«Bloss nicht!», ruft Peter Klaunzer (51), als man ihm offenbart, man werde ihn zum Pete Souza (64) der Schweiz machen. Nein, nein, nein – mit dem persönlichen Fotografen von Ex-US-Präsident Barack Obama (57) habe er so gar nichts gemein, sagt der Liechtensteiner.
Na, ein bisschen schon. Denn Klaunzer ist der erste – und vielleicht einzige – Präsidentenfotograf der Schweiz. Im letzten Jahr hat er Bundespräsident Alain Berset (46, SP) begleitet, auf allen Reisen, aber auch im Bundesratsalltag. Nun erscheint ein Buch über das Präsidialjahr. In Bern wird es eine Ausstellung dazu geben. Zuvor gibt Klaunzer BLICK exklusive Einblicke.
BLICK: Herr Klaunzer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Alain Berset zu begleiten?
Peter Klaunzer: Wir bei Keystone-SDA haben schon seit Jahren mit dem Gedanken gespielt. Während Präsidentenfotografen in anderen Ländern ganz normal sind, fehlt uns in der Schweiz der Blick hinter die Kulissen. Wir haben eigentlich nur die offiziellen Pressetermine. Natürlich braucht es auf der anderen Seite auch die Bereitschaft dazu. Und bei Alain Berset sahen wir eine Chance.
Ist der Innenminister so eitel?
Eitelkeit hat keine Rolle gespielt. Alain Berset interessiert sich für Fotografie. Und er gibt gern Einblicke in das Bundesratsleben – er ist ja auf Instagram sehr aktiv.
Na ja, ein bisschen Eitelkeit ist da ja schon dabei ...
Nein, ich glaube das wirklich nicht. Klar, einzelne Bilder haben ein positives Echo ausgelöst, wie etwa das, wo er in New York auf dem Trottoir sitzt.
Wie schwierig war es, Berset zu überzeugen?
Er war von Anfang an begeistert. Wir haben dann einen Testtag gemacht, damit er sehen konnte, wie ich arbeite. Und das hat gut funktioniert, sodass ich noch gleichentags ein Okay hatte – unter bestimmten Bedingungen.
Welche waren das?
Eigentlich nur zwei. Erstens: Seine Kinder werden nicht fotografiert. Zweitens: Wenn ich in Bereichen fotografiere, zu denen die Presse sonst keinen Zugang hat – in seinem Büro, im Bundesratsflieger, im Hotel – hat er ein Vetorecht, ob das Bild publiziert werden darf oder nicht. Für mich war das in Ordnung, denn es hiess, dass ich alles fotografieren konnte, ohne zu fragen.
Und, wie viele Bilder wurden zensiert?
Kein einziges.
Was hat Sie in diesem Jahr am meisten überrascht?
Mich hat beeindruckt, wie das Kernteam um Berset herum funktioniert. Es ist wie eine extrem gut geölte Maschine. Es geht auch nicht anders: Nur schon die Reisen, die auf die Minute durchgetaktet sind. Ein Programm für drei Tage umfasst gern einmal 20 Seiten. Das ist schon Wahnsinn. Da braucht es genaue Abstimmungen.
Wenn man ein Jahr so viel Zeit mit jemandem verbringt, lernt man einander gut kennen, oder?
Das trügt. Den privaten Alain Berset kenne ich noch immer nicht. Klar ergibt sich hier und da mal die Gelegenheit für einen Small Talk. Aber sonst war ich nicht so nah. Wir siezen uns auch weiterhin. Es braucht eine gewisse Distanz, um objektiv zu sein.
Dennoch: Wie ist Berset so?
Offen, gesellig. Er geht auf Leute zu. Das hat man in den Flüchtlingslagern gemerkt, die wir besuchten. Er wollte nicht nur von Funktionären informiert werden. Er wollte in die Zelte und Hütten gehen und mit den Flüchtlingen selbst reden. Das hat hin und wieder zu hitzigen Diskussionen mit der Security geführt, etwa bei den Rohingyas in Bangladesch. Was mir sonst aufgefallen ist: Berset hat immer Kopfhörer dabei. Wenn er sich konzentrieren muss, wenn er einen Moment für sich braucht – Kopfhörer rein, Musik an, abtauchen.
Ist er auch mal ausgerastet?
«Putzteufelsverrückt» geworden ist er nie. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich irgendwann mal rauswirft. Wenn dir immer einer so nahe rückt, muss das doch nerven. Aber nein, nicht ein einziges Mal.
Haben Sie mal auf ein Bild verzichtet?
Ich habe meine eigenen Regeln. Ich fotografiere niemals jemanden, der isst.
Gibt es ein Bild nicht, weil Sie es verpasst haben?
Ja, leider. Als wir in New York waren, hatte er einen wichtigen Termin. Wir standen aber im Stau und wussten: Das reicht nicht mehr. Da sehe ich aus dem Kleinbus hinter seinem Auto, wie Berset vorne aus der Limousine steigt und anfängt zu rennen. Ich dachte nur: Nein! Ich hab mein Zeug geschnappt und bin hinterhergsecklet – umsonst. Es wäre ein Riesenbild gewesen! Alain Berset rennt durch New York! In dieser Situation wurde er dann übrigens schon ein bisschen hässig. Aber auch da: Er lässt kurz Dampf ab, zieht einen Strich unter den Ärger und startet neu.
War das die einzige Anekdote, die Sie nie vergessen werden, oder gibt es noch eine andere?
Mehrere. Zum einen sicher das Sicherheitsdispositiv beim Trump-Treffen am WEF in Davos. Das war Wahnsinn – so viele Security-Leute auf einmal habe ich noch nie gesehen. Oder als sich Berset auf seiner Reise an die Olympischen Spiele in einem Jazz-Club in Rostow ganz spontan ans Piano setzte. Aber auch als wir in Bangladesch ankamen und metergrosse Bilder von ihm die Strassen in der ganzen Stadt säumten. «Long live his Excellency, Mr Alain Berset, President of Switzerland!» – Das ist ja hierzulande eher weniger so verbreitet.
Der gebürtige Liechtensteiner Peter Klaunzer (51) arbeitet seit 2006 für die Fotoagentur Keystone-SDA, derzeit ist er fest akkreditierte Bundeshausfotograf. Neben Bundesräten fotografiert er alles von Demonstrationen bis hin zu Hockeyspielen.
Der gebürtige Liechtensteiner Peter Klaunzer (51) arbeitet seit 2006 für die Fotoagentur Keystone-SDA, derzeit ist er fest akkreditierte Bundeshausfotograf. Neben Bundesräten fotografiert er alles von Demonstrationen bis hin zu Hockeyspielen.
Buch: Peter Klaunzer, Bundespräsident Alain Berset, Stämpfli Verlag. Die Bilder von Peter Klaunzer sind zudem ab dem 1. Februar im Kornhausforum Bern zu sehen.