Kritik an ihrer Überbrückungsrente – aus der eigenen Partei
Keller-Sutter droht erste Niederlage

FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter will die Kündigungs-Initiative der SVP bodigen. Ein wichtiger Pfeiler dabei: die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose. Doch das passt einigen FDP-Ständeräten gar nicht.
Publiziert: 06.12.2019 um 22:43 Uhr
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FDP-Ständerat Hans Wicki (NW): «Die Überbrückungsrente ist der falsche Ansatz.»
Foto: STEFAN BOHRER
Ruedi Studer

Der Kampf gegen die SVP-Kündigungs-Initiative steht ganz oben auf der Prioritätenliste von FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter (55). Im Parlament sind die Fronten klar: Der Nationalrat hat das Volksbegehren bereits in der Herbstsession gebodigt, der Ständerat wird nächsten Montag folgen.

Um nächstes Jahr auch in der Volksabstimmung zu bestehen, setzt Keller-Sutter auf eine ausgeklügelte Strategie. Dazu gehört ein sozialpolitischer Pflock: Keller-Sutter hat Sozialminister Alain Berset (47) dabei geholfen, Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose im Bundesrat aufzugleisen (siehe Box).

Das will der Bundesrat

Man weiss es seit langem: Menschen, die kurz vor dem Rentenalter ihre Stelle verlieren, haben grössere Schwierigkeiten wieder einen Job zu finden. Ihnen droht die Aussteuerung – und damit der Gang aufs Sozialamt.

Der Bundesrat will nun Gegensteuer geben: Wem nach dem 60. Geburtstag die Aussteuerung droht, der soll bis zum AHV-Alter eine Überbrückungsrente erhalten. Maximal 58'350 Franken pro Jahr soll es für eine Einzelperson geben, für Ehe­paare höchstens 87 '525 Franken. Für alle gibt es die Überbrückungsleistung allerdings nicht.

  • Berechtigt ist, wer mit 58 Jahren oder später seine Stelle verloren, dann 22 Monate Arbeitslosengeld erhalten hat, und dem nun die Sozialhilfe droht.
  • Man muss mindestens 20 Jahre AHV-Beiträge bezahlt haben.
  • Das Vermögen darf maximal 100'000 Franken Vermögen (200'000 Franken bei Ehepaaren) betragen. Selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht ­angerechnet, das Ersparte aus der Säule 3a allerdings schon.
  • Anspruchsberechtigt ist nur, wer keine IV-Rente erhält und auch seine AHV nicht ­vorbezieht.

Der Bundesrat geht davon aus, dass etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf eine Überbrückungsrente haben. Sermîn Faki

Ältere Arbeitslose haben es schwer, wieder einen Job zu finden.

Man weiss es seit langem: Menschen, die kurz vor dem Rentenalter ihre Stelle verlieren, haben grössere Schwierigkeiten wieder einen Job zu finden. Ihnen droht die Aussteuerung – und damit der Gang aufs Sozialamt.

Der Bundesrat will nun Gegensteuer geben: Wem nach dem 60. Geburtstag die Aussteuerung droht, der soll bis zum AHV-Alter eine Überbrückungsrente erhalten. Maximal 58'350 Franken pro Jahr soll es für eine Einzelperson geben, für Ehe­paare höchstens 87 '525 Franken. Für alle gibt es die Überbrückungsleistung allerdings nicht.

  • Berechtigt ist, wer mit 58 Jahren oder später seine Stelle verloren, dann 22 Monate Arbeitslosengeld erhalten hat, und dem nun die Sozialhilfe droht.
  • Man muss mindestens 20 Jahre AHV-Beiträge bezahlt haben.
  • Das Vermögen darf maximal 100'000 Franken Vermögen (200'000 Franken bei Ehepaaren) betragen. Selbstbewohntes Wohneigentum wird nicht ­angerechnet, das Ersparte aus der Säule 3a allerdings schon.
  • Anspruchsberechtigt ist nur, wer keine IV-Rente erhält und auch seine AHV nicht ­vorbezieht.

Der Bundesrat geht davon aus, dass etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf eine Überbrückungsrente haben. Sermîn Faki

Bei Bürgerlichen droht ein Nein

Es ist ein Zückerli für die Gewerkschaften. Und für jene, die monieren, dass durch die Zuwanderung ältere Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden.

Gerade mal drei Tage nach der Kündigungs-Initiative ist die Überbrückungsrente im Ständerat traktandiert. Während das links-grüne Lager klar hinter dem Vorschlag steht, stellt sich die SVP ebenso vehement dagegen. So beantragt SVP-Ständerat Alex Kuprecht (61, SZ), das Paket zu versenken.

Selbst Freisinnige versagen Keller-Sutter den Support

Entscheidend sind damit die Mitteparteien. Doch nun drohen ausgerechnet einige Freisinnige der eigenen Bundesrätin ein Bein zu stellen. Obwohl die FDP in der Vernehmlassung grünes Licht gegeben hat, mehren sich in der Partei die kritischen Stimmen.

