Nach zwei Jahrzehnten als Journalistin will Michelle Renaud (44) die Seite wechseln. Sie kandidiert für die BDP in Bern für den Nationalrat: «Ich habe 20 Jahre auf TeleBärn über Politik berichtet. Jetzt möchte ich Verantwortung übernehmen», sagt sie. Und betont: «Ich trete an, weil ich gewählt werden will.»
Wer daran zweifelte, dass sie es ernst meint, den hat Renaud mit ihrem grossen Einsatz in den letzten Wochen überzeugt. «Seit Sommer ist Renaud von Beruf Wahlkämpferin», sagt ein Parteimitglied. Mit ihrem Auto – einem Renault – fehlte sie an fast keiner Veranstaltung.
In Asylfragen rechts der Mitte
Die Bernerin ist zuversichtlich, von ihrer Bekanntheit zu profitieren. «Mir sagen Leute, sie wählten mich, da sie mich aus dem Fernsehen kennen.» Es sei ihr aber auch wichtig, dass man sie wegen ihrer politischen Haltung wähle. «In Asyl- und Ausländerfragen stehe ich eher am rechten Rand der Partei, bei der Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung bin ich genau auf Linie, und mit meiner kritischen Haltung zu Waffenexporten geselle ich mich eher zum linkeren Rand der BDP.»
Die frühere Moderatorin will für ihre Partei den Sitz von Hans Grunder (63) retten, der nicht mehr antritt. Einfach wird das nicht, denn Bern verliert auf die neue Legislatur hin einen Sitz. Weil der Kanton langsamer wächst als andere, stehen ihm nur noch 24 Nationalratssitze zur Verfügung.
Wer rutscht für Simon nach?
Bislang stellt die Berner BDP drei Nationalräte. Mit dem Abgang Grunders, des ersten Parteipräsidenten, fehlt ein Zugpferd auf der Liste. Er hatte vor vier Jahren am meisten Stimmen von allen BDP-Kandidaten gemacht. Neu soll Beatrice Simon (58) der BDP-Liste Schub verleihen. Die Finanzdirektorin kandidiert nicht nur für den Nationalrat. Sie aspiriert auch auf einen Sitz im Stöckli – und hat gute Chancen auf den Sprung in den Ständerat.
Renaud hofft, sich bei der Nationalratswahl hinter Simon einzureihen und nachzurücken, wenn die bisherige Regierungsrätin ins Stöckli kommt. Doch Renaud hat bloss den elften Listenplatz inne. Je weiter hinten jemand auf der Liste rangiert, desto geringer ist seine Chance, gewählt zu werden.
Auch Wüthrich muss zittern
651 Kandidierende wollen in Bern in den Nationalrat. Einen Vorteil haben die 22 Bisherigen. Neben BDP-Grunder treten in Bern auch der frühere SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (65) und SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen (66) nicht mehr an. Viele tippen darauf, dass es die SVP nicht schafft, den Nationalratssitz von Amstutz zu verteidigen. Bangen muss aber auch SP-Nationalrat Adrian Wüthrich (39), der erst im Mai 2018 für den verstorbenen Ex-Stadtpräsidenten Alex Tschäppät (†66, SP) nachrückte.
Durchsetzen muss sich die frühere Journalistin Renaud aber gegen die Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Chancen werden der BDP-Fraktionschefin im Grossen Rat, Anita Luginbühl-Bachmann (59), aber auch dem Berner BDP-Kantonalpräsidenten Jan Gnägi (28) nachgesagt. Während Luginbühl einen Platz vor Renaud auf der Liste figuriert, kommt Gnägi nur auf Listenplatz 16. Die schlechten Listenplätze sind dem Umstand geschuldet, dass die Kandidaten hinter den Bisherigen Lorenz Hess (58) und Heinz Siegenthaler (63) auf der BDP-Liste traditionell in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt werden.
Dieser alte Zopf könnte der BDP den Hals brechen. Denn bei der Kleinpartei wackeln die Sitze von Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (62, ZH) sowie Nationalrat Bernhard Guhl (47, AG). Aber auch Duri Campell (56, GR) darf sich nicht zu sicher sein.
Eine Alternative
Verliert die BDP zwei der drei Sitze in Zürich, im Aargau und in Graubünden tatsächlich, hängt es an den Bernern, ob die BDP noch die fünf zur Fraktionsstärke notwendigen Nationalräte zusammenbringt. Könnte die BDP keine Fraktion mehr bilden, droht der Partei der Untergang.
Renaud, die im Westen der Stadt Bern aufgewachsen ist, aber seit vielen Jahren mit ihrem Mann und der Tochter in der Gemeinde Trub im Emmental wohnt, hofft auch auf Stimmen von SVP-Wählern: «Selbst würde ich mich politisch Mitte-rechts verorten. Ich finde, die BDP sollte in Bern die weniger populistische Alternative zur SVP sein.»
Mag sein, dass sie im Emmental und anderen ländlichen Gegenden des Kantons eher bodenständige Wähler anspricht, in den bevölkerungsstarken Zentren wie Bern und Biel kann sie mit ihrer Linie aber kaum punkten.
Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.
BLICK bietet rund um die Uhr die aktuellsten Informationen zum Wahlkampf, der politischen Themenagenda der Parteien und Kandidaten, der Sitzverteilung im Parlament und den Wahlergebnissen.
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