Heute wird Berset zum Bundespräsidenten gewählt
Für eine Rampensau erstaunlich erfolglos

Alain Berset wird heute zum Bundespräsidenten gewählt. Das höchste politische Amt wird dem arg gebeutelten SP-Bundesrat gut tun.
Publiziert: 05.12.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:32 Uhr
Nico Menzato

Ganz alleine sass Alain Berset (45) am Montagnachmittag in einem Zugabteil von Bern nach Zürich. «Ohne Bodyguards», twitterte ein erstaunter englischsprachiger Fahrgast. Dem SP-Bundesrat gefiel die Nachricht und er tat dies sogleich auf dem sozialen Netzwerk kund.

Er selber griff in die Tasten – nicht seine Medienstelle. Der Innenminister ist der einzige Magistrat, der in Eigenregie via Twitter und Instagram den Austausch mit dem Volk sucht.

Liebt den grossen Auftritt: Neo-Bundespräsident Alain Berset (SP).
Foto: ENNIO LEANZA

Auch in der realen Welt liebt er die persönliche Begegnung. Nach Anlässen bleibt der Freiburger für einen Schwatz mit dem Volk stets noch eine Weile. Für andere Bundesräte ist es lästige Pflicht, Berset sieht man es an – er hat Freude daran.

Rhetorisch starke Rampensau

Berset – der charismatische Alleinunterhalter. Eine Rampensau, die sich seit Wochen auf das heutige Traktandum 17.215 freuen dürfte: der dreifache Familienvater wird zum Bundespräsidenten gewählt. Das repräsentative Amt wird er wohl mit Bravour ausüben.

Denn der Ex-Ständerat hat Lust aufs internationale Parkett und liebt den grossen Auftritt mit starken Reden. Weshalb ihm im September Wechselgelüste ins Aussendepartement nachgesagt wurden. Doch der Zeitpunkt war ungünstig. Der Hobby-Pianist entschied sich im weniger glamourösen, aber weitaus bedeutenderen Innendepartement zu bleiben – und verlor zwei Tage später seine wichtigste Abstimmung: Das Volk schickte die Altersreform 2020 bachab.

Eine schallende Ohrfeige für den SP-Politiker, der die meiste Zeit und Energie seiner sechsjährigen Bundesratskarriere in das Mammutprojekt gesteckt hatte.

(Noch) kein Platz in den Geschichtsbüchern

Das Projekt, mit dem er sich einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert hätte, liegt in Trümmern. Und Berset steht vor dem Nichts. Eilte ihm bisher das Image als Mr. Perfekt voraus, haftet nun der Ruf als Mr. Erfolglos an ihm. Das Volk, das er so gerne und so gekonnt umgarnt, hat ihm die Liebe entzogen. 

Ulrich Giezendanner.
Foto: EQ Images

Den Kopf in den Sand steckt das Animal Politique dennoch nicht. «Er gleist mit demselben Elan und in staatsmännischer Manier eine neue Reform auf. Das ist sehr beeindruckend», lobt SVP-Sozialpolitiker Ulrich Giezendanner (65). In der Tat dürfte Berset gemäss bundesratsnahen Quellen noch vor Weihnachten eine Auslegeordnung einer neuen Altersreform präsentieren.

Prämien steigen und steigen

Dennoch: Auch bei der zweiten grossen Baustelle seines Departements, den steigenden Krankenkassenprämien, konnte der Gesundheitsminister zwar kleinere Erfolge einfahren, wie etwa die Senkung der Medikamentenpreise. So richtig vom Fleck kommt er aber trotz viel Herzblut, vielen gut gemeinten Ideen und Vorschlägen nicht.

Während die andere extrovertierte und starke Persönlichkeit im Bundesrat, Doris Leuthard (54, CVP), mit der Energiewende und Verkehrsfinanzierungen ihre entscheidenden Dossiers ruhmvoll ins Trockene brachte, erreichte der Innenminister in den letzten sechs Jahren erstaunlich wenig. Und dies, obwohl ihm auch Bundesratskollegen eine grosse Überzeugungskraft attestieren.

Pascal Couchepin.
Foto: Thomas Andenmatten

Pascal Couchepin (75) hatte prophezeit, der mit 38 Jahren als Jungspund in die Regierung gewählte Berset werde zum starken Mann aufsteigen. Wie fällt nun seine Bilanz aus?

«Es ist heute viel schwieriger als früher, im Bundesrat einen grossen Einfluss auszuüben, weil dieser versucht, derart harmonisch zu funktionieren», sagt der Walliser alt FDP-Bundesrat. Als Bundespräsident werde Berset dazu nun mehr Möglichkeiten haben.

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