Tokio, Hongkong, Südafrika
Diese Linken wollen für die SP in den Nationalrat jetten

Von Strand und Millionenmetropole ins Bundeshaus: Gut ein Dutzend SP-Kandidaten wollen von einem anderen Kontinent aus den Sprung in den Nationalrat schaffen. Auch wenn das so gar nicht zur Klimaschutz-Politik der Linken passt.
Publiziert: 25.07.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2019 um 09:21 Uhr
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SP-Kandidat Pascal Lottaz (33) lebt seit mehreren Jahren in Japan.
Foto: zvg
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Für einen Nationalratssitz würde Pascal Lottaz (33) um die halbe Welt fliegen. Der Assistenzprofessor für internationale Beziehungen und Geschichte wohnt in Tokio, 10'000 Kilometer von der Schweiz weg. Er kandidiert im Herbst für die SP in Freiburg. 

Lottaz ist einer von über 30 Auslandschweizern, die auf einer SP-Liste antreten. Ein Drittel der Kandidierenden lebt – wie er – auf einem anderen Kontinent: in Asien, Afrika, Süd- oder Nordamerika. Im Fall einer Wahl in den Nationalrat in die Schweiz ziehen? Für die grosse Mehrheit, mit denen BLICK gesprochen hat, keine Option. 

«So viel zu fliegen ist ein Problem»

Dass die SP ihre Kandidierenden im Jahr 2019, das im Zeichen des Klimaschutzes steht, ins Bundeshaus einfliegen will, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Schliesslich haben die Sozialdemokraten doch eben einen «Klima-Marshallplan» aufgesetzt, mit dem sie den Flugverkehr reduzieren wollen. 

Auch Lottaz räumt ein: «So viel zu fliegen, ist ein Problem» – auch wenn er versuchen würde, nur so oft wie nötig in die Schweiz zu pendeln und eine CO2-Kompensation zahlen würde. Man müsse aber abwägen. «Schliesslich wäre es falsch, eine ganze Bevölkerungsgruppe von politischen Ämtern auszuschliessen.»

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Aus Lottaz' Sicht fallen Auslandschweizer «zwischen Stuhl und Bank». «Wir werden bald über eine Million sein – trotzdem sind wir in der Schweiz fast unsichtbar.» Würde er gewählt, forderte er, «dass die Auslandschweizer einen eigenen Wahlkreis bilden, sozusagen einen virtuellen 27. Kanton». Denn heute wählen eben nicht die Auslandschweizer die Kandidaten aus dem Ausland, sondern die Wahlberechtigten eines frei wählbaren Kantons.

Sie wollen sich per Skype zuschalten

Auch Tobias Brandner (54) will der Fünften Schweiz eine Stimme geben – von Hongkong aus. Dort lehrt der Theologe an einer Universität und ist nebenamtlich Gefängnisseelsorger. «Um globale Probleme zu lösen, braucht es auch politisch global vernetzte Menschen», findet Brandner, der in Luzern antritt. 

Gleich sieht dies Thierry Luescher (48). Der Kandidat der SP Freiburg lebt in Südafrika, am Kap der Guten Hoffnung. Wie die beiden anderen SPler stellt er sich vor, für die vier Sessionen pro Jahr in die Schweiz zu fliegen. Was die Kommissionssitzungen anbelangt, hoffen die Auslandschweizer auf innovative Lösungen. «Ich würde mich bemühen, mich per Skype zuzuschalten», so Brandner. Angesichts des Kommissionsgeheimnisses ein schwer umsetzbarer Wunsch.

SP-Guldimann ist skeptisch

Skeptisch äussert sich selbst Tim Guldimann (68), der erste «Internationalrat» der Schweiz. Er trat 2018 nach einer halben Legislatur zurück, weil das Pendeln von Berlin aus doch zu aufwendig war. Er findet es zwar gut, wenn Auslandschweizer kandidieren. «Allerdings müssen sie bereit sein, genügend Zeit in der Schweiz zu verbringen.» Seine Erfahrung zeige, es sei schwierig «Politik zu machen, ohne unter den Leuten zu sein». 

Die SP ist nicht die einzige Partei, bei der Auslandschweizer antreten. Für die Bündner SVP steigt Andrea Farhat-Dähler (37) ins Rennen. Die Tochter des «Ananaskönigs», des Auswanderers Johann Dähler, lebt in der Elfenbeinküste. Sie ist Direktorin einer Handelsfirma in Abidjan.

3.7 Tonnen CO2 für einen Bundeshaus-Abstecher

So viel CO2 verursacht ein Flug (hin und zurück) nach Zürich: 

  • Tokio – Wohnort von Pascal Lottaz (SP-Kandidat): 3.7 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Hongkong – Wohnort von Tobias Brandner (SP): 3.5 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Kapstadt – Wohnort von Thierry Luescher (SP): 3.5 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Abidjan – Wohnort von Andrea Farhat-Dähler (SVP): 1.8 Tonnen CO2-Äquivalente

Zum Vergleich:

  • Durchschnittlicher Verbrauch eines Schweizers pro Jahr: 4.7 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Maximaler Verbrauch, um Klimaerwärmung aufzuhalten: 0.6 Tonnen CO2-Äquivalente

So viel CO2 verursacht ein Flug (hin und zurück) nach Zürich: 

  • Tokio – Wohnort von Pascal Lottaz (SP-Kandidat): 3.7 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Hongkong – Wohnort von Tobias Brandner (SP): 3.5 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Kapstadt – Wohnort von Thierry Luescher (SP): 3.5 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Abidjan – Wohnort von Andrea Farhat-Dähler (SVP): 1.8 Tonnen CO2-Äquivalente

Zum Vergleich:

  • Durchschnittlicher Verbrauch eines Schweizers pro Jahr: 4.7 Tonnen CO2-Äquivalente
  • Maximaler Verbrauch, um Klimaerwärmung aufzuhalten: 0.6 Tonnen CO2-Äquivalente
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