Helen Keller, Schweizer Richterin in Strassburg, im Kampf gegen die Selbstbestimmungs-Initiative
SVP-Initiative müsste ungültig sein

Die Schweizer Richterin in Strassburg rechnet mit der Politik ab: Die Selbstbestimmungs-Initiative hätte gar nie zugelassen werden dürfen.
Publiziert: 07.10.2018 um 03:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 22:07 Uhr
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«Initiativen sind zu heiligen Kühen geworden»: Richterin Keller kritisiert das Schweizer Politsystem.
Foto: Thomas Lüthi
Interview: Reza Rafi

Am 25.November stimmt die Schweiz über ein Volksbegehren ab, bei dem sich Befürworter und Gegner in einem Punkt einig sind: Der Urnengang wird wegweisend. Die sogenannte Selbstbestimmungs-Initiative der SVP für «Schweizer Recht statt fremde Richter» verlangt nichts weniger als eine Neubewertung der Schweizer Rechtsordnung: Interna­tionale Verträge und internationales Recht sollen der heimischen Gesetzgebung unterstellt sein.

Im Visier der Initianten steht vor allem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg, dessen Rechtsprechung Auswirkungen auf Entscheide des Bundesgerichts hat.
Zu den «fremden Richtern» gehört auch eine Schweizerin: Wir treffen die Juristin Helen Keller in ihrem Büro an der Universität Zürich.

BLICK: In Strassburg arbeiten Sie eng mit «fremden Richtern» zusammen. Wie erklären Sie denen die Selbstbestimmungs-Initiative?
Helen Keller: Das sind keine fremden Richter. Der Gerichtshof für Menschenrechte ist ein international zusammengesetztes Gremium. 47 Staaten dürfen einen Richter oder eine Richterin stellen. Wäre es nicht seltsam, wenn ein internationales Gericht aus 47 Schweizern bestünde? Übrigens stellen wir als einzige Nation zwei Richter – der Richter für Liechtenstein, Carlo Ranzoni, ist Schweizer Bürger.

Wie reagieren Ihre Kollegen am Gerichtshof auf die Initiative?
Die schütteln den Kopf, sie können das nicht verstehen. Ich versuche, ihnen zu erklären, dass die Initiative nicht viel mit unserem Gerichtshof zu tun hat. Es ist primär ein Angriff auf das Bundesgericht, verpackt mit einem ganz falschen Titel.

Ein Angriff auf das Bundesgericht?
SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt selber bezeichnet die ­Initiative als Reaktion auf ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2012. Damals stoppte das Bundesgericht die Ausweisung eines Mazedoniers und betonte den grundsätzlichen Vorrang der Menschenrechtskonvention gegenüber der Ausschaffungs-Initiative. Die Initiative ist ein Angriff auf die eigenen Richter, nicht auf die fremden.

Die Initianten sagen, es gehe ihnen um die Wahrung der Volksrechte. Sie sehen darin einen Sturm auf die Justiz.
Die SVP macht das ja schon länger, indem sie unbequeme Richterinnen und Richter in der Wiederwahl abstraft. Das ist Teil eines grösseren Kontextes.

97 Prozent werden abgewiesen

Wer in Strassburg klagen will, hat eine Bedingung zu erfüllen: Alle juristischen Instanzen des ­eigenen Staates müssen zuvor ausgeschöpft worden sein. Schweizer können also erst nach ­einem gefällten Urteil des Bundesgerichts in Lausanne an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg (F) gelangen.

Dort ist die grösste Hürde der Einzelrichter: 97 Prozent aller Beschwerden werden von diesem abgewiesen. Kommt man zu den restlichen drei Prozent, hat man gute Erfolgschancen: Dann wird in rund zwei Dritteln den Beschwerden stattgegeben. Die meisten Fälle kommen aus der Türkei und Russland.

Der EGMR überwacht die Einhaltung der 1953 in Kraft getretenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dieser Katalog von Grund- und Menschenrechten wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs vereinbart. Die auf der EMRK basierende Organisation ist das ebenfalls in Strassburg domizilierte Parlament des Europarats.

Die Schweizer Delegation besteht aus zwölf Bundesparlamentariern; fünf davon aus der SVP. Der EGMR hat nichts zu tun mit dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, der die Einhaltung des EU-Rechts überwacht.

