Das erste bisschen Normalität im Alltag lässt es bisweilen vergessen: Noch immer gilt in der Schweiz die ausserordentliche Lage, noch immer regiert der Bundesrat per Notrecht, seit 16. März.
Staatspolitisch wandelt der Bund damit auf heiklem Terrain. Umso genauer wird diese Ära der eingeschränkten Gewaltenteilung nun vom Parlament unter die Lupe genommen.
Bereits im April hörte die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK) drei Mitglieder der Exekutive an: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60), Gesundheitsminister Alain Berset (48) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60).
Nun ist auch formell der Grundstein für eine Untersuchung gelegt: Die Zürcher GLP-Nationalrätin Corina Gredig (32) hat am Montag in der GPK beantragt, eine Inspektion des Corona-Regimes der Landesregierung durchzuführen.
Zu untersuchen gibt es viel
Aus der Sicht des Parlaments stellen sich diverse Fragen: Stimmt der jetzige Ausnahmezustand mit dem Epidemiegesetz und der Bundesverfassung überein? Waren die Lockdown-Massnahmen verhältnismässig? Wieso das Wirrwarr um die Masken? Weshalb wurden die vorhandenen Pandemiepläne nicht umgesetzt?
Schon am 26. April betonte GPK-Präsident Erich von Siebenthal (61, SVP) im SonntagsBlick, die Untersuchung sei «im Sinne der Landesregierung»: Es gehe vor allem darum zu lernen, «was man bei künftigen solchen Ereignissen besser machen kann».
Absehbar ist auch, dass die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der GPK zu Hilfe eilt und die Bundesratsbeschlüsse einer Prüfung unterzieht. Sie hat mehr Kompetenzen als die Geschäftsprüfer. «Ich werde diese Beschlüsse einsehen», kündigte GPDel-Präsident Alfred Heer (58, SVP) damals gegenüber SonntagsBlick an.
Mit Verantwortung kommt auch Kritik
Fest steht, dass die Regierung keinen einfachen Job hat. Den einen gehen die Lockerungen entschieden zu weit. Andere halten das Herunterfahren der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens für einen Fehler. Auf jeden Fall hat sich der Bundesrat mit seiner Strategie eine enorme Verantwortung aufgebürdet. Kritik ist damit so oder so garantiert.
Antragstellerin Corina Gredig wollte mit Verweis auf das Kommissionsgeheimnis zu ihrem Vorstoss nicht Stellung nehmen.