Der 6. Dezember 1992 hat die Schweizer Politik zerrüttet – mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. Damals sagte das Volk nach turbulentem Abstimmungskampf mit hauchdünner Mehrheit Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Statt auf den EWR setzen die Schweiz und die EU seither auf Bilaterale Verträge. Das von Christoph Blocher (77) erkämpfte EWR-Nein markierte den Anfang des fulminanten Aufstiegs der SVP zur grössten Partei im Land.
SVP dankt den Schweizern
Mit einer umstrittenen Aktion gedachten die SVP-Politiker heute dem Ereignis vor genau einem Vierteljahrhundert. Kurz vor Beginn der Ratsdebatte um 8 Uhr sangen sie von einer Trompete begleitet inbrünstig die Nationalhymne. Und hielten Plakate mit der Aufschrift «Danke Schweiz» in die Höhe. Präsident Albert Rösti (50) gab seinen Mannen den Takt vor.
Die wenigen Politiker der anderer Parteien, die sich bereits im Saal befanden, schauten der Aktion ungläubig zu. Richtig verärgert zeigte sich SP-Nationalrat Corrado Pardini (52), der sich bei Ratspräsident Dominique de Buman (61, CVP) lauthals beschwerte und ihn aufforderte, zu intervenieren.
«Faschisten!»
Dieser eröffnete die Debatte jedoch, als sei nichts geschehen, und ging nicht auf die Aktion ein. Noch nicht. Für Pardini ein Affront: «Die SVP missbraucht den Nationalratssaal für Klamauk und politische Propaganda und zeigt damit einmal mehr, dass ihnen die Institutionen egal sind.»
«Faschisten!», schimpfte Manuel Tornare (66, SP) die SVP-Fraktion. «Das ist eine Besetzung des Parlaments. Wie in der Ukraine. Wie in Russland. Es ist unmöglich und nicht tolerierbar», so der ehemalige Genfer Stadtpräsident. SVP-Chef Rösti hat für die Kritiker nur Spott übrig: «Die SP hätte halt lieber die Internationale gesungen», sagte er lapidar.
«Würde des Saals respektieren»
Die Aktion endete mit einem Rüffel an die Adresse der Volkspartei. Zuerst hat De Buman SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (38) ins Gewissen gesprochen. Und dann im Saal verkündet, die Aktion hätte ohne sein Wissen stattgefunden. «In den Räumlichkeiten des Parlaments sind Veranstaltungen gemäss Artikel 69 des Parlamentsgesetz nicht zulässig.»
De Bumann appellierte an die Ratsrechte, die «Würde des Saals zu respektieren». Aeschi seinerseits hätte sich gerne im Ratssaal erklärt, dies liess de Buman allerdings nicht zu.
Eine ähnliche Aktion hat die SVP bereits vor einem Jahr durchgezogen. Aus Protest gegen die sanfte Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative hielten die SVP-Politiker im Nationalratssaal Plakate mit der Aufschrift «Verfassungsbruch» in die Höhe. Der Coup damals: Das Schweizer Fernsehen übertrug die Debatte – anders als die heutige – live.