Wer in Strassburg klagen will, hat eine Bedingung zu erfüllen: Alle juristischen Instanzen des ­eigenen Staates müssen zuvor ausgeschöpft worden sein. Schweizer können also erst nach ­einem gefällten Urteil des Bundesgerichts in Lausanne an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg (F) gelangen.

Dort ist die grösste Hürde der Einzelrichter: 97 Prozent aller Beschwerden werden von diesem abgewiesen. Kommt man zu den restlichen drei Prozent, hat man gute Erfolgschancen: Dann wird in rund zwei Dritteln den Beschwerden stattgegeben. Die meisten Fälle kommen aus der Türkei und Russland.

Der EGMR überwacht die Einhaltung der 1953 in Kraft getretenen Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dieser Katalog von Grund- und Menschenrechten wurde nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs vereinbart. Die auf der EMRK basierende Organisation ist das ebenfalls in Strassburg domizilierte Parlament des Europarats.

Die Schweizer Delegation besteht aus zwölf Bundesparlamentariern; fünf davon aus der SVP. Der EGMR hat nichts zu tun mit dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, der die Einhaltung des EU-Rechts überwacht.

Wie meinen Sie das?
Dass populistische Kreise nach der unabhängigen Justiz greifen, sieht man in ganz Europa. Dramatisch ist es in Ungarn und in Polen. Die führenden Parteien haben zwar eine Mehrheit im Parlament und können dort ihre Anliegen durchpeitschen, aber die Verfassungsgerichte schieben ihnen einen Riegel. Deshalb wollen die Regierungsparteien die Gerichte lahm­legen.

Der Initiativtext nennt die Bundesverfassung die oberste Rechtsquelle der Schweiz. Das tönt doch vernünftig.
Die Verabsolutierung der Verfassung ist in unserem System gefährlich, denn es ist im Vergleich zu anderen Staaten flexibel. Hans-Ueli Vogt sagt zwar, die Verfassung sei nicht verhandelbar. Das ist aber falsch! Wir sind drei- bis viermal jährlich dazu aufgerufen, mittels Volksinitiativen unsere Verfassung zu ändern, also neu auszuhandeln.

Das ist direkte Demokratie – das Modell bewährt sich.
Aber wir müssen uns bewusst sein, dass auch bei uns schon recht viel Absurdes in der Verfassung stand – ein Absinthverbot, ein Jesuitenverbot, ein Schächtverbot. Wenn man solche Dinge in die Verfassung schreibt, kann sie zu einem gefährlichen Manipulationsinstrument werden.

Erklären Sie das!
Ich nenne ein Beispiel, in dem es nicht um Menschenrechte geht: Ein Initiativkomitee will einen Schoggi-Artikel in die Verfassung schreiben, der staatliche Subven­tionen für die Schokoladenproduzenten vorschreibt. Die Schweiz könnte ausländische Märkte mit billiger Schokolade überschwemmen. Worauf Belgien erfolgreich bei der WTO protestiert, weil der Schoggi-Artikel gegen WTO-Recht verstösst. In so einem Fall verlangt die Initiative, dass der Bund die Handelsverträge neu aushandelt oder nötigenfalls kündigt. Das wäre katastrophal für den Wirtschaftsstandort. Unser Erfolgsmodell besteht darin, dass wir immer verlässliche Handelspartner waren.

Welches Signal würde eine Annahme der Initiative nach aussen senden?Das Signal wäre verheerend! Wir leben in einem Europa, in dem Demokratie und Menschenrechte in Gefahr sind. Ich schaue mit Sorge in die Türkei und nach Russland. Wie sollen Politiker im Europarat den Kollegen jener Länder plausibel machen, dass sie die EMRK respektieren sollen, wenn nun die Schweiz austritt? Das könnte zu einem verhängnisvollen Dominoeffekt führen.

Sie malen tiefschwarz. Dabei steht nichts vom Austritt aus der EMRK in der Vorlage.
Der Initiativtext ist nicht klar. Es gibt eine harte Auslegung, die eine Kündigung der EMRK umfasst. Man darf den Initianten auch bei einer weichen Auslegung guten Gewissens unterstellen, dass sie zumindest mit der Kündigung wichtiger Verträge spielen.

