Frontalangriff auf Personenfreizügigkeit
SVP bläst zur Schlacht gegen Brüssel

Ein Thema wird 2019 dominieren: die Europapolitik. Gleich mehrfach dürfte das Volk an die Urne gebeten werden. Welche Partei kann bei den Wahlen von den europapolitischen Grossschlachten profitieren?
Publiziert: 15.01.2018 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:59 Uhr
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Sind bereit, den Kampf um die Europapolitik aufzunehmen: SVP-Politiker Toni Brunner, Christoph Blocher und Präsident Albert Rösti (von links) singen die Schweizer Nationalhymne.
Foto: Keystone
Nico Menzato

Heute lanciert die SVP ihre Begrenzungs-Initiative. Bis Mitte Juli 2019 muss die Volkspartei 100'000 Unterschriften für die Kündigung der Personenfreizügigkeit sammeln. Und sie wird es als Wahlkampfvehikel zu nutzen wissen. Damit ist klar: Im Wahljahr 2019 kommt es zum europapolitischen Showdown.

Denn neben dem SVP-Begehren kommen noch drei andere EU-Dossiers vors Volk oder werden die politische Debatte beherrschen. 

  • Kampf um internationale Verträge: Die SVP-Initiative «Landesrecht vor Völkerrecht» kommt in diesem Jahr ins Parlament und wohl 2019 vors Volk. Die Ständeratskommission hat jedoch bereits begonnen, an einem möglichen Gegenvorschlag herumzubasteln. Theoretisch könnte der Urnengang dadurch hinter den Wahltag im Oktober geschoben werden, was jedoch eher unrealistisch ist.
     
  • Kampf um die Landesgrenze: Grund für eine indirekte Schengen-Abstimmung ist die Verschärfung des Waffengesetzes. Die Schweiz ist als Schengen-Mitglied verpflichtet, die neue EU-Waffenrichtlinie umzusetzen. In den kommenden Monaten wird der Bundesrat eine Botschaft vorlegen, danach ist das Parlament am Zug. Die Schützen haben trotz Entgegenkommen des Bundesrats bereits ein Referendum angekündigt und die SVP würde dieses unterstützen. Die Abstimmung würde 2019 stattfinden.
     
  • Kampf um fremde Richter: Am 31. Januar wird FDP-Aussenminister Ignazio Cassis (56) darlegen, wie es mit dem Rahmenabkommen weitergehen soll. Laut Medienberichten plant er, dieses in ein Gesamtpaket mit Marktzugangsverträgen zu verpacken – etwa einen Stromvertrag zum Anschluss der Schweiz an den EU-Strommarkt und ein Dienstleistungsabkommen, damit Schweizer Banken und Versicherungen Zugang zum europäischen Markt erhalten. Für den Fahrplan sind zwei Varianten denkbar: Kommt es noch in diesem Jahr zu einer Einigung, könnte der Rahmenvertrag inklusive Volksabstimmung vor den Wahlen im Herbst 2019 unter Dach und Fach sein. Wenn nicht, werden Jahre bis zu einer Klärung verstreichen. Weil am 29. März 2019 Grossbritannien definitiv aus der EU austreten und im Sommer 2019 ein neuer EU-Kommissionspräsident gewählt wird.

Vom EU-Showdown profitieren würde bei den Wahlen in erster Linie die SVP. Weil sie mit ihren Abschottungsgelüsten eine klare und alleinige Position vertritt. «Wir sind parat, den Kampf für die Unabhängigkeit zu führen», sagt Parteichef Albert Rösti (50) denn auch.

FDP mit höchster Kompetenz

Gemäss Studien geniesst in Europafragen allerdings die FDP beim Volk die höchste Glaubwürdigkeit. Ein weiterer Höhenflug nach 2015 ist für den Freisinn also auch 2019 möglich – dank dem EU-Dossier. Sollte sich die FDP beim Rahmenabkommen aber gegen ihren Aussenminister Cassis stellen (müssen), wäre dies im Wahlkampf eine schwere Bürde.

Auch die CVP fürchtet sich nicht vor einem europapolitischen Superwahljahr. «Eine künstliche Verzögerung wäre falsch. Ich begrüsse eine grosse Debatte über den europapolitischen Weg», sagt Präsident Gerhard Pfister (55). Die Initiative «Landesrecht vor Völkerrecht» würde sich sehr gut eignen, um aufzuzeigen, wie nachteilig eine von der SVP angestrebte Kündigung der Menschenrechtskonvention (EMRK) sei.

