Mischt sich die Kirche in die Politik ein, geht es meist um ethische Fragen. Bei der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III am 12. Februar stehen aber für viele religiöse Meinungsmacher irdische Belange im Fokus.
Die Landeskirchen haben offiziell keine Parole beschlossen, doch seit dieser Woche warnt ein überkonfessionelles Komitee aus über 250 Kirchenleuten vor einem Ja. Angeführt wird es von den reformierten Pfarrern Andreas Nufer und Res Peter. Nufer arbeitet in der Heiliggeistkirche am Berner Hauptbahnhof und sagt: «Die Kirche müsste nach einem Ja bluten.»
«Die Kirche muss sich wehren»
Die Landeskirchen finanzieren sich in den meisten Kantonen auch aus Firmensteuern. Mit der USR III soll vielerorts der Steuersatz verringert werden, um die Abwanderung von Firmen zu verhindern. Das bedeutet weniger Einnahmen für die Kirchen.
Allein in der Stadt Zürich würden den 34 reformierten Kirchgemeinden rund zehn Millionen Franken pro Jahr wegbrechen, rechnet Res Peter, Pfarrer im Neumünster. Gemäss Peter wären die Konsequenzen fatal: «Entweder müssen wir Leistungen streichen oder die Kirchensteuern für natürliche Personen erhöhen. Weil nicht mal Ausgleichszahlungen vorgesehen sind, muss sich die Kirche wehren.»
Abbau bei der Sterbebegleitung «unumgänglich»
Alle Dienstleistungen seien in Gefahr. Als Beispiele nennt der Geistliche die Notfallseelsorge – «etwa Einsätze bei Autounfällen oder Suiziden» – und Projekte für Senioren. «Auch ein Abbau bei der Sterbebegleitung wäre wohl unumgänglich», so Peter.
Pfarrer Nufer aus Bern pflichtet bei und betont die Leistungen der Kirchen für die Allgemeinheit. Dank Freiwilligenarbeit sei ein investierter Franken mehr wert für die Gesellschaft.
CVP-Pfister: «Mittelfristig profitieren auch die Kirchen»
Nicht viel von den Warnungen von der Kanzel hält CVP-Präsident Gerhard Pfister. Das Komitee zeige, dass es auch in den Kirchen einen Links-rechts-Graben gebe. Er hält die Argumentation mit drohenden Steuerausfällen für «falsch». Denn bei der USR III gehe es gerade darum, Steuersubstrat im Land zu halten. Deshalb ist der Zuger Katholik überzeugt: «Mittelfristig werden auch die Kirchen von einem Ja profitieren.»
Alles bloss Glaubenssache, könnte man sagen. Pfarrer Res Peter kann Pfisters Gottvertrauen allerdings nicht teilen. «In letzter Konsequenz», warnt er, sei es sogar denkbar, dass man weniger Gottesdienste durchführen könne.