Fühlen Sie sich in der Schweiz manchmal missverstanden?
(Überlegt) Nein, im grossen Ganzen nicht. Aber man muss mit solchen Volksinitiativen aufpassen. Im Argumentarium der Befürworter ist praktisch jeder Satz falsch.

Nennen Sie ein Beispiel.
«Die Selbstbestimmungs-Initiative schafft Klarheit und Rechtssicherheit.» Das Gegenteil ist richtig! Da ist nichts klar. Der Initiativtext ist sehr widersprüchlich. Der offizielle Titel «Schweizer Recht statt fremde Richter» ist falsch. Die Initiative hat nichts mit fremden Richtern zu tun; es geht auch nicht um das ganze Schweizer Recht, sondern nur um die Bundesverfassung. Zum Begriff Selbstbestimmungs-Initiative: Selbstbestimmung ist ein Terminus aus dem Völkerrecht und betrifft etwa die Frage, wann sich ein Volk abspalten darf. Ich denke da an den Kosovo. Mit Selbstbestimmung hat die Initiative gar nichts zu tun.

Sie und Herr Vogt haben das Büro an der Uni Zürich auf demselben Stock. Tauschen Sie sich auch direkt aus?
Wir kennen uns seit Studienzeiten und haben ein kollegiales Verhältnis. Er weiss sehr gut, was ich von dieser Initiative halte.

Immer wieder kollidieren erfolgreiche Volksbegehren mit internationalem Recht – etwa die Verwahrungs- oder die Pädo-Initiative. Verstehen Sie nicht auch die Gegenseite ein wenig?
Ich finde das Initiativrecht etwas vom Besten, was wir im Staatsrecht haben. Es ist sehr kreativ, viele Nationen beneiden uns darum. Das Problem ist, dass die rudimentären Regeln für die Zulässigkeit von Initiativen immer weniger eingehalten werden.

Ihre Erklärung?
Die grossen Parteien haben dieses Instrument entdeckt, um ständigen Wahlkampf zu betreiben. Oft geht es gar nicht so sehr darum, etwas in die Verfassung zu schreiben, sondern um politisches Kalkül. Dann wandern Dinge in die Verfassung, die nicht dorthin gehören. Nehmen Sie die Ausschaffungs-Initiative: Wir haben einen Deliktskatalog in der Verfassung! So etwas gehört ins Strafgesetzbuch.

Von welchen Regeln für die Zulässigkeit reden Sie?
Die Einheit der Materie: Die Ecopop-Initiative zum Beispiel hätte man nicht zur Abstimmung bringen dürfen. Da wurden zwei unterschiedliche Anliegen verknüpft, zu denen der Stimmbürger nur im Paket Ja oder Nein sagen konnte. Wie auch beim aktuellen Fall!

Tatsächlich? Es geht doch einfach um die Frage: Landesrecht vor Völkerrecht?
Der Initiativtext enthält fünf Artikel an ganz verschiedenen Stellen in der Verfassung. Auch hier kann sich der Bürger nur zur Gesamtvorlage äussern. Er ist darin, ob er zu einem einzelnen Aspekt Ja oder Nein sagt, nicht mehr frei. Aber das Parlament drückte beide Augen zu. Initiativen sind zu heiligen Kühen geworden. Das ist gefährlich für das Ini­tiativrecht.

Schweizer Richterin Helen Keller

Helen Keller (54) ist ordentliche Professorin für öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich. Seit 2011 ist sie Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (F); zuvor war sie Mitglied im Menschenrechtsausschuss der Vereinten Na­tionen. 2020 wird ihre neunjährige Amtszeit in Strassburg enden. Keller ist verheiratet und hat zwei Söhne. Sie lebt in Zürich und Strassburg.

Helen Keller (54) ist ordentliche Professorin für öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich. Seit 2011 ist sie Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (F); zuvor war sie Mitglied im Menschenrechtsausschuss der Vereinten Na­tionen. 2020 wird ihre neunjährige Amtszeit in Strassburg enden. Keller ist verheiratet und hat zwei Söhne. Sie lebt in Zürich und Strassburg.

