Farhad Afshar (72) hält Küssen und Schmusen in der Öffentlichkeit für anti-islamisch
Schweizer Ober-Muslim spielt mit dem Feuer

Kein Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit! Was der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) fordert, sorgt für riesige Empörung.
Publiziert: 17.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:49 Uhr
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Farhad Afshar auf dem islamischen Gräberfeld in Bern. Afshar ist Soziologe iranischer Herkunft und Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz.
Foto: EQ Images
Guido Felder

Der Schweizer Schriftsteller Claude Cueni (60) ist empört über den obersten Muslim der Schweiz. Farhad Afshar (72) hat nach dem Attentat von Orlando als Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) in der Zeitung «20 Minuten» folgende Aussage gemacht: «Der Islam toleriert generell keinen Austausch von Zärtlichkeiten und Intimitäten in der Öffentlichkeit, weder hetero- noch ­homosexuelle.»

Farhad Afshar ist Soziologe und Schweizer iranischer Herkunft. Was meint er mit dieser Aussage? Will er seinen Glaubensbrüdern und -schwestern in der Schweiz das Küssen auf der Strasse verbieten?

Wandern Sie doch aus!

Atheist Cueni schreibt in einem offenen Brief, den er auf Facebook veröffentlichte: «Lieber Herr Afshar, religiöse und beliebig interpretierbare Schriften aus dem 6. Jahrhundert stehen bei uns nicht über der Verfassung.» Der Schriftsteller betont, Schweizer seien stolz auf ihre Freiheitsrechte. Seine Aufforderung an Farhad Afshar: «Wenn Ihnen das nicht gefällt, müssen Sie es trotzdem ertragen. Wenn Sie es nicht ertragen, steht es ­Ihnen frei, in eines der zirka fünfzig muslimischen Länder auszuwandern.»

Cueni zu BLICK: «Ich halte die Aussage von Herrn Afshar in seiner Funktion als Kios-Präsident für verantwortungslos.»

Auf Anfrage schränkt Farhad Afshar seine Aussage ein: Sie gelte als Grundprinzip für die Mitgliedsländer der islamischen Umma. Das ist die Weltgemeinschaft der 56 Nationen in der
Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Darunter sind beliebte Feriendestinationen wie Ägypten, Indonesien und die Malediven. Auch europäische Länder wie Albanien und die Türkei sind dabei.

Rechenschaft ablegen

Afshar präzisiert: «Das gilt aber nicht für Muslime in der Diaspora.» Also nicht für Mus-lime, die ausserhalb ihrer Heimat leben. Afshar: «Es ist klar, dass Muslime weltweit den lokalen Gesetzen unterstehen und sie diese befolgen müssen. Indem sie sich in der Schweiz niederlassen, schliessen sie mit dem Land einen Vertrag ab, den es einzuhalten gilt.»

Es liege in der Ethik eines jedes Einzelnen, ob er in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschen wolle oder nicht. Farhad Afshar: «Niemand ausser die Konventionen, guten Sitten und die Gesetze setzt Grenzen.» Die Toleranz erfor-dere es jedoch, dass man sich selber darüber Rechenschaft ablege, was einem persönlich richtig erscheine. «Das müssen andere noch lange nicht grossartig finden und dafür Anerkennung zollen.»

Keine Vorgabe aus dem Koran

Auch in modernen islamischen Kreisen stösst die Aus­sage von Farhad Afshar auf Unverständnis. Saïda Keller-Mes­sahli (58) vom Forum für einen fortschrittlichen Islam weist da­rauf hin, dass sich solche Aussagen nicht auf den Koran berufen, sondern auf die Überlieferung vor allem der Hanbaliten aus dem 13. Jahrhundert. Der Hanbalismus sei die Basis des saudischen Rechtssystems und diene heute weltweit Islamisten und Salafisten als geistiger Nährboden. Keller-Messahli: «Seine abscheuliche Fratze zeigt sich freitags in Riad, wenn öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen stattfinden.»

Saïda Keller-Messahli übt heftige Kritik an der Kios: «Die Moscheenverbände, die dieser angeblichen Koordinationsstelle angeschlossen sind, kooperieren mit Salafisten und versuchen, politischen Einfluss in staatlichen Institutionen zu nehmen.» Sie fordert die Einführung eines Rates laizistischer Muslime, der demokratisch legitimiert wäre, um für alle Mus­lime zu sprechen.

Keller-Messahli zu Afshars Aussage: «Wer im 21. Jahrhundert noch solche Regeln hochhält, offenbart seine freiheits- und menschenfeindliche Gesinnung.»

