Heterosexuelle abweist, so kann das in Zukunft strafbar sein», sagte er im «Tages-Anzeiger».

Das ist kein Problem

Weiterhin straffrei gesagt werden dürfen Beleidigungen wie diese:

  • «Homosexualität ist pervers.»
  • «Schwule können nicht treu sein.»
  • «Homo-Eltern sind schädlich für ein Kind.»
  • «Wir müssen unsere Jugend vor dem Abgleiten in den Sumpf der Homosexualität schützen.»
  • Schwule und Lesben seien «Fehlgeleitete» und hätten einen «Hirnlappen, der verkehrt verläuft».

Auch letztere Aussage des ehemaligen SVP-Nationalrats Toni Bortoluzzi (72) wäre künftig legal. In einer Demokratie sei es zentral, dass auch Standpunkte vertreten werden können, die für viele schockierend wirken, urteilt Häner.

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