Ioane Teitiota hat verloren. Endgültig. Durch sämtliche Instanzen hat sich der dreifache Familienvater aus dem Pazifik-Inselstaat Kiribati gekämpft – bis nach Genf. Doch auch vor dem Uno-Menschenrechtsausschuss, der in der Schweiz seinen Hauptsitz hat, ist Teitiota abgeblitzt.
Für Menschenrechtsorganisationen ist das Urteil des Uno-Gremiums, das jetzt »bekannt geworden ist, trotzdem ein Erfolg – und was für einer! Die Vereinten Nationen selbst sprechen von einem «historischen Fall». Die Nichtregierungsorganisation Amnesty International von einem «wegweisenden Urteil». Denn im Entscheid heisst es, dass Klimaflüchtlinge ein Recht auf Schutz haben. Das bedeutet, dass sie nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden dürfen, wenn ihr Leben dort wegen des Klimawandels in Gefahr ist. Es ist das erste Mal, dass ein internationales Organ den Schutz festhält.
Es handle sich um «einen weltweiten Präzedenzfall», sagt Beat Gerber, Sprecher von Amnesty Schweiz. «Das Urteil stärkt die Rechte von Klimaflüchtlingen und dürfte es in Zukunft einfacher machen, eine unmittelbare Gefahr im Fall einer Abschiebung zu begründen.»
Angst, dass die Heimat überschwemmt wird
Der auf einer kleinen Insel auf Kiribati aufgewachsene Teitiota war 2007 nach Neuseeland geflohen. Er stellte ein Asylgesuch mit der Begründung, wegen des steigenden Meeresspiegels in seiner Heimat in Gefahr zu sein. Die neuseeländischen Behörden lehnten das Gesuch ab, ebenso wie sämtliche Gerichte.
Und so landete der Fall schliesslich vor dem Ausschuss in Genf, der die Einhaltung des Uno-Zivilpakts überwacht. Dieser hält die wichtigsten Menschenrechte fest, zum Beispiel das Recht auf Leben. Doch auch er kam zum Schluss: In Teitiotas Heimat gebe es genügend Schutzmechanismen für die Bevölkerung. Das Leben des Mannes sei zu wenig akut bedroht, dass Neuseeland ihn aufnehmen müsste.
Warnung vor «Millionen Klimaflüchtlingen»
Nicht nur der steigende Meeresspiegel kann Menschenleben bedrohen. Die Buschfeuer in Australien und die Dürre im Süden Afrikas heizen die Diskussion um den Fluchtgrund Klimawandel ebenfalls an.
Das Thema wurde auch am WEF, das diese Woche in Davos stattfindet, diskutiert. Der Chef des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge sprach Klartext. Die Welt müsse sich auf Millionen von Klimaflüchtlingen gefasst machen, sagte Filippo Grandi (63) am Dienstag. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters nahm er zudem zum Uno-Entscheid Stellung. Das Urteil habe für Regierungen weitreichende Auswirkungen, meinte er.
Der renommierte Menschenrechtsexperte und emeritierte Völkerrechtsprofessor Walter Kälin (68) stimmt dem teilweise zu. «Gerade für Staaten, die keinen regionalen Menschenrechtsgerichtshof haben, ist der Entscheid des Menschenrechtsausschusses wichtig und kann künftige Urteile beeinflussen», sagt er zu BLICK. Dennoch stelle das Urteil nicht alles auf den Kopf, betont er. Einzelne Staaten hätten bereits in der Vergangenheit entschieden, dass man Personen, die wegen des Klimawandels akut bedroht sind, nicht einfach zurückschicken darf.
Keine Anpassung der Flüchtlingskonvention
Auch eine Erweiterung der Flüchtlingskonvention ist laut Kälin derzeit politisch völlig unrealistisch – und sie sei auch gar nicht das richtige Mittel. «Die meisten Experten sind sich einig, dass die Flüchtlingskonvention das falsche Instrument ist, um das Problem von Klimaflüchtlingen zu lösen. Denn sie schützt nur Menschen, die verfolgt werden. Das ist bei Naturkatastrophen und dem Klimawandel nicht der Fall.»
