Es gab die Vergessenen der Corona-Pandemie. Es gab aber auch solche, die in der Krise auf Vergessen setzten, um wieder aufzutauchen: Der in Ungnade gefallene Genfer Staatsrat Pierre Maudet (42) zum Beispiel punktete trotz der Affäre, die seinen Namen trägt. Als Wirtschaftsminister legte er Schlachtpläne zur Rettung der KMU und des Autosalons vor und fand noch rascher als Bern einen Kompromiss bei den Geschäftsmieten. Der einstige FDP-Hoffnungsträger hat dadurch in der Romandie beinahe vergessen lassen, dass er immer noch im Visier der Justiz steht.
Nun aber ist die Zeit des Machers Maudet schon wieder passé und seine Affäre in Genf abermals Thema Nummer eins. Die Ereignisse überschlagen sich: Vergangene Woche musste Maudet vor der Genfer Staatsanwaltschaft antraben. 45 Minuten lang wurde er laut «Le Temps» über Zuwendungen der Hotelgruppe Manotel befragt. Es ging um Spendengelder und eine gesponserte Geburtstagsfeier. Am Dienstag publizierte die Zeitung dann einen dubiosen Whatsapp-Chat zwischen Maudet und einem Parteifreund, worin sie die Möglichkeit erörterten, ein Protokoll im Zusammenhang mit der Geburtstagsparty nachträglich abzuändern. Sie besprachen die Risiken verschiedener Vorgehensweisen, von einer imaginären Mahnung ist die Rede und davon, die «zuverlässigen» Mitglieder der Partei zu informieren. Am Mittwoch dann vermeldete der TV-Sender RTS, dass die Genfer Staatsanwaltschaft den Regierungsrat unter anderem wegen der gesponserten Luxusreise nach Abu Dhabi vor Gericht stellen will. Und morgen Montag will die Genfer Parteispitze laut «Tribune de Genève» über einen Ausschluss Maudets diskutieren.
Ehre weiter verteidigen
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 42-Jährigen unter anderem Vorteilsannahme im Amt vor, Maudet bestreitet jegliche strafbare Handlung. Zur Erinnerung: Als die Reise nach Abu Dhabi publik wurde, versuchte er anfänglich zu vertuschen, dass er sich vom dortigen Machthaber hatte einladen lassen. Auf Anfrage von SonntagsBlick gibt sich Maudet optimistisch: «Nach über zwei Jahren Verdacht, der auf widersprüchlichen Behauptungen beruhte, gehen die Dinge endlich voran.» Er werde seine Ehre weiter verteidigen. In einem Rechtsstaat entscheide man nicht vor einem rechtskräftigen Urteil, ob jemand schuldig sei oder nicht. «Ich habe mich nie als Opfer gefühlt, aber sehr wohl als Zielscheibe politischer Manöver.» Sein Anwalt will auf Freispruch plädieren.
Trotz des bevorstehenden Gerichtstermins hält Maudet an seinem Amt fest. Das bedeutet eine Kehrtwende: Gegenüber RTS hatte er 2018 angekündigt, im Falle eines Prozesses «a priori natürlich» zurücktreten zu wollen. Heute sagt Maudet, damals hätten gleich mehrere neue Anschuldigungen gegen ihn vorgelegen. Wenn sie alle vor Gericht gebracht worden wären, hätte dies zweifellos für einen Rücktritt genügt.
Rücktritt gefordert
Mit dem Wegfall mehrerer Vorwürfe sei die Ausgangslage anders. Seine Regierungskollegen hatten Maudet wegen des Strafverfahrens teilweise entmachtet, nun fordern ihn die FDP-Grossräte des Kantons auf, sich 2023 nicht zur Wiederwahl zu stellen. Der Präsident der Genfer FDP Bertrand Reich geht in den welschen Medien noch einen Schritt weiter: «Wenn ihm die Zukunft seiner Partei wichtig wäre, würde er zurücktreten.»
Auch FDP-Präsidentin Petra Gössi und der Genfer Parteivorstand hatten den einstigen Hoffnungsträger bereits auf dem Höhepunkt der Krise zum Rücktritt aufgefordert. Die Basis sprach ihm damals allerdings in einer ausserordentlichen Versammlung das Vertrauen aus. Zum Rücktritt zwingen kann ihn ohnehin niemand. Im Falle einer Verurteilung sei die Sache aber klar, so Maudet: Er würde zurücktreten. On verra ...