SP will SVP demaskieren

Das meint auch die Linke. «Die europapolitische Auseinandersetzung wird helfen, das gefährliche und heuchlerische Spiel der SVP zu demaskieren», sagt Parteichef Christian Levrat (47). Die SP scheue sich vor keiner Debatte und die Position sei klar: «Geregelte und stabile Beziehungen durch den raschen Abschluss eines institutionellen Abkommens.»

EU: Es droht mehr als nur fremde Richter

Parteipräsidentin Petra Gössi (42) fordert überlegtes Handeln: Ihre FDP will erst die offenen Fragen klären, bevor die Schweiz das Rahmenabkommen, also den EU-Grundvertrag, forciert. Ihr Aussenminister Ignazio Cassis (56) nimmt eine Auslegeordnung vor. So können Lösungen zur Streitschlichtung und Regeln für die automatischen Rechtsübernahme gefunden werden.

Ein dicker Hund in der Verhandlungsmasse

Aber – anders als bislang bekannt – hat Brüssel noch nicht zugesichert, dass die Schweiz mit dem Rahmenabkommen nicht auch die Unionsbürgerschaft übernehmen muss. Es war bislang die Strategie der Schweizer Diplomaten, sich in den Verhandlungen mit der EU um diese Frage herumzumogeln, statt Garantien zu verlangen.

Gössi macht nun klar: «Die Unionsbürgerschaft muss definitiv vom Tisch.» Denn diese «Ergänzung zur Staatsbürgerschaft», wie die Unionsbürgerschaft in Brüssel heisst, würde EU-Ausländern einfacheren Zugang zu unserem Sozialsystem und das Wahlrecht bringen – zumindest auf Gemeindeebene.

Blocher: «Man kann es nicht ausschliessen»

Gepaart mit der automatischen Rechtsübernahme, die das Rahmenabkommen ja regeln soll, könnte dereinst dazu führen, dass EU-Bürger genauso behandelt werden müssen wie Schweizer Bürger.

Ein gefundenes Fressen für die Kritiker des Rahmenabkommens. Solange nichts anderes vereinbart ist, können diese vor der «Gefahr» warnen. «Ich sage nicht, dass mit dem Rahmenabkommen die Unionsbürgerschaft zwingend kommt, weil wir nicht sicher sind, ob die EU dies beschliesst», sagt etwa Christoph Blocher (77). «Aber ausschliessen können wir das eben nicht. Das ist der springende Punkt», so der SVP-Vordenker.

Womit klar ist: Solange die EU-Bürgerschaft nicht weg ist, ist das Rahmenabkommen bei der Bevölkerung chancenlos. Pascal Tischhauser

Blick

Parteipräsidentin Petra Gössi (42) fordert überlegtes Handeln: Ihre FDP will erst die offenen Fragen klären, bevor die Schweiz das Rahmenabkommen, also den EU-Grundvertrag, forciert. Ihr Aussenminister Ignazio Cassis (56) nimmt eine Auslegeordnung vor. So können Lösungen zur Streitschlichtung und Regeln für die automatischen Rechtsübernahme gefunden werden.

Ein dicker Hund in der Verhandlungsmasse

Aber – anders als bislang bekannt – hat Brüssel noch nicht zugesichert, dass die Schweiz mit dem Rahmenabkommen nicht auch die Unionsbürgerschaft übernehmen muss. Es war bislang die Strategie der Schweizer Diplomaten, sich in den Verhandlungen mit der EU um diese Frage herumzumogeln, statt Garantien zu verlangen.

Gössi macht nun klar: «Die Unionsbürgerschaft muss definitiv vom Tisch.» Denn diese «Ergänzung zur Staatsbürgerschaft», wie die Unionsbürgerschaft in Brüssel heisst, würde EU-Ausländern einfacheren Zugang zu unserem Sozialsystem und das Wahlrecht bringen – zumindest auf Gemeindeebene.

Blocher: «Man kann es nicht ausschliessen»

Gepaart mit der automatischen Rechtsübernahme, die das Rahmenabkommen ja regeln soll, könnte dereinst dazu führen, dass EU-Bürger genauso behandelt werden müssen wie Schweizer Bürger.

Ein gefundenes Fressen für die Kritiker des Rahmenabkommens. Solange nichts anderes vereinbart ist, können diese vor der «Gefahr» warnen. «Ich sage nicht, dass mit dem Rahmenabkommen die Unionsbürgerschaft zwingend kommt, weil wir nicht sicher sind, ob die EU dies beschliesst», sagt etwa Christoph Blocher (77). «Aber ausschliessen können wir das eben nicht. Das ist der springende Punkt», so der SVP-Vordenker.

Womit klar ist: Solange die EU-Bürgerschaft nicht weg ist, ist das Rahmenabkommen bei der Bevölkerung chancenlos. Pascal Tischhauser

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