Nationalrätin Jacqueline Badran (SP) ist wütend. Richtig wütend. Dabei ist das Thema, um das es geht, für schweizerische Verhältnisse eigentlich recht unemotional – es geht um die Wasserversorgung.
Das Zürcher Kantonsparlament befürwortete vergangene Woche, dass künftig ein Drittel der Wasserversorgung in privater Hand sein darf. Darüber empört sich Badran: «Es ist unverantwortlich und ökonomisch falsch, etwas so Wichtiges wie die Wasserversorgung ohne Not aus der Hand zu geben», sagt sie.
Für Christian Schucan (FDP) hingegen, der den Kommissionsvorschlag vertrat, ist die Gesetzesänderung keine grosse Sache. Im Gegenteil: Er sieht nur Vorteile.
Mehr Erfahrung mit der Privatisierung von Wasser als die Zürcher haben andere europäische Städte, London zum Beispiel oder Paris. Aber man braucht gar nicht so weit zu gehen. Ein Mail nach Stuttgart (D) genügt. Und die Antwort kommt postwendend. Sie ist lang. Kurz zusammengefasst schreibt Barbara Kern von der Bürgerbewegung Wasserforum Stuttgart: «Eine Teilprivatisierung ist ein grosses Problem. Auch wenn der private Konzern nur ein Drittel der Anteile hält.»
Damit nämlich könne der private Konzern Investitionen ins Wassernetz blockieren oder höhere Preise durchsetzen. Ausserdem ändere sich mit einer Teilprivatisierung der Charakter einer Einrichtung – sie tendiere zum Gewinnstreben. Die Bürger liefen damit Gefahr, die demokratische Kontrolle über die mit ihren Steuergeldern aufgebaute Wasserversorgung zu verlieren.
Negative Folgen in Stuttgart
Kern hat miterlebt, wie die Wasserversorgung in Stuttgart schrittweise privatisiert wurde. Die Folgen: Personal wurde entlassen, die Infrastruktur vernachlässigt, der Wasserpreis angehoben. Nun kämpfen die Stuttgarter darum, die Versorgung wieder in die eigenen Hände zu bekommen.
Zurück nach Zürich. Hier könne es nie passieren, dass die Menschen die Kontrolle über ihr Trinkwasser verlieren, ist Schucan überzeugt: «Eine teilweise private Finanzierung ermöglicht Strukturen, die weiterhin günstiges Wasser liefern und moderne Infrastrukturen betreiben.» Überhaupt: «Ein privater Investor dürfte ohnehin kein Geld abschöpfen. Gewinne müssten reinvestiert werden.»
Das macht stutzig: Warum sollte jemand Geld investieren, wenn für ihn nichts dabei herausspringt?
Schucan kann darauf keine schlüssige Antwort geben. Er spricht von Kooperationen. Im Vordergrund stehen dabei Unternehmen, die Strom, Gas oder Wärmeenergie liefern. In Stuttgart übrigens heisst die Besitzerin der Wasserversorgung EnWB – und ist ein riesiger Stromkonzern.
Peter Hettich, Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, sagt: «Ein privater Investor erwartet immer Rendite.» Wer so tut, als sei das nicht so, betrüge sich selber. Eine mögliche Form der Rendite sei die Verzinsung des Eigenkapitals. Grundsätzlich wäre für Hettich eine Privatisierung denkbar, wenn der Staat die finanziellen Mittel für die Wasserversorgung nur mit Mühe aufbringen kann oder wenn das Know-how dafür fehlt.
Das aber dürfte im Kanton Zürich wohl kaum der Fall sein.
Wichtig findet der Professor, dass Gemeinden genau regeln, was sie vom privaten Investor erwarten. Hettichs Fazit: «Solange es dem Gemeinwesen gelingt, die Wasserversorgung selber zu organisieren, sehe ich keinen Grund für eine Privatisierung.» Er glaubt aber, dass eine Privatisierung für die meisten Gemeinden ohnehin nicht infrage komme, weil sie ihre Versorgung gut selber organisieren können.
Bleibt die Frage: Wer hätte überhaupt Interesse daran, in Wasser zu investieren?
Für Hettich könnten es Pensionskassen oder Versicherungen sein, die nach langfristigen, sicheren Investitionen suchen.
Das wiederum findet Jacqueline Badran inakzeptabel: «Die Politik ist nicht dazu da, Konzernen sichere Anlagemöglichkeiten zu bieten!» Vielmehr sei es Aufgabe der Politik, für die Bevölkerung einen sicheren und günstigen Zugang zu Trinkwasser zu gewährleisten.»
Lisa Krebs ist Koordinatorin der Blue-CommunityInitiative in der Schweiz. Das Netzwerk wurde gegründet von Maude Barlow, Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Verfechterin der Idee, dass Wasser niemandem gehört, sondern in der Verantwortung aller liegt: «Werden Private an der Wasserversorgung beteiligt, besteht die Gefahr, dass Wasser zur Ware wird», sagt Krebs.
Es sei eine grosse Leistung der Schweiz, dass die Mehrheit des Wassers öffentlich verwaltet wird und alle Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser haben. Die Eidgenossenschaft sei damit weltweit ein Vorbild. «Wir respektieren, dass es Ressourcen wie Luft und Wasser gibt, die als Erbe der Menschheit betrachtet werden müssen.»
Zürcher Salamitaktik?
Über die Trinkwasserqualität im Land wacht der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches. Mediensprecher Christoph Meier verfällt wegen der Zürcher Strossrichtung in Sachen Wasser nicht in Panik. Vor allem, weil es heute schon vereinzelt Wasserversorgungen gibt, deren Betreiber privatrechtlich organisiert sind. Meier fragt sich aber, welches Signal von Zürich ausgesendet werde. «Ist das eine Art Salamitaktik? Ein erster Schritt in Richtung vollständiger Privatisierung?»
Im Kanton Freiburg ging man vor sieben Jahren in die entgegengesetzte Richtung: Privaten Investoren wurde der Zugang zur Wasserversorgung verboten. Die Freiburger bewiesen damit, dass sie wissen, worum es geht: Wasser wird immer stärker zur umkämpften Ressource auf diesem Planeten.
Die Grünen des Kantons Zürich sehen jedenfalls eine rote Linie überschritten. Falls die Bürgerlichen im Kantosparlament auch bei der zweiten Lesung nicht von ihrem Kurs abweichen, wollen sie das Referendum ergreifen.