Fakten- und Stil-Check
So falsch war Köppels Sommaruga-Rede

Die Rede von SVP-Nationalrat Roger Köppel, die SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga zum Verlassen des Nationalratssaal bewegte, war grenzwertig im Stil. Und gespickt mit Übertreibungen und Falschaussagen.
Publiziert: 29.04.2016 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:50 Uhr
Köppel redet Sommaruga in die Flucht!
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Eklat im Nationalrat:Köppel redet Sommaruga in die Flucht!
Nico Menzato

SVP-Nationalrat Roger Köppel griff am Dienstag SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit markigen Worten an. Diese verliess den Nationalratssaal. BLICK macht den Check: Wie beleidigend und falsch sind die drei Kernaussagen in Köppels Rede?

«Frivole Leichtfertigkeit»

Dies warf der SVP-Scharfmacher der SP-Magistratin vor. Gemäss Duden kann frivol als «bedenkenlos» verstanden werden. So gesehen ist Köppels Aussage nicht besonders beleidigend. Frivol kann aber auch eine sexuelle Konnotation haben – also etwa mit «ordinär» übersetzt werden. Dies einer Bundesrätin an den Kopf zu werfen, ist mindestens grenzwertig.

SP-Nationalrat Cédric Wermuth kritisiert in einem Beitrag auf seiner Homepage die sexuelle Konnotation Köppels scharf: Der Inhalt von Köppels Statement würde «ein klassisches, sexistisches Muster» zeigen: «Der (vermeintlich) starke Mann, erklärt der naiven Frau, dass sie besser zu Hause bleiben und die Männer ihre Arbeit machen lassen würde, anstatt mit ihrer Unbeholfenheit und intellektuellen Unterlegenheit alles noch schlimmer zu machen», so Wermuth.

«Verfassungsbruch»

Die Schweiz dürfe keine völkerrechtlichen Verträge abschliessen, die gegen den Verfassungsartikel der Masseneinwanderungs-Initiative verstossen, argumentiert Köppel. Diese Ansicht habe auch der Bundesrat vertreten – und nun seine Meinung geändert.

In der Tat sistierte der Bundesrat nach der Abstimmung zur Masseneinwanderungs-Initiative die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit mit dem Worten, sie sei «nicht kompatibel» mit der Verfassung.

Ein Verfassungsbruch ist das Ja zur Kroatien-Ausweitung dadurch aber (noch) nicht. Weil erstens Europarechts-Experten den Bundesrats-Standpunkt von 2014 in Frage stellten. Es handle sich bei der Kroatien-Ausdehnung nicht wirklich um einen neuen Staatsvertrag, sondern um die Erweiterung des bestehenden Freizügigkeitsabkommens, argumentierten diese.

Zweitens: Der Bundesrat will laut Botschaft die Kroatien-Ausweitung erst in Kraft setzen, wenn eine einvernehmliche Lösung mit der EU zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative vorliegt.

«Wohnungen wegnehmen» 

Köppel schlug in seiner Rede plötzlich den Bogen zur Asylpolitik – und warf Sommaruga vor, sie wolle «den Leuten die Wohnungen wegnehmen, um dort die von Ihnen ins Land geholten Männer aus Gambia, Somalia und Eritrea als Asylanten unterzubringen.»

Köppel spricht damit das Planungsgenehmigungsverfahren des neuen Asylgesetzes an. Der Bund soll damit mehr Kompetenzen bei der Suche nach Flüchtlingsunterkünften erhalten. Damit Projekte nicht mit Rekursen jahrelang verzögert werden können. So wie dies bereits heute beim Bau von Nationalstrassen, Elektrizitätswerken oder militärischen Bauten der Fall ist. Die Schweiz stimmt am 5. Juni darüber ab.

Als Ultimo Ratio sind Enteignungen von Privatpersonen möglich, was die SVP und der Hauseigentümerverband (HEV) kritisieren. Sommaruga sagt dazu: «Das Militär, das seit zwanzig Jahren die Möglichkeit hat, solche Enteignungen vorzunehmen, hat noch nie Gebrauch davon gemacht. Auch wir haben null Interesse, gegen einen Kanton oder eine Gemeinde zu entscheiden. Schliesslich müssen die Zentren von den Menschen, die dort wohnen, akzeptiert werden.»

Die Beispiele der Flüchtlinge, die Köppel wählt, sind zudem irreführend. Nicht vorwiegend Schwarzafrikaner wie Gambier, Somalier und Eritreer ersuchten im ersten Quartal 2016 um Asyl in der Schweiz. Sondern Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern wie Afghanistan, Syrien und Irak. Diese kamen via Balkanroute oder Mittelmeer in die Schweiz – und Sommaruga holt sie nicht ins Land, wie Köppel behauptet.

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