Keller-Sutter gegen Rücknahme
Schicksal von Schweizer Dschihadisten-Kindern ungewiss

Drei Bundesräte bilden den Sicherheitsausschuss. Dieser diskutiert seit Monaten, was mit den Dschihadistinnen passieren soll, die von unserem Land aus zum Islamischen Staat aufgebrochen und gefangen genommen worden sind. Vor allem: Was geschieht mit deren Kindern?
Publiziert: 22.02.2019 um 14:44 Uhr
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Für die Sendung «10 vor 10» hat ein SRF-TV-Team eine Schweizer Mutter in einem kurdischen Gefangenenlager im Norden Syriens befragt.
Foto: Screenshoot
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Der Fall ist äusserst heikel: Unter den Häftlingen, die im Syrien-Krieg von Kurden gefangen genommen wurden, sind auch Schweizerinnen mit Kindern. Sie hatten sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen.

Um wie viele Frauen und Kinder es sich handelt, dazu sind die Angaben des Nachrichtendienstes (NDB) ungenau. Der NDB geht davon aus, dass ein Dutzend Frauen mit Verbindungen zur Schweiz nach Syrien und in den Irak gereist sind. Das Schweizer Fernsehen SRF sagt, fünf Frauen aus der Schweiz seien dort in Gefangenschaft. Sicher ist laut NDB: Sechs inhaftierte Kinder haben mindestens einen Elternteil mit Schweizer Pass. Insgesamt seien aber mehr als 20 Kinder unter zwölf Jahren mit Bezug zur Schweiz von der Problematik der Dschihad-Reisen betroffen, so der NDB. Genauer will der Nachrichtendienst auch auf Nachfrage nicht werden.

Wie man mit den Dschihad-Reisenden verfahren soll, war schon 2018 Thema im Sicherheitsausschuss des Bundesrats. Diesem gehören die Vorsteher des Verteidigungs-, des Aussen- und des Justizdepartements an.

Dreierausschuss uneins

In alter Zusammensetzung – mit Aussenminister Ignazio Cassis (57, FDP), Verteidigungsminister Guy Parmelin (59, SVP) und Justizministerin Simonetta Sommaruga (58, SP) – gab es im Sicherheitsausschuss unterschiedliche Meinungen darüber, ob man zumindest die Frauen und ihre Kinder zurückholen solle. Zwei Quellen berichten, dass vor allem Sommaruga fürs Zurückholen war.

Allerdings soll die Meinung vorgeherrscht haben, dass es sehr schwierig sei, den jungen Frauen nachzuweisen, dass sie sich an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt haben. Denn angeblich beteuern einige, sie hätten bloss für die IS-Milizen gekocht.

Interne Debatte öffentlich gemacht

Ohne Verurteilung aber fehlt die Grundlage, die Frauen hinter Gitter zu bringen. Der NDB müsste sie beobachten. Weshalb niemand garantieren kann, dass nicht plötzlich eine davon einen Anschlag verübt. Und davor müsse man die Schweizer Bevölkerung schützen. Daher überwog 2018 die Ansicht, dass die Kurden die Gefangenen ja gut behandelten. Man solle die Sache daher ruhen lassen und nicht an die Öffentlichkeit zerren.

Doch genau das hat die neue Justizministerin Karin Keller-Sutter (55, FDP) zum Unmut anderer Departementschefs getan. «Offenbar macht sie lieber Politik und profiliert sich wieder als eiserne Lady, statt dem Land zu dienen», wird in einem anderen bürgerlichen Departement bemängelt. Keller-Sutter hatte zum Westschweizer Radio RTS gesagt, sie ziehe es vor, dass diese Dschihadisten an Ort und Stelle vor Gericht gestellt würden. Und sie erklärte, dass der Bund davon ausgeht, dass auch Kinder betroffen sind.

Für Kritiker gefährdet Keller-Sutter durch ihre Aussagen deren Leben. Denn seit klar ist, dass die US-Truppen aus Syrien abziehen, ist das Thema wieder brandaktuell – und nicht erst, seit der Präsident Donald Trump (72) Europa aufgefordert hat, seine Dschihadisten zurückzunehmen.

Schnelle Rettung der Kinder schwieriger

Denn wenn sich die Kurden im Norden Syriens nach dem US-Abzug mit dem syrischen Herrscher Bashar al-Assad (53) arrangieren müssen, gehört laut Diplomaten zum Deal, dass sie ihre Gefangenen an Assad übergeben. Dann wäre das Leben der Schweizer Staatsbürger gefährdet – selbst das der Kinder. Mit Keller-Sutters Äusserung sei die Möglichkeit erschwert worden, wenigstens Kleinkinder rasch unbürokratisch aus Syrien zu retten.

Denn das war, wie BLICK weiss, im Sicherheitsausschuss mehrfach Thema. Schliesslich könnten die Kinder ja nichts für die Fehler ihrer Eltern. Doch die Mütter wehren sich mehrerer Quellen zufolge dagegen, von ihren Kindern getrennt zu werden. Denn ohne diese sinken die Chancen der Frauen enorm, jemals in die Schweiz zurückzukommen.

Wieweit die Schweiz verpflichtet ist, die Frauen, die teils Schweizer Bürgerinnen sind, zurückzuholen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Doch weit ins bürgerliche Lager sieht man eine moralische Verantwortung den Kindern gegenüber.

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