Für die Sozialdemokraten ist es eine Zäsur: Diese Woche verabschiedete sich die SP-Nationalrätin Evi Allemann (39) von ihren Fraktionskollegen in den Berner Regierungsrat. Die Zürcherin Chantal Galladé (45) steckt im Wahlkampf um das Schulpräsidium in Winterthur ZH, es ist ihre letzte Legislatur. Und 2019 wechselt die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (40) in die Privatwirtschaft.
Die drei hoch profilierten Genossinnen stehen für politischen Pragmatismus. Im Politjargon gelten sie als sogenannte Realos, im Gegensatz zu den «Fundis» werden sie dem rechten Flügel der Partei zugerechnet.
Realpolitik vor Fundamentalismus
Statt auf theoretisch begründeten Positionen zu beharren wie die Fundamentalisten in der SP, sind sie Anhängerinnen der Realpolitik. Alle drei machen bei der im Dezember 2016 gegründeten, reformorientierten Plattform mit, einer Arbeitsgruppe, die ein Gegengewicht zum linksfundamentalistischen Lager zu bilden versucht.
Der Abgang des Trios reisst da eine Lücke auf, wie Chantal Galladé eingesteht: «Es ist eine Tatsache, dass die Bundeshausfraktion deutlich linker positioniert ist als unsere Wähler.» Die SP müsse aber ihrem liberalen Flügel Sorge tragen. «Sonst bekommen wir ein Problem.»
Evi Allemann ergänzt: «Natürlich dienten wir der reformorientierten Plattform als Aushängeschilder.» Es rückten jedoch andere nach, die das ebenfalls können, meint sie. «Das gehört zur stetigen Erneuerung der Partei.»
Pascale Bruderer sagt: «Auch wenn sich nun einige zurückziehen, wird die Arbeit der Plattform fortgeführt und der Dialog in der Partei weitergepflegt. Ich glaube und hoffe, dass die SP weiss, dass dies in ihrem ureigensten Interesse ist.»
Trotz ihrer Popularität hatten es die drei nicht immer leicht – das zeigte sich beispielsweise bei der Wahl der Nationalratspräsidentin 2019: Eine Mehrheit der Fraktion weigerte sich, das prestigeträchtige Amt einer Sozialdemokratin vom rechten Flügel zu überlassen.
Zwei welsche Männer geben den Kurs vor
Statt Galladé bekam Marina Carobbio (51, TI) den Job. Die Unterlegene heute: «Manchmal hat unser Flügel schon das Gefühl, dass wir mehr geduldet waren als wirklich akzeptiert. Geduldet, weil wir Stimmen bringen.»
Evi Allemann will sich ganz von der reformorientierten Plattform verabschieden: «Ich möchte mich voll und ganz dem Regierungsamt sowie dem Kanton Bern widmen.»
Die drei Deutschschweizer SP-Frauen werden ihrer Partei auch im Wahlkampf für die Nationalratswahlen 2019 fehlen. Sie schafften einen Ausgleich zur Führung, die mit zwei Männern aus der Romandie – Parteichef Christian Levrat (47, FR) und Fraktionschef Roger Nordmann (45, VD) – besetzt ist.
Chantal Galladé: «Nun zieht die Partei zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit zwei Männern aus der Westschweiz in ein Wahljahr. Das ist sicher eine Herausforderung.»