Toni Brunner (44) hat genug. Nach 23 Jahren tritt er als Nationalrat zurück. Im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» verkündet der ehemalige SVP-Präsident, dass der Nationalratspräsident heute Samstag sein Rücktrittsschreiben erhalten werde.
«Ich trete auf Ende Jahr als Nationalrat zurück. Ich habe es gesehen. Meine schönste Zeit mit dem Amt als SVP-Präsident habe ich hinter mir. Irgendwann wird auch der Politbetrieb in Bern repetitiv», lässt sich Brunner zitieren.
Mehr Zeit für Familie und den Bauernhof
Seine Familie, sein Bauernhof und der Landgasthof seien neben der Politik immer etwas zu kurz gekommen. Er werde nun seine letzte Session in Angriff nehmen, womit sich ein Kreis schliesse. Brunners erste Session war im Dezember 1995.
Das sei damals wie ein «Sprung ins Haifischbecken» gewesen, sagte Brunner der Zeitung: «Ich war ein kleiner Fisch und musste darauf achten, dass ich nicht schon früh lädiert wurde und blutete, sonst hätte man mich aufgefressen».
Abrechnung mit Widmer-Schlumpf und Schmid
Mittlerweile ist Brunner vom kleinen Fisch selber zum Hai geworden. Im Interview mit der «Schweiz am Sonntag» rechnet der 44-Jährige mit der ehemaligen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ab, die sich gegen den Willen der SVP-Führung zur Bundesrätin wählen liess, was im Jahr 2008 die Abspaltung der BDP zur Folge hatte: «Für mich war respektlos, was Widmer-Schlumpf gemacht hat. Wenn man hinter dem Rücken der eigenen Leute mit dem Gegner kooperiert. Es ging ihr um das eigene Ego und nicht um das Wohl des Landes.»
Auch Alt-Bundesrat Samuel Schmid, der im Zuge der Widmer-Schmid-Affäre von der SVP in die BDP wechselte, kriegt sein Fett ab. Schmid habe ständig etwas zu meckern und zu kritisierten gehabt.
Einst jüngster Nationalrat aller Zeiten
Grundsätzlich scheint sich Brunner an der heutigen Arbeitsweise der Politik zu stören: «Was ich generell in der Politik vermisse, ist die Authentizität. Ich kam so jung in die Politik, dass gar keine Zeit blieb, um mir eine Rolle zurechtzulegen», sagte er im Interview. «Ich habe gar nie gelernt, mich diplomatisch auszudrücken. Redete, wie mir der Schnabel gewachsen ist.»
Der heute 44-jährige Brunner wurde 1995 als jüngster Nationalrat aller Zeiten gewählt. Er war damals 21 Jahre alt. Hätte er die nächste Legislatur in einem Jahr angetreten, wäre er der jüngste Alterspräsident geworden.
Viele Erfolge...
Von 2008 bis 2016 war Brunner Präsident der grössten Partei der Schweiz. Unter ihm erreichte die SVP bei den Parlamentswahlen 2011 mit 29,4 Prozent ein Rekordergebnis. Auch ein weiteres Ziel des Toggenburgers, einen SVP-Bauern in der Landesregierung zu stellen, erfüllte sich mit der Wahl des Waadtländers Guy Parmelin.
Während seiner Parteipräsidentschaft wurden die Ausschaffungsinitiative, die Masseneinwanderungsinitiative, die Selbstbestimmungsinitiative und die Durchsetzungsinitiative lanciert.
...aber auch Niederlagen
Doch nach so vielen Jahren stehen all den Siegen auch manche Niederlagen gegenüber. Zweimal scheiterte Brunner bei den St. Galler Ständeratswahlen, 2011 an Gewerkschaftsbund-Präsident Paul Rechsteiner (SP). «Es weht ein SP-Lüftchen durchs Land», kommentierte Brunner damals die Wahlniederlage.
Im Nationalrat sass Brunner zwar stets sicher im Sattel, konnte sich aber nicht wirklich als Sachpolitiker auszeichnen. Das liess sich an seinen Vorstössen im Parlament und seinem halbherzigen Engagement in den Kommissionen ablesen.
Bundesrat wollte Brunner, der Bauernsohn aus Ebnat-Kappel, nie werden. Auch wenn ihn Blocher und andere immer wieder als idealen Kandidaten sahen, war seine Antwort stets ein klares Nein. Als Stolperstein für den Instinktpolitiker galten vor allem seine mangelnden Sprachkenntnisse.
Für die SVP gekämpft
Brunner bewies dagegen bereits früh, dass er etwas von politischer Feldarbeit versteht. Mit Christoph Blocher, Ueli Maurer und Caspar Baader gehörte er zum Kreis der Unermüdlichen, die für die Sache der SVP durch die Sääli und Mehrzweckhallen der Schweiz tingelten.
Tradition, aussenpolitische Abschottung, Skepsis gegenüber dem Staat und Fremden: Brunner vertrat solche Positionen nicht nur, er verkörperte sie als Landwirt, als Mitbesitzer des Landgasthofs Sonne - Haus der Freiheit und Initiant eines Ländler-Radios. Diesen Dingen will er nach der Politik vermehrt Zeit widmen.
Wie auch seinem Liebesleben. Brunner ist mit Esther Friedli liiert. Die PR- und Politikberaterin führte vom heimischen Hof aus zum Beispiel den Wahlkampf von «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel. Aktuell ist sie Parteisekretärin der SVP des Kantons St. Gallen.
(vof/SDA)