Vergangene Woche lief die Schweiz in Brüssel auf. Da die EU bei den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen auf der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie (UBRL) beharrt, scheint eine Einigung kaum mehr realistisch (SonntagsBlick berichtete).
Nun hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) ein Papier erarbeitet, das die Unterschiede zwischen dem heute geltenden Freizügigkeitsabkommen und der UBRL auflistet. Namentlich die Veränderung bei der Niederlassungsbewilligung kommt darin zur Sprache: Während das Schweizer Recht eine Niederlassungsbewilligung für Unionsbürger nach zehn Jahren vorsieht – bei guter Integration –, müsste diese im Zuge der UBRL nach fünf Jahren gewährt werden.
Es wäre an der Zeit, dass der Bundesrat der Bevölkerung reinen Wein einschenkt, sagen Vertreter verschiedener Parteien in Bern.
Cassis verbreitet weiter Optimismus
Doch Bundesrat Ignazio Cassis (57, FDP), seit ziemlich genau einem Jahr Vorsteher des Aussendepartements (EDA), wird nicht müde beim Versuch, gegenüber der Öffentlichkeit Optimismus zu verbreiten. Ein Optimismus, den manch ein Freisinniger längst nicht mehr teilt. «Wir müssen uns eingestehen: Das Rahmenabkommen ist nicht nur aussen-, sondern auch innenpolitisch praktisch tot», sagt FDP-Nationalrat Thierry Burkart (43, AG). «Dass wir dynamisch Regeln der EU in Bezug auf unser Arbeitsrecht, das Landverkehrsabkommen und das Niederlassungsrecht übernehmen müssten, wird in unserer Bevölkerung nie akzeptiert. Die Landesregierung sollte sich dies eingestehen.»
Die Unionsbürgerrichtlinie sei lange Zeit im Windschatten des Konflikts um die flankierenden Massnahmen gesegelt, fährt Burkart fort. Tatsächlich konzentrierte sich die Debatte seit dem Sommer auf die Konfrontation zwischen Gewerkschaften und den freisinnigen Bundesräten, nachdem Letztere auf eine Flexibilisierung der Lohnschutzmassnahmen drängten.
Zunahme der Zuwanderung
Eine Übernahme der UBRL ist aber auch für Burkart ein No-Go. «Wer einen Blick auf diese Richtlinie wirft, der weiss, dass sie aus Schweizer Perspektive unannehmbar ist. Es war daher vorhersehbar, dass die Verhandlungen mit Brüssel blockiert sind.»
Die Richtlinie würde eine Zunahme der Zuwanderung nach sich ziehen, so Burkart, «was angesichts des Ja der Stimmbevölkerung zur Masseneinwanderungs-Initiative kaum akzeptiert würde und schwer zu vermitteln wäre». Der Aargauer warnt zudem vor gravierenden Folgen für die hiesige Transportbranche, sollte im Zuge des Landesverkehrsabkommens in Zukunft «eine Lastwagenflut aus Billiglohnländern» über die Grenze rollen.
Schweiz muss Kompromisse eingehen
Anderer Meinung ist SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (58, BL): «Heute gewähren wir hier lebenden Bürgern der alten EU-Länder nach fünf Jahren eine Niederlassungsbewilligung.» Es sei nur logisch, dass auch die anderen Mitgliedstaaten darauf bestehen. «Wir könnten auch nicht akzeptieren, wenn Zürcher von der EU anders behandelt würden als Basler.»
Wer sage, ein Rahmenabkommen sei utopisch, der soll auch eine Alternative präsentieren, fordert der SP-Politiker. «Wir wollen nur den sektoriellen Marktzugang, also müssen wir auch Kompromisse eingehen können.»
Der Gedanke einer gemeinsamen Unionsbürgerschaft geht auf den Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 zurück. Er sieht vor, dass jeder EU-Bürger in allen Mitgliedstaaten als gleich behandelt werden muss. Auf Gemeindeebene besitzen alle EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht. Diese politischen Rechte standen bei den Verhandlungen mit der Schweiz nie zur Debatte – anders als die Richtlinie über die Freizügigkeit, die Brüssel mit dem sogenannten Rahmenabkommen auf die Schweiz ausdehnen will. Namentlich bei der Sozialhilfe hätte dies Konsequenzen: Innerhalb der EU sind Zuwanderer nach fünf Jahren Aufenthalt grundsätzlich Inländern gleichgestellt, dürfen also im Bedarfsfall die gleichen Ansprüche anmelden. In der Schweiz gilt diese faktische Gleichberechtigung erst nach 15 Jahren. Wird ein EU-Bürger nach fünf Jahren in der Schweiz Sozialhilfeempfänger, wäre es künftig nach Brüsseler Lesart nicht mehr zulässig, ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verweigern. Heute gilt der Bezug von Sozialhilfe als Grund, die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen.
Der Gedanke einer gemeinsamen Unionsbürgerschaft geht auf den Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 zurück. Er sieht vor, dass jeder EU-Bürger in allen Mitgliedstaaten als gleich behandelt werden muss. Auf Gemeindeebene besitzen alle EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht. Diese politischen Rechte standen bei den Verhandlungen mit der Schweiz nie zur Debatte – anders als die Richtlinie über die Freizügigkeit, die Brüssel mit dem sogenannten Rahmenabkommen auf die Schweiz ausdehnen will. Namentlich bei der Sozialhilfe hätte dies Konsequenzen: Innerhalb der EU sind Zuwanderer nach fünf Jahren Aufenthalt grundsätzlich Inländern gleichgestellt, dürfen also im Bedarfsfall die gleichen Ansprüche anmelden. In der Schweiz gilt diese faktische Gleichberechtigung erst nach 15 Jahren. Wird ein EU-Bürger nach fünf Jahren in der Schweiz Sozialhilfeempfänger, wäre es künftig nach Brüsseler Lesart nicht mehr zulässig, ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verweigern. Heute gilt der Bezug von Sozialhilfe als Grund, die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen.