Gewerkschaften unterstützen die Unternehmenssteuerreform – falls der Vaterschaftsurlaub kommt
Bubentrick mit der Papizeit

Im ersten Anlauf scheiterten die Bürgerlichen mit ihrer Unternehmenssteuerreform grandios. Auch den zweiten Anlauf drohen sie an die Wand zu fahren. Ausgerechnet die Gewerkschaften wollen die Reform nun retten – mit vier Wochen Vaterschaftsurlaub.
Publiziert: 28.01.2018 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:50 Uhr
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Travailsuisse-Chef Adrian Wüthrich bietet den Bürgerlichen einen verlockenden Deal an: Unternehmenssteuerreform 4 gegen Papizeit.
Foto: zVg
Pascal Tischhauser

Je mehr die Unternehmenssteuerreform 4 (USR 4) mit Steuersparoptionen für Firmen überladen wird, desto sicherer ergreift die Linke das Referendum. Es droht ein Nein an der Urne, die Abwanderung von Firmen und der Verlust von Arbeitsplätzen. Für Finanzminister Ueli Maurer (67) wäre ein Referendum «fatal», sagte er der «NZZ am Sonntag».

Das wollen auch Gewerkschaften verhindern. Darum schlagen sie einen Deal vor: Der Vaterschaftsurlaub soll Teil der Reform werden. Laut Adrian Wüthrich (37), Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travailsuisse, singnalisieren Linke, bei solch einer «USR 4 plus» ein Referendum nicht mehr rechtfertigen zu können. Sie wollen nicht gegen die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs kämpfen.

30 Franken höhere Mindestkinderzulage reicht nicht

Hingegen reichen die in Aussicht gestellten 30 Franken mehr Kinderzulagen aus Sicht der Gewerkschaften nicht aus, da diese in vielen Kantonen schon heute höher sind.

Die Vorgängervorlage USR III versenkte das Volk vor einem Jahr klar. Wüthrich versteht nicht, wie die Bürgerlichen dennoch an einen Erfolg glauben, «wenn sie nochmals auf sozialen Ausgleich verzichten».

Bundesrätin Leuthard warnt die «vergessliche» Wirtschaft

Auch CVP-Bundesrätin Doris Leuthard (54) sprach am Samstag an der Delegiertenversammlung in Bern davon: Gerold Bührer (69) habe vor zehn Jahren als Präsident des Wirtschaftsverbands Economiesuisse gewarnt, bei einer Steuervorlage brauche es Kompensationen. Was der frühere FDP-Nationalrat wusste, ging laut Leuthard inzwischen «ein wenig vergessen».

Ohne «Ausgleich, Balance und Kompromiss» lande die Schweiz 2019 oder 2020 wieder auf der schwarzen Liste der Steueroasen, so Leuthard. Heute ist unser Land bereits auf der grauen Beobachtungsliste.

Die Nervosität in Bundesbern ist riesig, seit SVP-Bundesrat Ueli Maurer letzte Woche in der ständerätlichen Wirtschaftskommission (WAK-S) «alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen wollte», wie es ein WAK-S-Mitglied formuliert. Der Finanzminister verstehe nicht, dass dem Volk ein zweiter Aufguss eines bereits zurückgewiesenen Weins noch weniger schmeckt. «Da hilft es auch nichts, wenn Maurer seinen Fusel mit der neuen Etikette ‹Steuervorlage 17› beklebt.»

Vorteil für Unternehmen, die weltweit Arbeitskräfte suchen

«Damit die Steuerausfälle der USR 4 eine Chance hätten, müsste der zweite Reformversuch einen spürbaren Mehrwert bringen. USR 4 plus Papizeit wäre die Massnahme, die die Vorlage zur positiven Reform für alle machte», ist Gewerkschaftsboss Wüthrich sicher.

Während Grossunternehmen den Vaterschaftsurlaub selbst berappen könnten, ist er für KMU schwer zu finanzieren. Würden die 20 Arbeitstage Papizeit jedoch wie von Travailsuisse in einer Initiative vorgeschlagen via Erwerbsersatz (EO) bezahlt, wären seine Kosten von 420 Millionen Franken mit Lohnabzügen von je 0,05 Prozent für Arbeitnehmer und -geber finanziert. Das können sich auch Kleinbetriebe leisten.

Mittepolitiker ergreifen den Rettungsanker von Travailsuisse

Der Solothurner CVP-Ständerat Pirmin Bischof (58) warnt als WAK-S-Präsident im Interview eindringlich, in ihrer jetzigen Form drohe die Reform erneut zu scheitern. «Das wäre eine Katastrophe.» Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass Vertreter von Mitteparteien wie Bischof offen «Sympathie» für den Papizeit-Vorschlag der Travailsuisse bekunden.

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