Besser sei es, wenn man die Menschenrechte als Grundlage nehme. «So, wie das der Uno-Ausschuss jetzt getan hat.»
«Die Klimakrise ist Realität»
Selbst wenn der Entscheid das internationale Flüchtlingswesen nicht von heute auf morgen umwälzen wird: Für SP-Nationalrätin Mattea Meyer (32) ist das Urteil dennoch zentral – auch für die Schweiz. «Der Entscheid zeigt, dass die Klimakrise wirklich Realität ist – und sie im Kern uns Menschen und unsere grundlegendsten Rechte betrifft.» Als eines der reicheren Länder, vor allem auch als internationaler Bankenplatz, trage die Schweiz eine besondere Verantwortung. Nicht nur, um die Klimakrise zu stoppen. Sondern auch, um sich um diejenigen zu kümmern, für die es bereits zu spät ist.
Zudem ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich in der Schweiz der erste Asylbewerber auf den Klimawandel beruft. Spätestens dann wird man sich auch hierzulande entscheiden müssen, wie man mit solchen Schicksalen umgeht.
Die Schweiz schwitzt. Und das immer öfter. Seit 1864 ist es hierzulande durchschnittlich um rund 1,9 Grad wärmer geworden. Die Zunahme ist doppelt so gross wie im weltweiten Durchschnitt. Global betrug die Erwärmung in den letzten 150 Jahren rund 0,9 Grad.
Der Klimawandel trifft die Schweiz also überdurchschnittlich stark. Das liegt einerseits daran, dass wir nicht am Meer wohnen. Denn die Weltmeere dämpfen die Aufheizung. Als Binnenland können wir davon also nicht profitieren. Gleichzeitig liegt die Schweiz in den mittleren Breitengraden. Und die Gebiete Richtung Nordpol erwärmen sich grundsätzlich stärker als jene am Äquator.
Die Folgen sind eindeutig. Beispiel Luzern: Von 1960 bis 1985 wurden dort jeweils durchschnittlich 3,4 Hitzetage mit 30 Grad oder mehr registriert. Von 1985 bis 2018 waren es schon 8 Tage.
Gleichzeitig werden die Winter immer milder. Im Flachland bleibt die Schneeschaufel deshalb mittlerweile oft unbenutzt. Die Entwicklung zeigt sich aber auch im Wintersportort Davos GR: Dort waren 1890 noch 231 Frosttage mit unter 0 Grad gemessen worden. 2018 waren es noch 161.
Und es wird so weitergehen. Der Klimawandel dürfte für die Schweiz trockene Sommer, heftige Niederschläge, mehr Hitzetage sowie Winter mit wenig Schnee bedeuten. Auch die Temperaturen werden weiter ansteigen, schreiben MeteoSchweiz und die ETH Zürich in einem Bericht von 2018. Demnach wird es in den nächsten Jahren um 0,7 bis 3,3 Grad wärmer als im Vergleich zur Periode 1981 bis 2010. Bis Mitte des Jahrhunderts steigen die Temperaturen allenfalls sogar um bis zu 6 Grad.
Die Schweiz schwitzt. Und das immer öfter. Seit 1864 ist es hierzulande durchschnittlich um rund 1,9 Grad wärmer geworden. Die Zunahme ist doppelt so gross wie im weltweiten Durchschnitt. Global betrug die Erwärmung in den letzten 150 Jahren rund 0,9 Grad.
Der Klimawandel trifft die Schweiz also überdurchschnittlich stark. Das liegt einerseits daran, dass wir nicht am Meer wohnen. Denn die Weltmeere dämpfen die Aufheizung. Als Binnenland können wir davon also nicht profitieren. Gleichzeitig liegt die Schweiz in den mittleren Breitengraden. Und die Gebiete Richtung Nordpol erwärmen sich grundsätzlich stärker als jene am Äquator.
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