Was für ein fröhliches Bild! Saudi-Prinz al-Walid ibn Talal al-Saud in allzu knappen, gelben Shorts auf dem Fahrrad, begleitet von seinem Gefolge, ebenfalls überaus sommerlich-locker gekleidet – Ferienstimmung im türkischen Bodrum. Die «Bild»-Zeitung schmückte damit ihre Seite eins und präzisierte, dass es sich um ein Foto aus den Familienferien handle.
Wo aber sind die Frauen? Die Mädchen? Wie sie ja zu den familiären Ausflügen solch weltreichster Mächtiger aus dem Morgenland zahlreich zu zählen pflegen.
Sie sind nirgends zu sehen. Und wären sie zu sehen, wären sie auch nicht zu sehen, es sei denn auszumachen – als voll verschleierte Gespenster. Und Gespenster schwingen sich nun mal nicht aufs Fahrrad, schon gar nicht unter gleissender Sonne.
Ja, die Frauen und Mädchen der heiteren Radler aus dem Reich des Wahhabismus oder auch des Salafismus gehören unter den Schleier und ins Haus, wo es, dem Ferienfoto ist es zu entnehmen, immerhin kühler sein dürfte als draussen auf dem Asphalt. Letzteres sei ihnen, den Gefangenen der radelnden Herrenhorde, von Herzen gegönnt.
Natürlich ist das alles hierzulande längst bekannt: als Ausdruck des konservativen Islam, wie Burka und Nikab, das ambulante Frauengefängnis der Vollverhüllung, oder das Kopftuch, das Haare und Hals derart hermetisch umschliesst, dass der Begriff «Kopfhelm» dem Kleidungsstück angemessener wäre.
Es gibt immer noch Zeitgenossen und – man fasst es kaum – Zeitgenossinnen, die dreist behaupten, das muslimische Verhüllungsgebot beruhe letztlich auf einem freiwilligen Bekenntnis der Frauen zum Islam. Angesichts des «Bild»-Bildes von Prinz al-Walid ibn Talal al-Saud samt Kumpanen sei die Frage gewagt, ob nicht vielleicht die eine oder andere Frau des Gefolges gerne in leichtem Sommerkleid, eventuell gar in Shorts bei der Fahrradtour dabei gewesen wäre – mit von der fröhlichen Partie, einfach so?
Doch diese Frage ist so unsinnig, dass sie nicht einmal zum Lachen reizt. Es gibt für die Opfer der islamischen Frauenverächter keine Freiwilligkeit, was die Verschleierung betrifft, auch nicht punkto Kopftuch. Und beides ist keineswegs ein religiöses Symbol – wie beispielsweise das kleine Kreuz, das Christinnen als Schmuck um den Hals tragen. Der religiöse Kleider-Komment des Islam ist nichts als unverhüllte, schamlose Unterdrückung – Auslöschung von Weiblichkeit, sei es durch das Verstecken der Haare oder der ganzen Gestalt.
Nun macht sich im Westen gerade eine neue Religion breit, die erste von Frauen begründete, der Genderismus. Ideologisch ist er im hintersten Winkel der Linken angesiedelt, dort, wo die Aufklärung kaum noch Licht ins Denken bringt, eine Glaubenslehre vom sozialen Geschlecht, im Gegensatz zum biologischen Geschlecht. Ihr Dogma lautet: Die Frau ist nicht einfach Frau; sie wird erst durch die sozialen Verhältnisse dazu gemacht; sie kann sich also aus dem gesellschaftlich zugewiesenen Frausein auch befreien, letztlich bis dahin, Mann zu sein, als welchen sich Genderistinnen auch gern stilisieren. Die neue Religion gilt als radikalste Form des Feminismus.
Man könnte daher meinen, dieser fundamentale Feminismus sei, wann immer und wo immer es um Frauenrechte und Frauenbefreiung geht, streitbar wie nichts sonst. Weshalb man auch meinen könnte, gerade im Fall des islamischen Rassismus gegen Frauen führten die Gender-Streiterinnen eine besonders scharfe Klinge.
Doch was sagt Judith Butler – die Päpstin der Gender-Bewegung – zu Burka und Nikab? Ein befreiendes Wort? Ganz im Gegenteil. Die amerikanische Philosophin, deren Glaubenssätzen zahlreiche Feministinnen auch in der Schweiz folgen, hält die Vollverschleierung für eine «Übung in Bescheidenheit und Stolz» – die Verhüllung der Frau symbolisiere «Schutz vor Scham».
Der Saudi-Prinz auf dem Fahrrad und seine Männerfreunde ihrerseits wirken gar nicht bescheiden, sondern eben wie biologische Männer – selbst ermächtigte Herrscher über ihren weiblichen Besitz. Zu Hause, im Hotel oder auf der Yacht Kingdom, die vor Bodrum liegt, üben sich derweil die Gattinnen und Töchter in butlerscher Bescheidenheit: dem öffentlichen Blick entzogen, auch dann, wenn sie sich schleierbewehrt zum Shopping in die Stadt aufmachen.
Dergestalt pflegen sie «Schutz vor Scham». Haargenau so sieht es wohl auch Prinz al-Walid ibn Talal al-Saud.
In Saudi-Arabien und seinen Glaubensgefilden ist die Frau in der Tat nicht einfach Frau, sondern das, was die herrschenden Verhältnisse aus ihr machen.
Wahhabismus/Salafismus und Genderismus – Komplizen.