Anerkannte Flüchtlinge haben den selben Anspruch auf soziale Sicherheit wie Schweizer Bürger. Eine Andersbehandlung sei nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention zu vereinbaren. Dies hat das Bundesgericht in einem am Freitag veröffentlichten Urteil festgestellt.
Das Gerichtsurteil hatte für reichlich Diskussion gesorgt. Über 250 Kommentare zählt der entsprechende BLICK-Artikel. Gar auf Unverständnis traf der Gerichtsentscheid bei SVP-Nationalrätin Martina Bircher (35). Auf Twitter verkündete die Aargauerin, man müsse sich schon fragen, ob die Flüchtlingskonvention von 1951 noch zeitgemäss sei.
Bircher gelangt an den Bundesrat
Auf Nachfrage sagt Bircher, sie werde in dieser Angelegenheit in der Frühjahrssession, die Anfang März startet, an den Bundesrat gelangen. Sie wolle von der Landesregierung wissen, ob die Konvention, der sich die Schweiz in den Fünfzigerjahren angeschlossen hat, in dieser Form noch zeitgemäss sei.
«Andere Verträge werden ja auch immer mal wieder angepasst. Ich möchte vom Bundesrat wissen, ob er es nicht für prüfenswert hält, eine Revision der Konvention zu fordern», so die SVPlerin.
Schliesslich sei das Sozialwesen noch lange nicht so ausgebaut gewesen wie heute, als sich die Schweiz Mitte der 1950er Jahre der Genfer Flüchtlingskonvention angeschlossen habe. «Als die Schweiz damals ja sagte zur Konvention, ging man bei der Gleichbehandlung von Flüchtlingen und Schweizern noch von ganz anderen Bedingungen aus.»
Aus Sicht Birchers ist die Konvention zudem noch stark von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägt. «Es steht im Text der Konvention, dass Flüchtlinge bei rationierten Mangelwaren gleich wie Einheimische zu behandeln seien. Die Formulierung deutet doch schon darauf hin, dass die Flüchtlingskonvention nicht mehr in allen Teilen zeitgemäss ist.»
Mädchen leben in Frankreich
Für viele besonders stossend war es im konkreten Fall, über den das Bundesgericht entschied, dass es um Kinderrenten für aussereheliche Töchter in Frankreich ging. Ein Mann aus dem Tschad, der 1994 in der Schweiz als Flüchtling anerkannt wurde, bezieht sei 2005 eine IV-Rente. 2016 hatte er dann für seine beiden Töchter in Frankreich Kinderrenten beantragt. Die zuständige IV-Stelle im Kanton Bern lehnte das Gesuch ab, worauf der IV-Rentner vor Gericht ging.
Das Bundesgericht hat die Angelegenheit zurück an die IV-Stelle gewiesen. Diese muss jetzt prüfen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Ausrichtung von Kinderrenten erfüllt sind. Insbesondere muss die Berner Behörde abklären, ob der Betroffene nicht auf seinen Flüchtlingsstatus verzichtet hat und ob die in Frankreich abgegebenen Anerkennungen der Vaterschaft in der Schweiz eine rechtliche Wirkung haben.
Nur wer zahlte, soll profitieren
Noch ist also unklar, ob die beiden Töchter in Frankreich überhaupt jemals Kinderrenten erhalten. Geht es nach Bircher, muss dennoch vor dem Grundsatz, Flüchtlinge seien wie Inländer zu behandeln, der Grundsatz gelten: «Wer von unseren Sozialwerken profitieren will, muss zuerst einmal in diese einbezahlt haben.»
Bircher weiter: «Inländer, also Schweizer und jahrelang in unserem Land lebende Zuwanderer, erfüllen diese Voraussetzung. Wenn eine Spanierin jahrelang in einem Zürcher Coiffeursalon stand und eines Tages wegen eines Verkehrsunfalls im Rollstuhl sitzt, hat sie als IV-Rentnerin natürlich das Recht auf die selben Leistungen wie eine Schweizerin. Aber eben nicht Flüchtlinge, welche nie einzahlten.» (pt)