Kantonen fehlen Polizisten für Grossanlässe
Sion 2026 gefährdet das WEF

Hunderte Polizeikräfte sichern jedes Jahr das Weltwirtschaftsforum ab. Für die Olympischen Winterspiele Sion 2026 müssten wohl Tausende abkommandiert werden. Das bereitet einigen Kantonen Kopfzerbrechen. Sie bringen die Option einer WEF-Verschiebung oder gar -Absage ins Spiel. Auch die oberste Polizistin, Johanna Bundi Ryser, findet die Idee prüfenswert.
Publiziert: 23.03.2018 um 22:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr
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Für Sion 2026 braucht es Tausende Sicherheitskräfte. Das könnte dem WEF einen Strich durch die Rechnung machen.
Foto: KEYSTONE
Ruedi Studer

Es ist eine jahrzehntelange Tradition: Jeweils Ende Januar geben sich Grössen aus Wirtschaft und Politik am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos ein Stelldichein. Einzig 2002  – kurz nach den verheerenden Terroranschlägen – wurde das WEF in New York durchgeführt.

Doch jetzt droht dem Davoser Anlass anderweitig Gefahr: Das Projekt «Sion 2026» – Olympische Winterspiele in der Schweiz – stellt die WEF-Durchführung in Frage. Denn die Winterspiele finden in der Regel im Februar statt.

Kantone warnen vor fast gleichzeitiger Durchführung

Heute Freitag tagt die Konferenz der Kantonsregierungen zu Sion 2026. Doch gleich mehrere Kantone warnen schon in der heute endenden Vernehmlassung vor einer praktisch gleichzeitigen Durchführung der Grossanlässe, die Hunderte oder gar Tausende von Polizeikräften binden. 

So hält der Kanton St. Gallen «explizit» fest, «dass die Gewährleistung der Sicherheit an Olympischen und Paralympischen Spielen absolut undenkbar ist, wenn gleichzeitig ein anderer Grossanlass wie etwa das World Economic Forum in der Schweiz durchgeführt würde.» 

Schaffhausen will nur eigene Polizisten schicken, wenn auf weitere «zeitnahe» Grossanlässe verzichtet wird – und nennt dabei das WEF. Einen solchen Doppeleinsatz könne Schaffhausen «aufgrund des Personalbestandes nicht stemmen».

Graubünden, welches mit St. Moritz einen der Austragungsorte stellen würde, hegt ebenfalls Bedenken. So seien die beiden Anlässe «bezüglich des Datums gut aufeinander abzustimmen». Mit eigenen Kräften könne Graubünden die Sicherheit jedenfalls nicht gewährleisten, weshalb «ein Entlastungskontingent aus anderen Kantonen notwendig sein dürfte».

Polizeilicher Grundauftrag gefährdet

Doch andere Kantone winken mit Blick auf Olympia bereits ab. Luzern warnt, dass der Einsatz von Polizeikräften aus Kantonen ausserhalb der Austragungsorte «nur unter dem Vorbehalt erfolgen kann, dass die Sicherheit innerhalb der einzelnen Kantone dadurch nicht gefährdet wird».

Für Luzern werde es jedenfalls «sehr herausfordernd sein, ein entsprechendes Kontingent zu stellen, ohne dabei die Erfüllung des polizeilichen Grundauftrags zu gefährden». Und auch Baselland fragt sich, ob die Kantonspolizei «ihren Beitrag im geforderten Umfang des Personalaufwands leisten kann».

Oberste Polizistin teilt die Besorgnis

Johanna Bundi Ryser (55), Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter, teilt die Besorgnis. «Sowohl das WEF als auch Olympische Winterspiele binden grosse Personalressourcen – und das jeweils über einen längeren Zeitraum. Das wäre eine grosse Herausforderung», sagt die oberste Polizistin.

Daneben müssten nämlich auch die alltäglichen Polizeiaufgaben sichergestellt werden. Zusätzlich müssten Eventualsituationen wie etwa ein Terroranschlag oder sonstige Bedrohungslagen in die Planung einfliessen.

WEF-Verschiebung «genau prüfen»

«Da stellt sich die Frage: Woher will man all die Polizistinnen und Polizisten nehmen?», so Bundi Ryser. Und warnt auch gleich: «Auf private Sicherheitskräfte, die nicht genügend geschult sind, sollte man auf keinen Fall zurückgreifen. Und auch ausländische Polizeikräfte wie an der Fussball-EM 2008 sollten die Ausnahme bleiben.»

Das WEF zugunsten Olympischer Winterspiele also verschieben oder gar absagen? «Das muss die Politik entscheiden. Es ist aber sicher eine Option, die man genau prüfen muss», sagt Bundi Ryser. «Beide Anlässe fast gleichzeitig polizeilich abzudecken, wäre schwierig und würde für die Polizistinnen und Polizisten eine enorme Zusatzbelastung bedeuten.»

Bundesrat will Fragen beantworten 

Beim WEF lässt man die Frage nach einer möglichen Verschiebung vorerst unbeantwortet und verweist an die zuständigen Behörden. Eine entsprechende Anfrage beim VBS von Bundesrat Guy Parmelin (58) wird vom Bundesamt für Sport beantwortet.

