Es ist ein Prachtsommer: Sonne und Temperaturen um die 30 Grad beherrschen die Schweiz. Den Bauern macht das anhaltend warme Wetter Sorgen. Vor allem Obst- und Gemüsebauern müssen ihre Kulturen zunehmend bewässern. «Besonders trocken ist es im Kanton Zürich, im Thurgau sowie in Teilen des Berner Oberlands, der Innerschweiz und des Bündnerlands», sagt Sandra Helfenstein, Sprecherin des Schweizer Bauernverbands.
Die Erkenntnis, dass sich das Klima in Europa wandelt, setzt sich auch in der Landwirtschaft durch. In Deutschland hat jüngst der Klimaexperte des grossen Rückversicherers Munich Re Bauern im ostdeutschen Brandenburg empfohlen, auf den Anbau von Oliven umzusatteln – denn das Klima werde dort bald so sein wie heute in Norditalien.
Pfirsiche aus dem Thurgau
Olivenbäume in Norddeutschland – Orangen in der Schweiz? Helfenstein relativiert: «Wir werden sicher nicht so schnell eine Olivenbaumnation.» Aber auch hierzulande passen sich die Landwirte an. Beispiel Aprikosen: Die gab es lange nur im Wallis. Auch Pfirsiche wuchsen nur dort, im Waadtland und im Tessin. «Jetzt können Sie plötzlich Thurgauer Pfirsiche und Aprikosen haben», so Helfenstein. Und Winzer bauen auf einmal Traubensorten an, die es früher nur weiter südlich gab.
Wenn dieser Trend andauert, müsse sich die Landwirtschaft mit dem Anbau von neuen Sorten und mit Getreide befassen, sagt Helfenstein. «Vielleicht pflanzen wir plötzlich Hirse.»
Was aber nicht ohne Probleme wäre: Hirse ist in Afrika sehr verbreitet. Im Gegensatz zu Europa ist es dort aber auch Teil der traditionellen Küche, bei uns aber noch nicht. «Es müssten sich also nicht nur unsere Getreidesorten verändern, sondern auch unser Speiseplan», sagt Helfenstein.
Schweizer Soja
Doch es wird nicht einfach immer wärmer. Vielmehr mehren sich extreme Klimaphänomene. Mal grosse Trockenheit und Hitze wie in den Jahren 2003, 2015 und wie in diesem Jahr. Dann wieder mehr Stürme und Hagel, sehr kalte Winter, oder es regnet einen Sommer lang.
«Wir versuchen, mit resistenteren Züchtungen und besserem Wassermanagement auf die sich verändernde Situation zu reagieren», so Helfenstein. Aber das brauche Jahre. «Und die Klimaveränderung hat nicht nur neue Kulturen, sondern auch neue Schädlinge und Krankheiten im Schlepptau.»
Beim Bauernverband weist man zudem darauf hin: «Sie können nicht einfach von heute auf morgen andere Sachen anpflanzen.» Dazu brauche es jahrelange Züchtung und Anpassung an hiesige Verhältnisse. So gibt es heute sogar Soja aus Schweizer Produktion. Doch man weiss heute, Sojaanbau ist in der Schweiz nur in tiefen und besonders geschützten Lagen Erfolg versprechend.
Dezentrale Forschung ist gefragt
Um herauszufinden, wo der Anbau möglich ist und welche Sorten am aussichtssreichsten sind, ist intensive Forschung nötig: «Gerade weil die Situation in unserem Land so unterschiedlich ist und weil wir nicht nur sehr trockene Jahre, sondern auch kalte Winter und mehr Stürme verzeichnen, ist eine dezentrale aufgestellte Forschungsstelle Agroscope so wichtig», sagt Bauernpräsident Markus Ritter (51).
An die Adresse des für die Landwirtschaft zuständigen Wirtschaftsministers Johann Schneider-Ammann (66, FDP) richtet sich CVP-Nationalrat Ritter: «Statt 20 Prozent einzusparen, sollte der Bund Agroscope stärken, denn wir brauchen diese Forschungseinrichtung, um unsere Landwirtschaft gut aufzustellen.»