Die Zeit drängt. Die Gegner des digitalen Passes haben noch knapp zwei Monate Zeit, um die fehlenden 20'000 Unterschriften für das Referendum gegen die E-ID zu sammeln.
Doch der Zeitpunkt für den Endspurt könnte schlechter nicht sein. «Kurz vor Weihnachten und bei den tiefen Temperaturen haben die wenigsten Leute Lust, auf die Strasse zu gehen und Unterschriften zu sammeln», sagt Daniel Graf (46), Netz-Aktivist und Kampagnenverantwortlicher.
Hinzu kommt, dass viele Gemeinden den Betrieb über die Weihnachtstage herunterfahren und keine Unterschriften bescheinigen. «Für uns ist das ein riesiges Problem», so Graf. Die Initianten um die digitale Gesellschaft, die Online-Plattform Wecollect und die Kampagnenorganisation Campax sehen sich deshalb gezwungen, die fehlenden Unterschriften noch vor Weihnachten zu sammeln. Stand heute haben sie 32'000 Unterschriften beisammen – nötig sind 50'000 gültige.
In der Not per Brief
Bisher waren die Gegner der E-ID vor allem im Netz aktiv. Fast 13'000 Menschen haben sich online gemeldet und versprochen, Unterschriften zu sammeln. Via die Online-Plattform Wecollect gingen zudem über 12'000 Unterschriften ein.
Doch nun stossen die Online-Aktivisten an ihr Limit. «Wir haben im Netz alles gemacht, was wir können», sagt Graf, «nun sind wir ausgeschossen.» Und was machen die Initianten in der Not? Sie setzen auf ein altbewährtes Mittel: Die Briefpost.
Diesen Sonntag sollen mehrere Dutzend Freiwillige rund 5000 Couverts mit Unterschriftenbogen an interessierte Personen verschicken. Das Ziel des «XXL-Postversands»: 10'000 zusätzliche Unterschriften.
«Viele haben keinen Drucker»
Dass die Netz-Aktivisten ausgerechnet auf den Briefweg setzen, ist paradox. Es sei das erste Mal, dass Wecollect Unterschriftenbogen per Post verschicke, so Graf, der die Plattform gegründet hat. Doch man habe gemerkt, dass es für viele Leute eine Hürde sei, wenn sie den Unterschriftenbogen auf Wecollect nur herunterladen, nicht aber direkt unterschreiben könnten.
«Viele melden uns, dass sie gar keinen Drucker mehr haben», so Graf. Gerade Menschen, die alles am Handy erledigen, hätten heute oft keine Möglichkeit, einen Unterschriftenbogen zu Hause auszudrucken. Diesen Menschen wolle man mit dem Postversand entgegenkommen.
«Wir brauchen keine Konkurrenz»
Die Initianten sind Technologie-affin und betonen, dass sie eine elektronische ID nicht grundsätzlich ablehnen. «Es ist durchaus sinnvoll, dass wir uns im Internet genauso ausweisen können, wie wenn wir beispielsweise am Schalter einen Strafregister-Auszug verlangen», sagt Erik Schönenberger von der digitalen Gesellschaft.
Doch die Netz-Aktivisten stören sich am Entscheid des Parlaments, wonach die E-ID künftig von privaten Unternehmen herausgegeben werden soll. «Aus unserer Sicht ist das eine staatliche Aufgabe», so Schönenberger. Ein digitaler Pass müsse in erster Linie sicher und vertrauenswürdig sein. «Konkurrenz brauchen wir in diesem Bereich keine», so der Geschäftsleiter der digitalen Gesellschaft.
82 Prozent für staatliche E-ID
Gut möglich, dass die Gegner der E-ID mit ihrer Argumentation bei den Bürgern punkten. Denn wie eine Umfrage der Universität Zürich zeigt, finden 82 Prozent der Befragten, dass der Staat die E-ID ausstellen soll. Nur gerade 1,7 Prozent bevorzugen eine private Lösung.
Die Online-Aktivisten können sich also durchaus Hoffnungen machen, dass die Bevölkerung den Entscheid des Parlaments noch kippen wird – sofern sie das Referendum gegen die E-ID vor Weihnachten denn auch zustande bringen.