Liechtensteins Aussenministerin Aurelia Frick (41) kontert die Vorwürfe von BLICK
«Mit dem Schmarotzer-Vorwurf bin ich ganz und gar nicht einverstanden»

Für Aussenministerin Aurelia Frick (41) ist klar: «Mit dem Schmarotzer-Vorwurf bin ich ganz und gar nicht einverstanden. Wir haben eine sehr enge Beziehung zur Schweiz, eine schon fast 100-jährige Ehe.» In vielen Bereichen zahlten die Liechtensteiner sogar mehr an die Schweiz als umgekehrt.
Publiziert: 14.08.2017 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:24 Uhr
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Die Aussenministerin des Fürstentums Liechtenstein, Aurelia Frick (41), wehrt sich: «Wir haben eine sehr enge Beziehung zur Schweiz, eine schon fast 100-jährige Ehe.» In vielen Bereichen zahlten die Liechtensteiner sogar mehr an die Schweiz als umgekehrt.
Foto: Thomas Meier
Interview: Matthias Halbeis

Die Verwaltung des Fürstentums Liechtenstein ist gestern Montag geschlossen. Die Beamten machen frei – die Brücke zum Nationalfeiertag von heute. Trotzdem nimmt sich die Aussenminsterin Aurelia Frick Zeit für BLICK.

BLICK: Frau Ministerin, der BLICK hat dem Fürstentum Liechtenstein Schmarotzertum vorgeworfen. Was halten Sie uns entgegen?
Aurelia
Frick: Mit dem Schmarotzer-Vorwurf bin ich ganz und gar nicht einverstanden. Wir haben eine sehr enge Beziehung zur Schweiz, eine schon fast 100-jährige Ehe. Diese ist von Vertrauen und Freundschaft geprägt. Die beiden Länder verbindet viel. Beide verfügen über keine grossen Bodenschätze. Viel Fläche gibt es nicht – vor allem der Berge wegen. Trotzdem ist es beiden gelungen, grossen Wohlstand zu schaffen. Ich sehe mehr das Verbindende als das Trennende.

Trotzdem muss man auch in einer Ehe Schwierigkeiten ansprechen. Wenn etwa einer der Partner weniger Hausarbeit macht als der andere. Und so vom anderen profitiert.
Ich bin verheiratet und weiss darum, dass solche Diskussionen wichtig sind. Aber: Wir haben kaum mit einem anderen Land so tiefe und stabile Beziehungen wie mit der Schweiz. Unser Verhältnis ist in über 100 Verträgen festgelegt. Darin sind Rechte und Pflichten geregelt.

Was bedeutet das?
Mit dem neuen Doppelbesteuerungsabkommen haben wir die gegenseitigen Leistungen wieder einmal genau überprüft. In vielen Bereichen sind wir bedeutende Nettozahler an die Schweiz  – beispielsweise im Schulbereich. Oder wir beteiligen uns an der Sicherheit: Unsere Polizisten leisten Dienst bei Grossveranstaltungen in der Schweiz, etwa am WEF oder gegen Hooligans an Sportveranstaltungen. Wir sind ein souveräner Staat, aber in der regionalen Zusammenarbeit beteiligen wir uns wie ein Kanton an der Erfüllung staatlicher Aufgaben. Zurück zum Beispiel: Unsere Beziehungen sind so gut, dass es nicht auf einen einzelnen Abwasch mehr oder weniger des einen oder anderen Partners ankommt.

Beim erwähnten Doppelbesteuerungsabkommen wollten Sie die Schweiz einspannen, Steuern für Arbeitnehmer einzuziehen, die in der Schweiz leben und in Liechtenstein arbeiten. In Ihrem Parlament hagelte es Kritik, weil die Schweiz nicht mitmachte.
Klar hätten wir uns eine andere Regelung gewünscht. Immerhin fliessen Löhne im Umfang von 850 Millionen Franken jährlich in die Ostschweizer Gemeinden. Das sind Steuereinnahmen, die wir natürlich gerne in unserem eigenen Budget einsetzen würden. Wir tragen somit bedeutend zum Wohlstand in der Region bei. Auch darum sehe ich die Partnerschaft zwischen der Schweiz und Liechtenstein so, dass am Schluss beide miteinander profitieren.

«In vielen Bereichen sind wir bedeutende Nettozahler an die Schweiz.»
Foto: Thomas Meier

Sie haben der EU vor 25 Jahren ein grosses Zugeständnis abgerungen: Die Personenfreizügigkeit mit der EU gilt zwar, aber nur mit einer Sonderlösung. Sie müssen nur 72 EU-Bürgern pro Jahr eine Niederlassung gewähren. Mehr Rosinenpicken geht nicht.
Es war tatsächlich ein Entgegenkommen der EU. Ich glaube, wir konnten den Sonderfall glaubhaft belegen. Den ohnehin schon hohen Ausländeranteil aufgrund der Kleinheit des Landes. Die beschränkte Verfügbarkeit von Boden. Beides hat die Gegenseite überzeugt. Ich glaube nicht, dass uns das mit der heutigen EU nochmals gelingen würde. An den Sitzungen in Brüssel ist spürbar, dass Sonderregelungen und Entgegenkommen für Kleinstaaten schwieriger geworden sind. Das ist eine direkte Folge des Brexit.

Im Gegensatz zur Schweiz hat Liechtenstein dem EWR zugestimmt und auch «fremde Richter» akzeptiert. Wie gut abgestützt ist der Vertrag mit der EU noch im Volk?
Sehr gut. Die letzten Studien zeigen, dass 85 Prozent der Stimmberechtigten den EWR unterstützen. Sogar 95 Prozent wollen an der Zollunion mit der Schweiz festhalten. Ich könnte mir kaum ein besseres Resultat wünschen. Zu den fremden Richtern: Ich habe die Diskussion nie recht verstanden. Wir haben einen eigenen Richter am Efta-Gerichtshof. Somit ist es auch unser Gericht, das gerecht und professionell entscheiden soll. Vielleicht haben wir Liechtensteiner besonders wenig Mühe mit fremden Richtern: Bei uns arbeiten nämlich auch Schweizer und Österreicher als Richter.

