Im Wahlkampf versprach der Tessiner (zu) viel
Leuthard und Juncker stellen Cassis ins Abseits

Von wegen Reset und Neustart: Bis im Frühling wollen die Schweiz und die EU das Rahmenabkommen fertig verhandeln. Dieses soll den bisher über 120 bilateralen Verträgen ein rechtliches Dach geben.
Publiziert: 23.11.2017 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:21 Uhr
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Beste Freunde: Bundespräsidentin Doris Leuthard und EU-Kommisionspräsident Jean-Claude Juncker setzten alles daran, Differenzen zu überspielen.
Foto: Karl-Heinz Hug
Andrea Willimann

Bis im Frühling will der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU aushandeln. Das heisst: Der neue Aussenminister Ignazio Cassis (56) ist von seinen Kollegen offensichtlich nicht erhört worden. Hatte er im September im Wahlkampf angekündigt, den «Reset-Knopf» drücken und sich bei den Verhandlungen auf jene Elemente konzentrieren zu wollen, die zwischen der Schweiz und der EU unbestritten sind, ist jetzt «Forward» im Schnelldurchlauf angesagt.

Freundschaftsvertrag brächte der Schweiz Rechtssicherheit

Die Schweiz und die EU seien sich einig, dass sie sich bis im Frühjahr einigen wollen über den «Freundschaftsvertrag», wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (62) das Rahmenabkommen nennt. Wenigstens hier in Anlehnung an Cassis, der sich ebenfalls eine andere Bezeichnung wünschte.

Bundespräsidentin Doris Leuthard (54) betonte, warum die Schweiz vorwärtsmachen will. «Dieses Rahmenabkommen ist wichtig, um dem Marktzugang, den die Schweiz zur EU hat, einen Rechtsrahmen zu geben.» Es bringe gemeinsame Spielregeln, sodass die Schweiz nicht bei jeder Rechtsentwicklung nachverhandeln müsse. 

Bundespräsidentin stapelt bei den Differenzen tief

Die Ankündigung des Vertragswerks auf Frühling 2018 erstaunt. Denn die Streitpunkte sind die alten. Und der Eiertanz an den roten Linien der beiden Verhandlungspartner geht unvermindert weiter. Auch wenn Leuthard tiefstapelte, dass nur in zwei, drei Bereichen Differenzen bestünden.

Doch die sind gewichtig: Es geht um die Regelung staatlicher Subventionen sowie um die Frage, wer entscheiden soll, wenn es bei der Auslegung eines Vertrags Streit zwischen Brüssel und Bern gibt.

Und die Guillotine-Klausel?

In Cassis' Partei, der FDP, ist man denn auch skeptisch: «Die Differenzen betreffen komplexe, zentrale Fragestellungen. Da darf man nichts überhasten, sondern es braucht eine sorgfältige Auslegeordnung», findet Parteichefin Petra Gössi (41). Gerade mit Blick auf den Brexit, aus dem sich für die Schweiz neue Möglichkeiten ergeben könnten. Und Gössi erinnert an weitere offen Fragen: «Was ist mit der Guillotine-Klausel, die bei Auflösung gewisser bilateraler Verträge alle anderen zu Fall kommen liesse?» Vor seiner Wahl hatte Cassis gesagt, sein Ziel sei, diese wegzubekommen.

All das zeigt: Ein Scheitern des Abkommens ist weiterhin möglich. Dazu sagte Juncker diplomatisch: «Das trüge den ausgezeichneten Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz in ungenügender Weise Rechnung.»

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