Mehrkosten von rund 300 Millionen Franken
Ärzte mit eigener Apotheke verschreiben mehr Medikamente

Eine neue Studie belegt, dass besonders Spezialisten, aber auch Hausärzte, mit ihrer Medikamentenabgabe die Gesundheitskosten in die Höhe treiben.
Publiziert: 20.10.2017 um 19:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:53 Uhr
Medikamentenabgabe durch Ärzte treiben die Gesundheitskosten in die Höhe. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Die Medikamentenabgabe ist ein grosser Ausgabeposten im Gesundheitswesen. Besonders hohe Kosten verursachen Ärzte mit eigener Apotheke. Die Selbstdispensation erhöht die Medikamentenkosten bei Hausärzten um 51 Prozent und bei Spezialärzten um 32 Prozent. Das zeigt eine Studie der Ökonomen Daniel Burkhard, Christian Schmid und Kaspar Wüthrich, die der «Tages-Anzeiger» am Freitag zitiert.

Die Studie sei noch nicht veröffentlicht, aber verfügbar, sagte Schmid, der an der Universität Bern lehrt. Die Mehrkosten gingen vor allem darauf zurück, dass mehr Medikamente verschrieben würden, und die Steigerung der Gesundheitskosten gehe dabei stärker von den Hausärzten aus.

Höhere Vertriebsmargen

Hochgerechnet verursacht die Medikamentenabgabe durch Haus- und Spezialärzte demnach zusammengerechnet jährliche Mehrkosten von rund 300 Millionen Franken, was etwa einem Prozent der Krankenkassenprämien entspricht.

Ein Grund für die Verschreibung von mehr Medikamenten wird im finanziellen Anreiz vermutet, da die Ärzte mit einer gesetzlich geregelten Vertriebsmarge, die auf den Fabrikabgabepreis draufgeschlagen wird, mitverdienen.

Die ärztliche Medikamentenabgabe – oder Selbstdispensation – ist in 17 von 19 Deutschschweizer Kantonen zulässig. Dabei bestehen allerdings gewisse Einschränkungen in den Kantonen Bern, Graubünden und Schaffhausen (bis 2018). In den Kantonen Aargau und Basel ist die Selbstdispensation nicht üblich. Auch in der Westschweiz und im Tessin ist diese Form der Medikamentenabgabe nicht bekannt.

Ärzteschaft: Studie ist unvollständig

Die Ärzteverbindung FMH hält die Studie für «fragwürdig und unvollständig». Wichtige Faktoren würden ignoriert. Eine Studie des Bundesamts für Gesundheit habe nämlich das Gegenteil ergeben. Die Medikamentenkosten seien eben genau in Kantonen ohne Selbstdispensation – also wenn Ärzte Medikamente verschreiben dürfen – deutlich höher, namentlich in der Westschweiz. Denn «Ärzte haben eine bessere Kontrolle darüber, wie viele Medikamente sie verschreiben, ob die Patienten die Medikamente richtig einnehmen und wie sie wirken», behauptet Urs Stoffel – Vorstandsmitglied der FMH.

Die Autoren der Studie halten dagegen. Der Befund sei unumstösslich. Die Westschweiz sei bewusst nicht einbezogen worden, weil die Medikamentenpreise in der Romandie aus «kulturellen» Gründen höher seien.

Angesichts der neuerlichen Prämienerhöhung um vier Prozent für 2018 heizt die vorliegende Studie die Debatte um die Medikamentenabgabe weiter an. (SDA/duc)

Medikamente für den Müll

Während die Prämien munter steigen, werden in der Schweiz Jahr für Jahr Medikamente im Wert von einer halben Milliarde Franken weggeworfen. Das Bundesamt für Umwelt schätzt, dass 30 Prozent aller Arzneimittel unbenutzt im Müll landen. Es ist anzunehmen, dass ein grosser Teil kassenpflichtig ist – solche Präparate machen 80 Prozent des Marktes aus.

Ein unterschätztes Thema

Doch Politik und Medien nehmen dies kaum zur Kenntnis. Auf Anfrage heisst es dazu beim Bundesamt für Gesundheit nur: «Es ist ein unterschätztes Thema.» Wohl auch von Seiten des BAG selbst.

CVP-Nationalrätin Viola Amherd (VS) hatte den Bund 2014 per Vorstoss beauftragt, den Umfang des Phänomens abzuklären. Inzwischen ist eine Studie in Arbeit, die aufzeigen soll, was in der Schweiz gegen die Medika­­­mentenverschwendung getan wird. Ihre Veröffentlichung ist frühestens im Sommer 2018 zu erwarten.

Arzneimittel in Apotheken in Einzeldosen

Amherd ist dieses Tempo zu gemächlich: «Wenn ich nur da­ran denke, wie viele Medikamente bis dahin den Bach hinuntergespült sein werden ...!» Sie fordert, dass Arzneimittel auch in Apotheken in Einzeldosen abgegeben werden.

Barbara Züst von der Stiftung SPO Pa­tientenschutz will, dass Ärzte nicht mehr an der Medikamentenabgabe mitverdienen dürfen. Der Ärzteverband FMH hingegen lehnt dies ab und argumentiert, die Medikamentenabgabe durch Ärzte würde zu einer Kostenreduktion führen.

Bleibt zu hoffen, dass das BAG bis nächsten Sommer einen Plan hat, wie der Abfallberg von Medikamenten reduziert werden kann.

Während die Prämien munter steigen, werden in der Schweiz Jahr für Jahr Medikamente im Wert von einer halben Milliarde Franken weggeworfen. Das Bundesamt für Umwelt schätzt, dass 30 Prozent aller Arzneimittel unbenutzt im Müll landen. Es ist anzunehmen, dass ein grosser Teil kassenpflichtig ist – solche Präparate machen 80 Prozent des Marktes aus.

Ein unterschätztes Thema

Doch Politik und Medien nehmen dies kaum zur Kenntnis. Auf Anfrage heisst es dazu beim Bundesamt für Gesundheit nur: «Es ist ein unterschätztes Thema.» Wohl auch von Seiten des BAG selbst.

CVP-Nationalrätin Viola Amherd (VS) hatte den Bund 2014 per Vorstoss beauftragt, den Umfang des Phänomens abzuklären. Inzwischen ist eine Studie in Arbeit, die aufzeigen soll, was in der Schweiz gegen die Medika­­­mentenverschwendung getan wird. Ihre Veröffentlichung ist frühestens im Sommer 2018 zu erwarten.

Arzneimittel in Apotheken in Einzeldosen

Amherd ist dieses Tempo zu gemächlich: «Wenn ich nur da­ran denke, wie viele Medikamente bis dahin den Bach hinuntergespült sein werden ...!» Sie fordert, dass Arzneimittel auch in Apotheken in Einzeldosen abgegeben werden.

Barbara Züst von der Stiftung SPO Pa­tientenschutz will, dass Ärzte nicht mehr an der Medikamentenabgabe mitverdienen dürfen. Der Ärzteverband FMH hingegen lehnt dies ab und argumentiert, die Medikamentenabgabe durch Ärzte würde zu einer Kostenreduktion führen.

Bleibt zu hoffen, dass das BAG bis nächsten Sommer einen Plan hat, wie der Abfallberg von Medikamenten reduziert werden kann.

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