SP-Chef Christian Levrat hat Lust auf Opposition. Freuen Sie sich auf vier Jahre Gegenwind von links?
Petra Gössi: Mein Eindruck ist, dass die SP endgültig im Jammertal angekommen ist. Ein Stück weit kann ich das sogar verstehen: Die Partei war erfolgsverwöhnt, sie konnte acht Jahre lang faktisch in einer Koalition regieren. Da konnte sie natürlich prächtig gegen die Bürgerlichen gifteln. Offenbar hat jetzt, wo das etwas schwieriger wird, die Kindergartenphase angefangen, in der man ein bisschen trötzeln muss.
Jetzt gifteln Sie zurück. Dabei kann es Ihnen doch egal sein, wenn die SP auf stur schaltet.
Die FDP macht ihre eigene Politik und sucht dafür Mehrheiten. Wenn die SP da nicht mitmachen will, ist mir das zwar egal. Aber mit diesem Oppositionskurs stehlen sich die Sozialdemokraten aus der Verantwortung und erklären unser politisches System für tot. Das ist unschweizerisch, denn viele Geschäfte, um die es in den nächsten Jahren geht, hat die SP mit aufgegleist: die Unternehmenssteuerreform III und die Anpassungen in der Altersvorsorge zum Beispiel.
Just diese Vorlagen sehen aber nun völlig anders aus, was die SP kritisiert: Machttrunken von den neuen Mehrheitsverhältnissen würden SVP, FDP und CVP überborden.
Das ist Blödsinn! Wir machen die Politik, für die wir gewählt wurden. Ich sehe es andersherum: Die SP konnte früher stark mitgestalten und wurde von den Wählern abgestraft. Das heisst, dass die SP übertrieben hat.
Wie meinen Sie das?
Wie die Wahlen gezeigt haben, spricht die SP mit ihrer Politik nicht mehr die breite Bevölkerung an. Der Büezer fühlt sich längst nicht mehr von ihr vertreten. Auch SP-Wähler haben mittlerweile gemerkt, dass die Staatsaufblähung von irgendwem bezahlt werden muss – vom Mittelstand nämlich. Das weiss die Partei ja selbst.
Woraus schliessen Sie das?
Wenn Vizepräsident Beat Jans sagt, dass die Wähler aus Angst um ihre Arbeitsplätze FDP gewählt haben, zeigt das ja wohl, dass uns selbst von SP-Seite mehr Glaubwürdigkeit bei der Sicherung von Arbeitsplätzen attestiert wird.
Gibt es Themen, in denen Sie dennoch lieber mit der SP Mehrheiten finden würden als im bürgerlichen Block?
Wenn die SVP in der Zuwanderungs- und Aussenpolitik auf ihrer zerstörerischen Linie bleibt, wird uns nichts anderes übrig bleiben. Es könnte sein, dass wir die Linke zur Durchsetzung unserer Idee vom Inländervorrang brauchen. In anderen Politikfeldern macht es einem die SP aber sehr schwer. So hat sie schon das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III angekündigt, obwohl noch gar nicht klar ist, wie das Paket zum Schluss aussieht. Sie setzt alles daran, Lösungen zu verhindern.
Nun will die SP vermehrt ans Volk gelangen – mit Referenden. Fürchten Sie eine totale Blockade des Systems?
Nein. Vor dem Volk hat die SP keinen Erfolg, das haben ihre vielen Initiativen wie Einheitskasse, Mindestlohn, 1:12 und Erbschaftssteuer gezeigt. Dass das bei den Referenden anders sein soll, müssen die Sozialdemokraten erst noch beweisen.