Jetzt kontert Grünliberalen-Chef Grossen die Levrat-Attacke
«Die GLP muss das Zünglein an der Waage werden»

SP-Chef Christian Levrat (48) attackiert die GLP als «grünes Feigenblatt» der Rechten. GLP-Präsident Jürg Grossen (49) will nun seine Partei zum Zünglein an der Waage machen. Doch auch er betont: «Die FDP/SVP-Mehrheit im Nationalrat muss tatsächlich fallen.»
Publiziert: 02.04.2019 um 13:52 Uhr
|
Aktualisiert: 17.07.2019 um 19:16 Uhr
1/13
Bei den Wahlen in Zürich war die GLP die strahlende Siegerin – was auch dem Co-Präsidium der GLP-Kantonalpartei mit Corina Gredig (links) und Nicola Forster anzusehen ist.
Foto: Keystone
RMS_Portrait_AUTOR_1047.JPG
Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

BLICK: Herr Grossen, wie fühlt man sich als grünes Feigenblatt der Rechten?
Jürg Grossen: Ich nehme den Angriff von Herrn Levrat gelassen. Nach den Wahlerfolgen in Zürich und Luzern hat uns die FDP als Linke hingestellt, jetzt bezeichnet uns Levrat als Rechte. Das zeigt doch: Wir sind genau richtig positioniert. Als grünliberale Mitte.

Na ja, immerhin propagiert GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley in der Waadt einen bürgerlichen Pakt gegen die Linke – inklusive SVP, die den menschgemachten Klimawandel in Abrede stellt.
Es ging hier um den Regierungsrat in Waadt. Beim Nationalrat haben wir keine Listenverbindungen mit der SVP. Wenn es um Listenverbindungen geht, stehen nicht inhaltliche, sondern mathematische Überlegungen im Vordergrund. Zudem macht die SP ein «Päckli» mit der SVP und ist mit Nationalrat Corrado Pardini zwei Mal an der Seite von Christoph Blocher gegen die Weiterentwicklung der Bilateralen in der «Arena» aufgetreten.

Trotzdem: Mathematik kommt vor der Moral?
Nein, das Problem ist das für kleine Parteien unfaire Wahlsystem. Die grossen Parteien werden bevorteilt, das versuchen wir mit Listenverbindungen zu korrigieren. In Luzern haben wir eine Listenverbindung mit SP und Grünen gemacht – und damit den Grünen zu mindestens einem zusätzlichen Sitz verholfen!

Die GLP politisiert in der Sozialpolitik aber deutlich rechts der Mitte. Sie fordern eine 500-Franken-Franchise oder Rentenalter 67. Levrat spricht von einer «sozialen Eiszeit».
Levrat pickt einzelne Punkte heraus und sieht das Ganze nicht mehr. Man merkt, dass er nicht mehr im Nationalrat, sondern im Ständerat politisiert – und die Übersicht darüber verloren hat, was im Nationalrat läuft. Von einer sozialen Eiszeit kann bei den Grünliberalen keine Rede sein.

Entkräften Sie den Vorwurf!
So wollen wir zum Beispiel bei den Pensionskassen den Koordinationsabzug senken, was tieferen Einkommen zu mehr Rente verhilft. Auch die Kita-Finanzierung haben wir unterstützt. Was aber stimmt: Wir wollen die Eigenverantwortung und das Preisbewusstsein der Versicherten stärken – wie bei den höheren Franchisen. Wir stehen zu unserem Sozialsystem, wollen aber die richtigen Anreize setzen.

In der Wirtschaftspolitik wiederum drängen Sie auf eine rasche Liberalisierung, etwa bei den Arbeitszeiten.
Die Digitalisierung hat doch enormen Einfluss auf neue Arbeitsformen, das müssen wir als Chance erkennen. Die SP hingegen ist in Arbeitsfragen eine stoisch konservative Partei, die alte Strukturen zementieren will, obwohl sich die Welt um sie herum rasant verändert. Ein weiteres Beispiel sind digitale Buchungsplattformen, denen die SP Steine in den Weg legen will. Das sind wir tatsächlich offener unterwegs.

SP-Chef Levrat sagt der GLP jedenfalls den Kampf an. Er will die SVP/FDP/GLP-Mehrheit brechen. Fürchten Sie, dass er das schafft?
Entscheidend ist, dass wir eine neue Mehrheit für den Klima- und Umweltschutz und die Weiterentwicklung der Bilateralen erreichen. Dazu muss die FDP/SVP-Mehrheit im Nationalrat tatsächlich fallen. Dafür muss vor allem die fortschrittliche Mitte zulegen, wobei der GLP eine entscheidende Rolle zukommt. Die GLP muss zum Zünglein an der Waage werden. Wir treten in 19 Kantonen an. Ich will die 6-Prozent-Hürde überspringen und im Nationalrat mindestens zehn Sitze holen – vielleicht liegen sogar noch zwei, drei mehr drin. 

Levrat erwartet einen Linksrutsch. Und Sie?
Ich hoffe auf einen Klima-Rutsch! Wir müssen in der Klimapolitik endlich vorwärtskommen. Da stört es mich auch nicht, wenn die Linke ein bisschen zulegt – solange sie dies nicht auf unsere Kosten tut. 

Müssten Sie nicht eine gemeinsame Klima-Allianz mit SP und Grünen schmieden – auch mit Listenverbindungen?
Entscheidend ist die Klima-Allianz im Parlament. In einzelnen Kantonen wird es aber auch Listenverbindungen mit SP und Grünen geben – etwa in Luzern –, in den meisten Kantonen jedoch mit CVP, BDP und EVP.

Stichwort Klimaschutz: Die SP fordert einen 12-Miliarden-Franken-Plan für den Ausbau der Solarenergie. Ziehen Sie da mit?
Es braucht jetzt tatsächlich einen grossen Wurf für die erneuerbaren Energien, um die beschlossene Energiestrategie umzusetzen. Ich diskutiere mit der SP, aber auch mit CVP und FDP gerne über neue Massnahmen. Es kann aber nicht das Ziel sein, einfach nur möglichst viel Geld auszugeben. Es braucht primär richtige Anreize und gute Rahmenbedingungen für Cleantech.

Was sind denn Ihre Lösungsansätze für das Klima?
Wir müssen wirtschaftliche Anreize setzen. Wichtig ist, dass auf den bestehenden Gebäudeflächen Solarenergie zugebaut wird, den die Produzenten und auch die Mieterinnen und Mieter gleich selber – unter dem eigenen Dach – nutzen können. Es gibt nichts Effizienteres.

DCX STORY: doc74r1fvoeiz9x455yejr [Jürg Grossen nimmt es sportlich]
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?