In Strassburg geht die Post ab, wegen eines eben erschienenen Berichts zu Korruptionsvorwürfen innerhalb des Parlaments des Europarats. Aserbaidschanische Politiker sollen systematisch und im groben Mass Parlamentarier bestochen haben.
Einer, der sich immer gegen die aserbaidschanischen Machenschaften engagiert hat, ist der ehemalige Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross (65). Seit 2000 besuchte er Aserbaidschan über 25-mal, beobachtete die dortigen Wahlen und erstattete bis 2015 Bericht an den Europarat.
Terminkollision mit dem neuen Job
Wegen seines Engagements und seiner Kenntnisse des Landes lud ihn die für den Bericht zuständige Untersuchungskommission vergangenen September vor. Gross folgte dem Ruf nicht. Er erklärt: «Beim ersten Termin hatte ich keine Zeit.» Darauf schlugen sie ihm vor, Mitte Oktober eine Telefonkonferenz abzuhalten.
Doch auch das klappte nicht: «Der zweite Termin fand in der ersten Woche meines viermonatigen Forschungsaufenthaltes in Washington statt.» Das wollte er seinen amerikanischen Gastgebern nicht zumuten: «In der ersten Woche von ihnen schon zu verlangen, extra eine Telefonkonferenz für mich zu organisieren, wäre unanständig gewesen.» Er sicherte der Kommission aber seine Unterstützung zu und fragte laut eigener Angaben nach weiteren Daten.
So viel Rücksicht wie in der Armee
Danach hatte Gross nichts mehr gehört – bis der Bericht am Sonntag erschienen ist und er dort lesen musste, er habe sich zur Thematik nicht äussern wollen und auf einen neuen Job in den USA verwiesen. Er habe sogar eine Telefonkonferenz abgelehnt.
Das ärgert Gross: «Das Handeln der Untersuchungskommission, zumindest in meinem Fall, schien mir wenig aufgeschlossen und nicht sehr umsichtig.» Nur weil diese Leute gewohnt seien, Leute so herbeizuzitieren, wie es in der Schweiz nicht einmal die Armee macht, entstehe nun der Eindruck, er habe etwas zu verbergen.
Bis auf weiteres keinen Zutritt
Aus Sicht der drei Autoren des Korruptionsberichts hat sich Gross aber dennoch verweigert. Und das hat Konsequenzen: Der Europarat ist zum Schluss gekommen, unkooperativen Parlamentariern den Zutritt bis auf weiteres zu sperren. Gross erklärt dazu dem BLICK: «Ich hatte sowieso nicht vor, in diesen Tagen den Rat zu besuchen.»
Die Angelegenheit wirft auch ein schlechtes Licht auf die Schweizer Delegation. Dabei war sie es, die die ganze Untersuchung überhaupt ins Rollen gebracht hat. Dass nun ausgerechnet ein Schweizer nicht mitanpackt, stösst wohl manchem sauer auf. Die Delegation will bis Mittwochmittag eine Mitteilung veröffentlichen. Da hat sie die Möglichkeit, sich zur Causa Gross zu äussern.