Bitte mehr Respekt für Zärtlichkeit!

«Homosexuelle Menschen sind eine Bereicherung für unsere demokratische Gesellschaft.» So lässt sich Mustafa Memeti, Imam im Haus der Religionen, auf «20 Minuten» zitieren.

Wie bitte? Sexuelle Ausrichtung als «Bereicherung»? Der Imam reagiert mit seiner Aussage auf die Ermordung von fünfzig Menschen in einem Gay-Club in Orlando durch Attentäter Omar Mateen.

Memetis Aussage kaschiert schlecht, dass Homosexualität noch nicht überall wirklich akzeptiert ist, sondern eben nur als «Bereicherung». Kann Memetis Stellungnahme noch als hilflos entschuldigt werden, stellen sich die Nackenhaare bei Farhad Afshars Ausdifferenzierungen. Der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) verurteilt im Namen der Muslime das Verbrechen Mateens scharf. Erklärt dann aber den Schweizern, dass «der Islam generell keinen Austausch von Zärtlichkeiten und Intimitäten in der Öffentlichkeit toleriert, weder hetero- noch homosexuelle».

Der Islam kenne eine strikte Trennung des öffentlichen und privaten Raumes. Werter Farhad Afshar, hier lässt man sich von gar niemandem Händchenhalten und Küssen verbieten. Auch nicht unterwegs. Wenn es stört, einfach nicht hinschauen.

Ringier-Publizist Hannes Britschgi.

«Homosexuelle Menschen sind eine Bereicherung für unsere demokratische Gesellschaft.» So lässt sich Mustafa Memeti, Imam im Haus der Religionen, auf «20 Minuten» zitieren.

Wie bitte? Sexuelle Ausrichtung als «Bereicherung»? Der Imam reagiert mit seiner Aussage auf die Ermordung von fünfzig Menschen in einem Gay-Club in Orlando durch Attentäter Omar Mateen.

Memetis Aussage kaschiert schlecht, dass Homosexualität noch nicht überall wirklich akzeptiert ist, sondern eben nur als «Bereicherung». Kann Memetis Stellungnahme noch als hilflos entschuldigt werden, stellen sich die Nackenhaare bei Farhad Afshars Ausdifferenzierungen. Der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) verurteilt im Namen der Muslime das Verbrechen Mateens scharf. Erklärt dann aber den Schweizern, dass «der Islam generell keinen Austausch von Zärtlichkeiten und Intimitäten in der Öffentlichkeit toleriert, weder hetero- noch homosexuelle».

Der Islam kenne eine strikte Trennung des öffentlichen und privaten Raumes. Werter Farhad Afshar, hier lässt man sich von gar niemandem Händchenhalten und Küssen verbieten. Auch nicht unterwegs. Wenn es stört, einfach nicht hinschauen.

Richtigstellung

In diesem Artikel wird Farhad Afshar als «Schweizer Ober-Muslim» betitelt. Der Journalist des BLICK hat diese Bezeichnung für den Haupttitel gewählt, weil Farhad Afshar der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) ist.

Farhad Afshar stört sich an dieser Bezeichnung, weil es im Islam keine Hierarchie von Glaubenslehren und damit auch keinen «Ober-Muslim» gibt. Er selbst hat nie beansprucht, ein solcher zu sein. Die Kios hat keine Weisungsbefugnis gegenüber den Mitgliederorganisationen, sondern lediglich eine Koordinationsfunktion.

Soweit Farhad Afshar damit zitiert wird, der Islam toleriere generell keinen Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, handelt es sich nicht um eine eigene Forderung von Farhad Afshar, sondern um die Wiedergabe eines religiösen Gebots.

In diesem Artikel wird Farhad Afshar als «Schweizer Ober-Muslim» betitelt. Der Journalist des BLICK hat diese Bezeichnung für den Haupttitel gewählt, weil Farhad Afshar der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) ist.

Farhad Afshar stört sich an dieser Bezeichnung, weil es im Islam keine Hierarchie von Glaubenslehren und damit auch keinen «Ober-Muslim» gibt. Er selbst hat nie beansprucht, ein solcher zu sein. Die Kios hat keine Weisungsbefugnis gegenüber den Mitgliederorganisationen, sondern lediglich eine Koordinationsfunktion.

Soweit Farhad Afshar damit zitiert wird, der Islam toleriere generell keinen Austausch von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit, handelt es sich nicht um eine eigene Forderung von Farhad Afshar, sondern um die Wiedergabe eines religiösen Gebots.

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