Sie finden, diese Initiative müsste unzulässig sein?
Ja. Für mich wird die Einheit der Materie durch dieses Anliegen verletzt. Wenn Tausende völkerrechtliche Verträge neu verhandelt werden sollen, ändert das den Charakter der Verfassung in fundamentaler Weise. Im Grunde handelt es sich um eine Totalrevision der Bundesverfassung: Sie betrifft die rechtsstaatlichen Grundsätze, die Kompetenzen des Bundesgerichts, die Normenhierarchie und die bestehenden völkerrechtlichen Verträge. Dazu diese Kündigungsaufforderung.

Im Völker- und Menschenrecht gilt die Schweiz als Musterschülerin. Wo gibt es noch Nachholbedarf?
Im Bereich des humanitären Völkerrechts hat die Schweiz mit der Genfer Konvention und der Genfer Flüchtlingskonvention eine Vorreiterrolle gespielt. Aber im Menschenrechtsschutz sind wir nicht Pioniere. Es ist ein Mythos, dass die Schweiz eine Musterschülerin ist. Nehmen Sie das Frauenstimmrecht, die Kinder der Fahrenden, die ihren Eltern weggenommen worden sind, oder die Zwangsmassnahmen und fürsorgerischen Freiheitsentzüge bis in die 80er-Jahre: Da waren wir rückständig oder haben sogar arg gesündigt. Bei der Gleichstellung von Mann und Frau sind heute viele Länder weiter als wir.

Die SVP stellt selbst Europaratsdelegierte. Ist das richtig oder heuchlerisch?
Ich finde es richtig, dass auch die SVP Europaratsdelegierte stellt. Die Schweizer Delegation leistet wertvolle Arbeit in Strassburg, da gehören auch die SVPler dazu.

Welche Rückmeldung erhält eine Strassburger Richterin aus der Bevölkerung?
Manche sind enttäuscht, wenn ihre Beschwerde nicht durchkommt. Die meisten sind aber auch froh, dass es den Gerichtshof gibt. Für viele Menschen am Rande der Gesellschaft – psychisch Kranke, Häftlinge, Behinderte – ist Strassburg die letzte Hoffnung.

Es gibt aber auch Polemik. Wie schaffen Sie es, die Angriffe auf den EGMR nicht persönlich zu nehmen?
Das gehört zum Job. Dadurch wird der Rücken breiter.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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Die SVP erhebt die Machete

Wäre die SVP eine Filmfigur, sie wäre John Rambo: freiheitsliebend, misstrauisch gegenüber Behörden und mit einem Faible für den Schiesssport. Für seine Idee von Gerechtigkeit greift der Actionheld gerne zu brachialen Mitteln. Wie die Partei.

Sie heissen Ausschaffungs-, Verwahrungs- oder Pädophilen-Initiative. Manche Rezepte der SVP scheitern an den Bundesrichtern in Lausanne, die sich auf den Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg berufen. Und wie reagiert die SVP? Sie erhebt die Machete gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, internationales Recht, internationale Handelsverträge – alles soll kompromisslos dem Volkswillen unterstellt, notfalls neu verhandelt oder sogar gekündigt werden.

Dieses Ansinnen ist derart radikal, dass die Gegnerschaft von Economiesuisse bis zu den Juso reicht, vom Arbeitgeberverband bis zu den Gewerkschaften. Doch sie alle haben ein Problem: die populistische Sprache der Initianten. «Schweizer Recht statt fremde Richter!» Wer sich traut, dagegen etwas zu sagen, das Konzept gar infrage stellt, der grüsst den Gesslerhut – Landesverrat!

Ausgerechnet Helen Keller macht dieses Spiel nicht mit: Die Schweizerin ist Mitglied des bei der SVP so verhassten Gerichtshofs in Strassburg. Offen sagt sie im SonntagsBlick, dass sie die Vorlage für nicht zulässig hält, weil sie die Einheit der Materie verletze. Initiativen seien zu «heiligen Kühen» geworden. Mutig werden die einen diese Ehrlichkeit nennen, politisch fahrlässig die anderen.

In der Schlüsselszene des ersten Rambo-Films von 1982 bricht der Protagonist nach der Ballerorgie zusammen. Er, der Missverstandene! Nur seinem Land habe er in Vietnam dienen wollen; «Warum protestieren die gegen mich?» Erst sein Ausbildner Colonel Trautman kann ihn stoppen. Der Veteran gibt auf. Am 25. November ist Abstimmung; es wird die Chance der Schweizerinnen und Schweizer, ihren Rambo zur Räson zu bringen.

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