Flüchtlinge misshandelt
Bund schickt Asylsuchende nach Kroatien – und wird gerügt

Seit Monaten berichten Medien und verschiedene Organisationen, dass die Situation für Asylsuchende in Kroatien prekär sei. Trotzdem schickt das Staatssekretariat für Migration (SEM) Bewerber dorthin zurück. Nun greift das Bundesverwaltungsgericht ein.
Publiziert: 20.09.2019 um 23:26 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2019 um 12:04 Uhr
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Ungeachtet der teilweise verstörenden Berichte schickt die Schweiz im Rahmen der Dublin-Verfahren Asylbewerber nach wie vor nach Kroatien zurück.
Foto: Keystone
Ladina Triaca

Er werde auf keinen Fall nach Kroatien zurückgehen, erklärte ein syrischer Asylbewerber im April den Schweizer Behörden. Kroatien sei kein sicheres Land. Er sei von kroatischen Polizisten gequält und erniedrigt worden. Das Harmloseste sei gewesen, dass sie im Gefängnis auf ihn uriniert hätten.

Die Berichte des Syrers sind kein Einzelfall. Seit einigen Monaten berichten verschiedene internationale Organisationen, NGOs und auch die Europarats-Sonderberichterstatterin von gravierenden Missständen im kroatischen Asylwesen.

Auch die SRF-Rundschau machte im Sommer publik, wie ganze Flüchtlingsgruppen von kroatischen Beamten systematisch an die EU-Aussengrenze gebracht und dort illegal über die grüne Grenze nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden – sogenannte Push-Backs.

SEM ignoriert Situation in Kroatien

Den Bund beeindruckten die Berichte wenig. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) schickt Asylbewerber im Rahmen der Dublin-Verfahren nach wie vor ohne weiteres zurück nach Kroatien.

Bis jetzt: Das Bundesverwaltungsgericht hat das SEM zurückgepfiffen. Die St. Galler Richter haben in zwei Fällen die Rückführung von Asylbewerbern nach Kroatien gestoppt.

Das Gericht kritisiert das SEM in seinen Urteilen scharf. Das Staatssekretariat habe lediglich aufgrund von «pauschalen Feststellungen» und «standardisierten Begründungen» über die Schicksale der Betroffenen entschieden. Mit den aktuellen Berichten über die Push-Backs in Kroatien habe sich das SEM hingegen «gar nicht auseinandergesetzt».

Was macht Karin Keller-Sutter?

Harte Anschuldigungen. Entsprechend empört ist SP-Nationalrätin Samira Marti (25): «Ich erwarte vom SEM, dass es die NGO-Berichte und die ‹Rundschau›-Beiträge ernst nimmt! Es geht hier nicht um Einzelfälle, sondern um systematische illegale Rückschaffungen durch die kroatischen Behörden.»

Gemeinsam mit SP-Nationalrätin Mattea Meyer (31) fordert sie, dass sich Asylministerin Karin Keller-Sutter (55) erklärt. «Wir wollen wissen, welche Konsequenzen der Bundesrat aus diesen Urteilen zieht und wie die Schweiz künftig mit Rückführungen nach Kroatien umgeht», so Meyer. Keller-Sutter wird am Montag im Nationalrat Stellung beziehen müssen.

Beim SEM gibt man sich auf Nachfrage zurückhaltend: «Gerichtsurteile beziehen sich immer auf Einzelfälle», erklärt Sprecher Daniel Bach. Man werde diese nun analysieren und dann weiter entscheiden. Wie in allen Dublin-Staaten überwache man aber auch die Situation in Kroatien laufend und passe «die Asyl- und Wegweisungspraxis bei Bedarf an». 

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