Kein Zutritt
Lobbyisten müssen draussen bleiben

Die Interessenvertreter wollen zurück ins Parlament. Doch ihr Vorgehen sorgt unter den Ratsmitgliedern für Kopfschütteln.
Publiziert: 31.05.2020 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2021 um 07:41 Uhr
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Normalerweise tummeln sich im Bundeshaus Ratsmitglieder, Lobbyisten, Journalisten und Besucher in der Wandelhalle.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

Sie gehören zum Bundeshaus wie die Ratsmitglieder, Schulklassen und Journalisten: die Lobbyisten. Zu normalen Zeiten tigern sie durch die Wandelhalle, führen mit Parlamentariern halblaute Gespräche und organisieren Anlässe mit gratis Zmittag.

Doch seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie tagt das Parlament nicht mehr im Bundeshaus, sondern in den weitläufigen Hallen der Berner Expo. Damit geht ein neues, striktes Zugangsregime einher: keine Besucher mehr, keine Schulklassen – und keine Lobbyisten.

Klare Worte der Lobbyisten

Die Interessenvertreter, die vom direkten Kontakt zu den Politikern leben, haben an der neuen Regelung wenig Freude. Aus diesem Grund hat die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft (SPAG) kurz vor Beginn der Sommersession dem Parlamentsbüro einen Brief geschickt. Darin verlangt der Lobbyisten-Verband die Aufhebung der Zutrittsbeschränkung für die Interessenvertreter: «Gerne gehen wir (...) davon aus, dass Sie den Zugang auf das BernExpo Gelände während der kommenden Sommersession (...) sicherstellen.»

Der forsche Tonfall der SPAG stösst einigen Parlamentariern sauer auf. SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (54) findet den Brief «unglaublich dreist», wie er sagt. «Derzeit haben noch nicht einmal alle Parteisekretäre Zugang zum Provisorium. Und da meinen die Lobbyisten, sie hätten Priorität?» Ähnlich äussert sich die grüne Nationalrätin Irène Kälin (33). Sie verstehe zwar das Bedürfnis der Lobbyisten, ins Parlament zurückzukehren. Doch sei dies derzeit schlicht nicht möglich.

«Lobbyisten vergreifen sich massiv im Ton»

Doch nicht nur der Anspruch auf eine Rückkehr ins Parlament sorgt bei den Ratsmitgliedern für Kopfschütteln. Sondern auch die Aussage, die Interessenvertreter hätten während des Lockdowns für zahlreiche Parlamentarier «Voten, Anträge [und] Vorstösse» erstellt, «die in unserem Milizsystem zur Bewältigung Ihrer Kommissions- und Sessionsarbeit nötig waren».

Der Versuch des Verbandes, die Wichtigkeit der eigenen Arbeit zu betonen – und damit die Notwendigkeit einer Rückkehr zu unterstreichen – gerät den Ratsmitgliedern in den falschen Hals.

Mit der Behauptung, Vorstösse für Politiker zu verfassen, habe sich die SPAG «massiv im Ton vergriffen», findet SVP-Politiker Büchel. «Falls Ratskollegen tatsächlich eins zu eins Vorstösse einreichen, welche Hintermänner für sie geschrieben haben, so ist das zumindest erstaunlich», sagt der St. Galler. «Wir sind als Volksvertreter gewählt, nicht als Wasserträger von Lobbyisten.»

Scharfe Kritik kommt auch von Grünen-Nationalrätin Irène Kälin. Sie findet die Behauptung, man erstelle für die Ratsmitglieder Vorstösse, «arrogant und aggressiv». «Die Interessenvertreter geben sich damit eine Wichtigkeit, die ihnen nicht ganz zusteht.»

«Natürlich versuchen Verbände immer wieder, uns Parlamentariern Gesetzesänderungen schmackhaft zu machen», sagt Kälin. Damit erreichten sie aber meist jene, die ohnehin auf ihrer Linie seien.

Nicht so gemeint

SPAG-Präsident Reto Wiesli wiederum will seine Formulierung ganz anders verstanden wissen. Das Diktieren von Vorstössen «wäre Affront ein für die Parlamentarier», sagt er, ja, ein solches Vorgehen gar «eine Unterstellung an unsere Adresse».

Die Mitglieder des Verbands böten den Parlamentariern vielmehr eine Dienstleistung, «indem wir sie mit Informationen, Argumenten und Unterlagen versorgen». Was er oder sie daraus mache, entscheide am Ende jedes Ratsmitglied selber.

In einem ist sich Wiesli mit den Politikern Kälin und Büchel indes einig: Als Milizparlamentarier können die Ratsmitglieder nicht über jedes Detail Bescheid wissen. «Es macht deshalb Sinn, dass die Zivilgesellschaft ihre Interessen via Verbände in den parlamentarischen Prozess einbringt», so Wiesli.

Zutritt verweigert

Was aber hat die SPAG mit ihrem Brief nun erreicht? Ihr Ziel, sich ab Dienstag wieder Zugang zum Parlament zu verschaffen, muss sie vorläufig begraben – die Verwaltungsdelegation hat das Anliegen abgelehnt.

Thomas Hefti (60), FDP-Ständerat und Mitglied der Verwaltungsdelegation, erklärt: «Die Zugangsbeschränkungen betreffen nicht nur Lobbyisten, sondern auch persönliche Mitarbeiter und Angehörige der Ratsmitglieder sowie Besucher und Fraktionsmitarbeiter.» Hier eine Grenze zu ziehen, sei fast unmöglich. «Deshalb haben wir beschlossen, die Einschränkungen der Sondersession auch für die Sommersession aufrecht zu erhalten.»

Lobbyisten-Chef Wiesli hält diesen Entscheid für unhaltbar, «insbesondere wenn ab dem 6. Juni das heutige Versammlungsverbot aufgehoben wird». Man werde deshalb nochmals intervenieren und darauf pochen, ab der zweiten Sessionswoche Zugang zu erhalten.

Denn, so Wiesli: «Der Zugang der Zivilgesellschaft zum Parlament ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Ein Parlament, das sich vom Rest der Schweiz abschottet, kann keine Volksvertretung sein.»

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