Der Bundesrat verschärft die Massnahmen im Kampf gegen die Corona-Krise drastisch. Dazu gehört auch ein Veranstaltungsverbot mit mehr als 100 Personen.
Die Frühlingssession wird trotzdem weitergeführt. Auch in der dritten Sessionswoche sollen die 246 National- und Ständeräte in Bern antraben. Das hat die Verwaltungsdelegation so entschieden. In einem Mail an alle Parlamentarier, die BLICK vorliegt, kommt sie zum Schluss, «dass die Risikobeurteilung die Fortsetzung der Session zulässt».
Bei den parlamentarischen Sitzungen handle es sich nicht um Veranstaltungen gemäss Massnahmen des Bundesrates, sondern um einen Arbeitsort, heisst es in der Begründung dazu. Und: «Das Parlament hat als oberste Gewalt eine Vorbildfunktion.»
Ab auf die Besuchertribüne
Zudem hätten sich die bisher ergriffenen Massnahmen bewährt. «Der ordentliche Ratsbetrieb konnte zu jeder Zeit gewährleistet werden», heisst es im Mail.
Es gibt aber neue Vorsichtsmassnahmen: Um genügend Abstand zu wahren, können die Ratsmitglieder nicht im Saal, sondern auf den Tribünen sitzen. Nur für die Abstimmungen müssen sie in den Saal – und die werden im Eilverfahren durchgeführt.
Besonders gefährdete Personen können der Session zudem entschuldigt fernbleiben – ebenso wie Politiker, «die die Betreuung schulpflichtiger Kinder und Kinder im Vorschulalter sicherstellen müssen».
Zudem wird auf den letzten Sessionstag vom Freitag verzichtet – und der Zutritt ins Bundeshaus weiter eingeschränkt: So sollen weniger Medienschaffende in der Wandelhalle arbeiten. Schon Anfang Woche wurden zudem die Vorsichtsmassnahmen verschärft und eine Pandemie-Kiste für den Notfall bereitgestellt.
CVP-Müller schüttelt den Kopf
Dass die Session weitergeführt wird, kommt nicht überall gut an. Am Montag scheiterte ein Abbruch-Antrag von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) zwar noch deutlich mit 155 zu 13 Stimmen bei acht Enthaltungen.
Doch mittlerweile hat der Wind bei einigen Ratsmitgliedern gedreht. So zum Beispiel bei CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (43, SO). «Das ist ein Fehlentscheid», sagt er zu BLICK. «Wie erkläre ich als Gemeindepräsident den Leuten, dass sie zuhause bleiben sollen, und wir reisen weiterhin in der ganzen Schweiz herum?», fragt er.
Bei den Parlamentariern handle es sich um «Superspreader» (Superverteiler), die mit vielen Leuten im Kontakt kämen. «Wenn wir das Virus erwischen, verteilen wir es in der ganzen Schweiz.»
Aeschis Abbruch-Antrag habe er am Montag contre coeur abgelehnt, so Müller-Altermatt. Er habe sich geärgert, dass Aeschi damit vor allem politische Ziele verfolgt und «damit Politik auf dem Buckel von Kranken und sich aufopfernden Menschen gemacht hat».
Zudem sei die Lage Anfang Woche noch nicht derart drastisch gewesen. «Auch wenn ich noch so gerne rasch über die Überbrückungsrente und ein neues CO2-Gesetz entschieden würde, jetzt ist eine Weiterführung der Session nicht mehr vertretbar.»
SVP-Imark: «Nicht nachvollziehbar»
Auch SVP-Nationalrat Christian Imark (38, SO) sagt: «Das passt in keiner Weise zusammen mit den rigorosen Massnahmen des Bundes zur Bekämpfung des Coronavirus. Während der Session fahren täglich viele Politiker aus dem ganzen Land mit dem ÖV nach Bern und sitzen zu 300 und mehr Personen wie Kaninchen im Stall.»
Durch die engen Platzverhältnisse und das dicht gedrängte Programm komme man einander sehr nahe. Dazu komme, dass nicht wenige Räte selbst zur Risikogruppe gehörten.
Zwar hat auch Imark gegen den Aeschi-Antrag gestimmt. Jetzt sagt er aber: «Mit dem rigorosen Regime des Bundes zur Bekämpfung des Coronavirus ist für mich die Durchführung der Session nicht mehr nachvollziehbar.» Wenn es ein Problem gebe, müsse gehandelt werden, «aber bitte konsequent».
Er erinnert zudem daran, dass Aeschi Anfang Woche noch «politisches Kalkül» für seinen Antrag vorgeworfen worden sei. «Jetzt steht die Verwaltungsdelegation im Verdacht, politisch zu handeln, da die Session auf Biegen und Brechen zu Ende gebracht werden soll.»