Zu den Gegnern gehört etwa der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki (55). «Die Überbrückungsrente ist der falsche Ansatz», sagt der Präsident von Bauenschweiz. «Sie bringt nicht viel, kostet aber viel.» Zuerst müsse das Rentensystem reformiert werden. «Wir müssen dabei dafür sorgen, dass ältere Arbeitnehmer für die Arbeitgeber günstiger werden, indem zum Beispiel die Vorsorgebeiträge mit dem Alter nicht steigen, sondern über das ganze Arbeitsleben hinweg gleich bleiben.»

Erhöhung auf 62 gefordert

Skeptisch zeigt sich auch der neue Zuger Ständerat Matthias Michel (56). «Das Nadelöhr muss sehr eng sein, damit jemand eine Überbrückungsrente beanspruchen kann.» Er fände etwa eine Anhebung der Altersgrenze auf 62 sinnvoll. Als mögliche Alternative sieht er zudem, das bereits heute bestehende Instrument von Einarbeitungszuschüssen für ältere Arbeitslose zu stärken.

Ihn stört auch, dass mit der Überbrückungsrente eine Forderung der Gewerkschaften erfüllt werde, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. «Mindestens erkenne ich diese nicht, vor allem nicht im Hinblick auf das EU-Rahmenabkommen, wo ein Schulterschluss mit den Gewerkschaften wichtig wäre.»

Michel lässt offen, wie er am Schluss stimmen wird. Er ist unter den FDP-Ständeräten nicht der einzige, auch andere sind noch unschlüssig, weil sie den Sozialstaat nicht noch weiter belasten wollen, nur um die SVP-Initiative zu bodigen.

Aussprache am Montag

Noch sind die Meinungen nicht fix, doch am Montag treffen sich die FDP-Ständeräte zur Aussprache. Einer, der an vorderster Front für die Vorlage weibeln wird, ist Ständerat Josef Dittli (62, UR). «Wir müssen in diesem Bereich handeln», sagt er. Die zuständige Sozialkommission habe die Vorlage zudem verschärft. «So müssen sich die Rentenbezüger weiterhin aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen und die Rente als Einkommen versteuern.»

Dieser Meinung ist auch der Aargauer Neo-Ständerat Thierry Burkart (44). «Unsere Unternehmer und Unternehmerinnen entlassen nicht leichtfertig 60-Jährige. Das zeigt sich daran, dass die Arbeitslosenquote der älteren Personen leicht unterdurchschnittlich ist», sagt er. Verlören ältere Personen aber einmal ihre Stelle, sei es für sie deutlich schwieriger, eine neue Anstellung zu finden. Deshalb sollten die Betroffenen nicht unverschuldet als Ausgesteuerte in der Sozialhilfe landen.

Zudem macht Burkart klar, dass die Überbrückungsrente begrenzt sei: «Es sollen nur jene profitieren, die ihr Leben lang gearbeitet und in die Sozialversicherungen einbezahlt haben sowie davor zwei Jahre lang arbeitslos waren. Wenn der Bund sie nicht unterstützt, dann müssen einfach die Gemeinden über die Fürsorge bezahlen.»

Kritik auch aus der CVP

Auf welche Seite die FDP-Mehrheit kippt, bleibt damit offen. Doch das ist nicht das einzige Problem für Keller-Sutter. Auch in der CVP kommen die Gegner aus der Deckung. So unterstützen etwa Brigitte Häberli-Koller (61, TG) und Peter Hegglin (58, ZG) das Nichteintreten.

Häberli befürchtet, dass die Vorlage zum Bumerang wird: «Arbeitgeber können dann quasi ohne schlechtes Gewissen ältere Angestellte aufs Abstellgleis stellen. Das möchte ich nicht», sagt Häberli. Und sie macht klar: «Die Begrenzungs-Initiative lehne ich ab!»

Und der Walliser Ständerat Beat Rieder (56) sagt: «Ich bin mit der Vorlage in dieser Form nicht einverstanden.» Auch die CVP-Standesvertreter werden die Vorlage am Montag intern diskutieren.

«Teures Marketinginstrument»

Die Hürde für das Geschäft ist hoch, da es der Ausgabenbremse untersteht. Das heisst: Eine absolute Mehrheit von 24 Ständeräten muss zustimmen. «Das Ganze ist noch im Fluss. Es könnte knapp werden», glaubt Wicki.

Darauf hofft auch SVP-Ständerat Kuprecht. Seine Partei stellt sich fundamental gegen den Deal. «Die Überbrückungsrente kann bei einer Rezession schnell einmal gegen eine halbe Milliarde Franken kosten», warnt er.

Zudem stört er sich daran, dass mit der Fürsorgeleistung die SVP-Initiative gebodigt werden soll. «Ohne unsere Initiative hätte es diese Schnellvorlage nie gegeben. Das ist ein sehr teures Marketinginstrument mit nachhaltig bleibenden hohen Kosten zur Bekämpfung einer Initiative.» Das sei für ihn «etwas Neues aus dem Bundesratszimmer».

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