Heute begeht Liechtenstein den Nationalfeiertag: Ist «Für Gott, Fürst und Vaterland» ein Motto, das zu einem modernen Land passt?
Wenn nach dem Feuerwerk dieser Satz aufscheint, ist das für mich immer ein sehr emotionaler Moment. Ich bin eine wertkonservative Politikerin. Und ich will meinen Kindern wichtige Elemente unserer Tradition unbedingt weitergeben. Trotzdem sollen und müssen wir uns modernisieren. Dass wir das können, haben die Liechtensteiner immer wieder bewiesen. Gerade als Kleinstaat ist es wichtig, dass man rechtzeitig und schnell Antworten auf neue Fragen findet. Also zu denjenigen gehört, die mutig auf neue Lösungen setzen. Darum gibt es für mich keinen Widerspruch zwischen Modernisierung und Tradition.

Ministerin

Aurelia Frick (41) hat ein Doktorat in Jura, das Zürcher Anwaltspatent und war Unternehmensberaterin. Dann wurde sie für die Fortschrittliche Bürgerpartei Aussenministerin. Seit März 2009 führt sie das Ressort Äusseres, Justiz und Kultur. Von 2013 bis 2017 war sie auch für Bildung zuständig. Frick ist mit einem Schweizer Banker verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

Aurelia Frick (41) hat ein Doktorat in Jura, das Zürcher Anwaltspatent und war Unternehmensberaterin. Dann wurde sie für die Fortschrittliche Bürgerpartei Aussenministerin. Seit März 2009 führt sie das Ressort Äusseres, Justiz und Kultur. Von 2013 bis 2017 war sie auch für Bildung zuständig. Frick ist mit einem Schweizer Banker verheiratet und Mutter von zwei Kindern.

15 Schlaumereien des Ländles

Gestern hat BLICK aus Anlass des Nationalfeiertags von heute 15 Punkte aufgelistet, die zeigen, wie Liechtenstein von den Nachbarn profitiert.

  1. Trotz EWR-Mitgliedschaft gilt der freie Personenverkehr für Liechtenstein nicht.
  2. Ausländische Fachleute halten die liechtensteinische Wirtschaft am Laufen. Wohnen dürfen sie aber nicht im Ländle.
  3. Das Fürstentum lebt unter dem Schutzschirm der Schweizer Armee.
  4. Die fürstliche Macht ist beinahe grenzenlos. Die Demokratie dagegen eng begrenzt.
  5. Mit Liechtensteiner Handy-Abos zahlt man weder EU- noch Schweizer Roaming-Gebühren.
  6. Die Marke Schweiz gilt auch für Liechtensteiner Produkte.
  7. Mit einer Gesellschaft im Ländle können Transporteure das Kabotage-Verbot in der Schweiz umgehen.
  8. Die hochgerüstete Liechtensteiner Schwarzgeld-Industrie blieb weitgehend ungeschoren.
  9. Im Ländle gibt es keine Autobahn – alle nutzen die A13 auf der Schweizer Seite.
  10. Liechtensteiner zahlen nicht für Schweizer Strassen.
  11. Liechtensteiner sind brillante Kopisten.
  12. Kriminalität wird exportiert: Die bösen Jungs sitzen ihre Strafe in Österreich ab.
  13. Kaum irgendwo ist die Coiffeur-Dichte höher: Liechtensteiner sind eitel.
  14. Sie sind Bildungsmuffel: 2016 besuchten 13-mal mehr Liechtensteiner eine ausländische Uni als eine eigene.
  15. Liechtenstein ist ein Steuerparadies für die Reichen.

Gestern hat BLICK aus Anlass des Nationalfeiertags von heute 15 Punkte aufgelistet, die zeigen, wie Liechtenstein von den Nachbarn profitiert.

  1. Trotz EWR-Mitgliedschaft gilt der freie Personenverkehr für Liechtenstein nicht.
  2. Ausländische Fachleute halten die liechtensteinische Wirtschaft am Laufen. Wohnen dürfen sie aber nicht im Ländle.
  3. Das Fürstentum lebt unter dem Schutzschirm der Schweizer Armee.
  4. Die fürstliche Macht ist beinahe grenzenlos. Die Demokratie dagegen eng begrenzt.
  5. Mit Liechtensteiner Handy-Abos zahlt man weder EU- noch Schweizer Roaming-Gebühren.
  6. Die Marke Schweiz gilt auch für Liechtensteiner Produkte.
  7. Mit einer Gesellschaft im Ländle können Transporteure das Kabotage-Verbot in der Schweiz umgehen.
  8. Die hochgerüstete Liechtensteiner Schwarzgeld-Industrie blieb weitgehend ungeschoren.
  9. Im Ländle gibt es keine Autobahn – alle nutzen die A13 auf der Schweizer Seite.
  10. Liechtensteiner zahlen nicht für Schweizer Strassen.
  11. Liechtensteiner sind brillante Kopisten.
  12. Kriminalität wird exportiert: Die bösen Jungs sitzen ihre Strafe in Österreich ab.
  13. Kaum irgendwo ist die Coiffeur-Dichte höher: Liechtensteiner sind eitel.
  14. Sie sind Bildungsmuffel: 2016 besuchten 13-mal mehr Liechtensteiner eine ausländische Uni als eine eigene.
  15. Liechtenstein ist ein Steuerparadies für die Reichen.
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