In der Vernehmlassung würden viele verschiedene Fragen aufgeworfen, so Sprecher Christoph Lauener (55). «Es ist nicht möglich, diese jetzt zu beantworten.» Im Verlauf des politischen Prozesses werde man das aber noch tun. Der Bundesrat wird voraussichtlich Ende Mai seine Botschaft zu Sion 2026 vorlegen.

Kantone sagen «Ja, aber» zu Sion 2026

Im Nationalrat hat das Projekt «Sion 2026» einen herben Dämpfer erhalten: Olympische Winterspiele in der Schweiz soll es nur geben, wenn das Stimmvolk in einer nationalen Volksabstimmung grünes Licht dazu gibt, meint die grosse Kammer.

Doch nicht nur aus Bundesbern, auch in den Kantonen ist der olympische Funke noch nicht vollends übergesprungen. Das zeigt eine BLICK-Auswertung der Vernehmlassungsantworten zum Olympia-Projekt.

Totalopposition gegen Sion 2026 kommt vor allem aus der Innerschweiz. Schwyz und Zug lehnen die Kandidatur ab. Die Spiele kosteten in der Regel mehr und würden wirtschaftlich weniger bringen als versprochen, moniert Schwyz. Zudem könne das Geld anderweitig besser eingesetzt werden, und der Support aus der Bevölkerung fehle. Insgesamt erachtet der Kanton das Projekt Sion 2026 als «nicht prioritär». Und Zug hält es für «überdimensioniert».

Grosse Skepsis kommt auch aus Nidwalden und Basel-Stadt. Statt solcher «Mammutanlässe» solle die Schweiz lieber Europa- und Weltmeisterschaften in einzelnen sportlichen Disziplinen durchführen – das sei «nachhaltiger und sinnvoller», findet Basel.

Grundsätzlich positiv – mit Vorbehalten

Die meisten Kantone stehen Sion 2026 zwar grundsätzlich positiv gegenüber, doch es werden allerlei Vorbehalte angebracht. Kantonale Gelder für Olympia wollen die wenigsten lockermachen. Und die Olympia-Milliarde darf auch nicht anderweitig zu ihren Lasten gehen, etwa durch Sparmassnahmen in anderen Bereichen. 

In Zurückhaltung übt sich – nach zwei ablehnenden Volksabstimmungen im Kanton – Graubünden. Zwar stehe man mit St. Moritz als Austragungsort zur Verfügung, aber nicht als offizieller Durchführungskanton. Man will sich daher auch nicht an weitergehenden Kosten beteiligen. 

Verschiedene Kantone sprechen sich zudem für eine nationale Volksabstimmung aus – etwa Basel-Stadt und Obwalden. (rus)

Im Nationalrat hat das Projekt «Sion 2026» einen herben Dämpfer erhalten: Olympische Winterspiele in der Schweiz soll es nur geben, wenn das Stimmvolk in einer nationalen Volksabstimmung grünes Licht dazu gibt, meint die grosse Kammer.

Doch nicht nur aus Bundesbern, auch in den Kantonen ist der olympische Funke noch nicht vollends übergesprungen. Das zeigt eine BLICK-Auswertung der Vernehmlassungsantworten zum Olympia-Projekt.

Totalopposition gegen Sion 2026 kommt vor allem aus der Innerschweiz. Schwyz und Zug lehnen die Kandidatur ab. Die Spiele kosteten in der Regel mehr und würden wirtschaftlich weniger bringen als versprochen, moniert Schwyz. Zudem könne das Geld anderweitig besser eingesetzt werden, und der Support aus der Bevölkerung fehle. Insgesamt erachtet der Kanton das Projekt Sion 2026 als «nicht prioritär». Und Zug hält es für «überdimensioniert».

Grosse Skepsis kommt auch aus Nidwalden und Basel-Stadt. Statt solcher «Mammutanlässe» solle die Schweiz lieber Europa- und Weltmeisterschaften in einzelnen sportlichen Disziplinen durchführen – das sei «nachhaltiger und sinnvoller», findet Basel.

Grundsätzlich positiv – mit Vorbehalten

Die meisten Kantone stehen Sion 2026 zwar grundsätzlich positiv gegenüber, doch es werden allerlei Vorbehalte angebracht. Kantonale Gelder für Olympia wollen die wenigsten lockermachen. Und die Olympia-Milliarde darf auch nicht anderweitig zu ihren Lasten gehen, etwa durch Sparmassnahmen in anderen Bereichen. 

In Zurückhaltung übt sich – nach zwei ablehnenden Volksabstimmungen im Kanton – Graubünden. Zwar stehe man mit St. Moritz als Austragungsort zur Verfügung, aber nicht als offizieller Durchführungskanton. Man will sich daher auch nicht an weitergehenden Kosten beteiligen. 

Verschiedene Kantone sprechen sich zudem für eine nationale Volksabstimmung aus – etwa Basel-Stadt und Obwalden. (rus)

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