Er heisse Mohammed, sagt der Mann, der an diesem Montagnachmittag etwas verloren im Schwingkeller Emmersberg in Schaffhausen steht. «Das können wir uns merken», sagt sein Gegenüber lapidar. Es ist kein Geringerer als Schläpfer Ernst, Schwingerlegende, zweifacher Schwingerkönig und inzwischen Rektor der kantonalen Berufsschule Schaffhausen.
Ausser dem Afghanen Mohammed Rafe Hakimi (28) stehen auch Louay Hobbi (28), Ayman Hamschou (32), Malek Awssi (24) aus Syrien, Abdirahim Abdullahi (23) aus Somalia sowie Rohoullah Bagheri (21), ebenfalls aus Afghanistan, im Schwingkeller.
Nach einer halben Stunde atmen die Flüchtlinge schwer
Den sechs Flüchtlingen ist die Nervosität anzumerken, als Schläpfers «Aktive» ins Sägemehl treten. Sie haben Kränze gewonnen und strahlen aus, was der Schwingsport hochhält: Konsequenz, Fleiss, Beharrlichkeit. Aber auch Fairness, Anstand, Offenheit. Alles Schweizer Werte, könnte man sagen.
Schläpfer will seinen Gästen einen Zugang zu diesem Sport ermöglichen. Er erklärt, dass jeder Kampf mit der Begrüssung beginnt. Er bildet Paare – immer ein Aktiver und ein Neuling – und lässt sie Übungen machen, bei denen die Männer sich an den Händen halten, einander auf die Brust schlagen oder versuchen müssen, dem Gegner auf die Füsse zu treten. Selten hatten Flüchtlinge wohl so engen Kontakt zu Einheimischen.
Dann dürfen alle in die Hosen steigen. Nach einer halben Stunde brauchen die Gäste eine Pause. Sie atmen schwer.
Alle sind verschwitzt und voller Sägemehl
Schläpfer nimmt sie ernst. Er schlaucht sie genauso wie die Profis. Wenn die Flüchtlinge in der Stafette verlieren, müssen sie am meisten Klappmesser und Liegestützen machen.
Nach anderthalb Stunden ruft Schläpfer: «Fertig! Danke! Hosen ab!» Alle schnaufen, sind fertig. Die Flüchtlinge deutlich mehr als die Schwinger. Ansonsten sehen jetzt alle gleich aus: Sie sind von oben bis unten verschwitzt und mit Sägemehl paniert.
Sprache, Regeln, Kontakt als wichtige Faktoren für die Integration
Zu BLICK sagt Schläpfer: «Für mich ist Sport der beste Integrationsmotor. Wer mitmacht, lernt, dass Regeln wichtig sind, nutzt die Sprache und kommt in Kontakt mit Einheimischen.»
Negative Kommentare darüber, dass er die Heks-Aktion «Farbe bekennen» (siehe Box) unterstützt, fürchtet er nicht: «Ich bin im Stiftungsrat einer Entwicklungshilfeorganisation und beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema.»
Auch als Rektor sei er damit konfrontiert: «Wir führen ab Sommer 2017 spezielle Klassen für Flüchtlinge, die eine Vorlehre machen, damit die Integration ins Berufsleben gelingt.»
Ablenkung tut allen gut
Nicht alle seine Schwinger sind begeistert. Einer nervt sich über das Medieninteresse. Mitgemacht und die Flüchtlinge angeleitet hat er dennoch. Ein anderer lobt die Gäste: «Einer hörte genau zu und setzte alles sehr genau um.» Das habe ihm sehr gefallen. Sonst habe er noch nie Kontakt mit einem Flüchtling gehabt: «In unserem Dorf gibt es keine.»
Für den Syrer Louay Hobbi hatte das Training im Sägemehl noch eine ganz andere Bedeutung. Extrem erschöpft, aber glücklich sagt er: «Es tat mir gut, meine Gedanken von der Situation in meinem Land abzulenken.»